Höchst unfair, weil nicht korrekt! Diese Reaktion rief die neuerliche negative Beurteilung von Bio-Hanfprodukten durch das Verbrauchermagazin Ökotest in der Bio-Branche bei den betroffenen Herstellern hervor. Die Verbraucherschützer kritisierten eine ganze Reihe von Bio-Hanfprodukten aufgrund angeblich zu hoher THC-Gehalte und/oder Verunreinigungen mit Mineralölen (MOSH/MOAH).
Ökotest hatte durch eigens strenger als vom Gesetzgeber festgelegte Grenzwerte die Abwertung der Produkte erreicht. Den Vorwürfen begegneten die negativ beurteilten Bio-Produzenten mit dezidierten Stellungnahmen, dennoch befürchtet Wolfgang Misslisch aus der Geschäftsleitung von Hanfspezialist Chiron, dass durch die wiederkehrende negative Berichterstattung über Hanf ein Makel im öffentlichen Gedächtnis hängen bleiben könnte und dies bereits jetzt an schlechteren Verkaufszahlen spürbar sei. Die Branche müsse ganz klar Stellung beziehen: „Bio-Hanf ist ein sicheres und dazu noch äußerst nachhaltiges Lebensmittel.“
Nach Analysen des Branchenauswerters bioVista kriselte der Absatz von Hanfsamen im Umsatzzeitraum zwischen August 2021 bis Juli 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum tatsächlich überdurchschnittlich. 21 Prozent weniger Umsatz konnte in den teilnehmenden Biofachgeschäften mit dem Sortiments-Segment erzielt werden.
Vertriebsleiter Fabian Ganz bezeichnet die Umsatzrückgänge in der Kategorie als streckenweise dramatisch. Sein Erklärungsansatz: „Zum allgemeinen Umsatzrückgang kommt in der Kategorie hinzu, dass andere Ölsaaten wie Kürbiskerne und Leinsaat gerade noch mehr im Trend sind und die Umsätze kannibalisieren.“
Beides – sowohl die Medienkritik als auch die starke nachbarschaftliche Konkurrenz im Sortiment Ölsaaten – dürften Grund genug sein, das Superfood Hanfsamen einmal mehr ins richtige Licht zu rücken. Im Regal, einsortiert neben weiteren Ölsaaten, heben sich die Hanfnüsse eher schwerlich ab. Je nach Ladenaufbau könne eine Zweitplatzierung im Frühstücks- oder Backregal lohnend sein, rät Brand- und Produktmanagerin Sarah Kohn von Govinda.
Noch mehr Aufmerksamkeit ernteten Aufbauten mit weiteren Hanf-Produkten, ob in einem Extra-Regal oder aber im Rahmen eines Themenverkaufstisches, empfiehlt Thomas Schürg von Hanf & Natur. Für die Präsentation im Verbund mit anderen attraktiven Produkten findet Senior Produktmanagerin Anna-Karina Pläster von Davert die Themen „vollwertiges Frühstück“, „Backen“ oder „Superfood“ passend. „Und natürlich ist eine begleitete Verkostung ideal.“
Dafür eignen sich geschälte Hanfsamen ganz besonders. Aber auch die preislich attraktiveren ganzen Hanfsamen überzeugen und profitieren vom leichten Anrösten. „Geschälte Hanfsamen können als Topping in kleinen Schälchen sehr gut gemeinsam mit Porridge, auf Salat oder aber auf Schnittchen mit Gemüseaufstrich angeboten werden“, schlägt Sarah Kohn von Govinda vor.
Hanfsamen haben einen wichtigen Trumpf: „Die Einfachheit der Anwendung und die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten sorgen für einen tollen AHA-Effekt“, so Anna-Karina Pläster. Schließlich ließen sich die Samen fast über alles einfach drüberstreuen, ob Müsli, Salat, Suppe, Backware oder Smoothie. Alltagstipps seien generell ein guter Aufhänger fürs Gespräch: Beispielsweise veredele eine Handvoll Hanfsamen den Brotteig. Im selbstgemachten Granola könnten Sonnenblumenkerne durch Hanfsamen ganz leicht ersetzt werden und einen Extraschub Omega-3-Fettsäuren liefern.
Bei allen Maßnahmen, so rät Wolfgang Misslisch, müssten ganz klar die drei Vorteile ‚optimale Fettsäuren‘, ‚hochwertiges Eiweiß‘ sowie ‚guter Eisenlieferant‘ kommuniziert werden. Passende Hinweise zur Lagerung der fettreichen Ölsamen – selbstverständlich kühl, trocken und licht- sowie luftgeschützt – helfen über weitere Vorbehalte hinweg. Haltbar sind die geschälten Hanfsamen ohne Schaden etwa zwölf Monate, ungeschälte etwa ein viertel Jahr länger.
Tipps vom Kollegen
- Hanfsamen und Hanfkerne führen wir von drei Anbietern, darunter ein Hanfspezialist, eine renommierte Naturkostmarke und ein etwas günstigeres Produkt.
- Hanfkerne sind bei den Ölsaaten platziert und stehen als relativ hochpreisiges Produkt im Regal auf Augenhöhe. Besonders nachgefragt sind geschälte Hanfsamen. Es lohnt sich, sich etwas breiter aufzustellen und das Sortiment etwa zusätzlich mit Hanfkernflocken und ähnlichem zu ergänzen.
- Das Superfood Hanf mal wieder mit einem Thementisch in den Mittelpunkt zu stellen, ist keine schlechte Idee. Mit auf den Tisch kommen dabei Hanföl, Hanfaufstriche, schokolierter Knabberhanf und auch CBD-Tropfen.
- Parallel dazu überzeugt eine Verkostung mit geschälten oder leicht angerösteten Hanfsamen. Das kann auch nur still angeboten werden: Schälchen plus Löffelchen müssen ausreichend vorbereitet werden.
Basiswissen über Hanfsamen
Hanfsamen? Klingt illegal? Ist er aber nicht. Seit mehr als einem viertel Jahrhundert darf THC-freier Nutzhanf in Deutschland wieder ganz legal ins Lebensmittelregal. Zuvor war er seit den 1930er Jahren verboten. Seit seiner Wiederzulassung 1996 findet das nussige Kernchen immer mehr Zuspruch und eroberte vor allem in Biofachgeschäften und Reformhäusern seine Nische. Aktuell gesellen sich neben die reinen, bräunlichen Hanfsamen mit Schale und die beigen, feinen, geschälten Hanfkerne jede Menge weitere Verarbeitungsformen, zum Beispiel Flocken, Mehl, Schrot, Protein oder geröstete und gewürzte Knuspersamen.
Mehr noch: Mit Hanf werden Bio-Müslis gemixt, Backwaren gebacken, Nudeln produziert, Fleischersatz geformt, Brotaufstriche kreiert und sogar Schokolade verfeinert und es wird Speiseöl aus den Saaten gepresst. „Bis dato zählen wir etwa 70 verschiedene Hanfprodukte in unserem Sortiment“, berichtet beispielsweise Wolfgang Misslisch, Geschäftsführer beim Hanf-Spezialisten Chiron.
„Hanfsamen mit und ohne Schale und ihre Produkte passen einfach hervorragend in unsere Zeit“, ist Misslisch überzeugt: „Sie sind das perfekte Superfood, geeignet für alle, die ihre Nährstoffversorgung mit natürlicher, vollwertiger Ernährung optimieren möchten, weil sie zudem einfach und variantenreich im Speiseplan kombinierbar sind.“ Tatsächlich bestechen die kleinen, grünlich-grau-braunen Ölsaaten mit einem ausgeglichenen und reichhaltigen Nährstoffspektrum. Die kompakten Kernchen – auch als Hanfnüsse bezeichnet – glänzen mit etwa 30 Prozent Fett, 20 Prozent Eiweiß und vielen Mineralstoffen sowie Vitaminen.
Vielfalt mit Hanf
In geschälter Hanfsaat liegen Fett- und Proteingehalt sogar bei über 50 und 30 Prozent. „Hanffett hat eine ganz ausgezeichnete Qualität“, lobt Stephanie Heim aus dem Marketing von Govinda, „denn die Fettsäuren von Omega-6 und Omega-3 stehen dank hoher Gehalte an essenzieller Linol- und Alpha-Linolensäure im optimalen Verhältnis von etwa 3:1“. Das unterstützt die Bedürfnisse des gesunden menschlichen Stoffwechsels besser als viele andere pflanzliche Fette. Nur die Ölsaaten Leinsamen und Chia toppen diese Werte. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für die Zufuhr von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren ein Verhältnis von 5:1, erreicht wird durchschnittlich jedoch eine Aufnahme von circa 16:1.
Bei Hanf stimmt das Gesamtpaket: Außer mit guten Fetten versorgen Hanfsamen zusätzlich mit hochwertigem, gut verdaulichem Eiweiß. „Im Hanfkern finden sich alle acht essenziellen Aminosäuren, auf deren Zufuhr der Mensch angewiesen ist, zusätzlich zu allen anderen der insgesamt 20 Eiweißbausteine“, bestätigt Thomas Schürg, Einkaufsleiter von Hanf & Natur. Ideal sei Hanfsamen als Lebensmittel für Veganer und Vegetarier, genauso wie für Sportler, aber auch ältere Menschen, die auf eine gute Kombination an hochwertigen Proteinen sowie Fetten achten müssten. „Dabei ist zusätzlich der hohe Gehalt an Eisen und Magnesium sowie Vitamin B1 von Vorteil“, ergänzt Anna-Karina Pläster, Senior Produktmanagerin bei Davert.
Besonders konzentriert sind diese Vorteile im geschälten Hanfsamen. Ungeschälte Hanfkerne dagegen werfen mit ihrem Schalenanteil eine zusätzliche Portion Ballaststoffe (>40g/100g) in die Waagschale – fördern also die Verdauung und passen in den Rahmen von kalorienreduzierten Diätplänen. Die DGE empfiehlt etwa 30 Gramm Ballaststoffe täglich. Mit einer kleinen Ration von täglich 20 Gramm Hanfkernen werden bereits mehr als ein Viertel der empfohlenen Menge Ballaststoffe verzehrt.
Was Kunden wissen wollen
Enthalten Hanfsamen berauschende Substanzen?
Rauscherzeugendes Tetrahydrocannabinol (THC) ist in Speisehanfsamen allenfalls in Spuren messbar: Zum Anbau sind ausschließlich Sorten zugelassen, die weniger als 0,2 Prozent THC bilden. Die Samen sind von Natur aus THC-frei. Lediglich die drüsenbehaarten Blätter und Teile der Blüte enthalten das Cannabinoid.
Warum tragen viele Produkte einen Warnhinweis für Kinder?
Eine Kontamination der Samen mit sehr geringen Mengen THC aus den Drüsen der Blätter und Blüte ist bei der Ernte nicht komplett auszuschließen. Säuglingen und Kleinkindern gebührt in diesem Zusammenhang größtmöglicher Schutz. Sie sollten daher keine Hanfsaaten verzehren.
Wieviel Hanfsamen sollte man pro Tag essen?
Gängige Empfehlungen belaufen sich auf etwa 20 Gramm ungeschälte Hanfsamen oder etwa 30 Gramm geschälte Saat. Maßgebend für die Empfehlungen sind mögliche Kreuzkontamination mit THC.
Hanfsamen im Bioladen stammen meist aus europäischem Anbau, vorzugsweise wird von regionalen Anbauern in Deutschland oder Österreich bezogen. In einzelnen Fällen, etwa wenn nicht ausreichend Hanf in passender Qualität vor Ort zur Verfügung steht, kaufen Hersteller auch in Litauen oder Estland (Davert), manchmal auch in China (Hanf & Natur).
Nutzhanf ist unkompliziert im Anbau und gedeiht unter biologischen Anbaubedingungen auch ohne künstliche Dünger gut. Er ist unempfindlich gegenüber Schädlingen und Pflanzenkrankheiten, pflegt den Boden und kann nahezu komplett verwertet werden. Das Gros der in Deutschland gehandelten Hanfsamen wird in Bio-Qualität angeboten. „Trotzdem ist der Aufwand für einwandfreie Qualität der Hanfsamen nicht trivial“,
betont Thomas Schürg von Hanf & Natur. Nach der Ernte werden die Samen mechanisch gereinigt, schonend mit indirekter Hitze getrocknet und anschließend trocken, kühl und lichtgeschützt gelagert. Zur dauernden Qualitätssicherung gehören Kontrollen des THC-Gehalts an rauscherzeugendem Tetrahydrocannabinol (THC), der Reinheit, der Rückstände von Pestiziden oder Mineralölen (MOSH/MOAH) aus unvermeidbaren Umwelteinträgen, das Bestimmen der Kennzahlen für Fettverderb und das Aussortieren beschädigter Samen, sowie Größen- und schlussendlich auch Geschmackstests.
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