Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Warenkunde

Darum eignen sich Algen auch für die vegane Ernährung

Algen liefern Kohlenhydrate, reichlich Ballaststoffe und ordentliche Mengen Eiweiß. Sie gelten als Trend-Lebensmittel, spielen aber im Bioladen bislang noch eine Nebenrolle. Höchste Zeit, die Produkte kennenzulernen und dem Sortiment eine Bühne zu geben. 

„Algen sind Trendfood“, sagt Nina Schinkowski von Arche Naturküche. Fabian Ganz, Vertriebsleiter bei bioVista, formuliert es etwas vorsichtiger: „Das ist ein kleines aber feines Sortiment.“ Für beide Statements gibt es Argumente. bioVista hat in 24 Monaten gerade mal 35 verschiedene Algenprodukte gemessen, die in den am Panel des Marktforschers beteiligten Bioläden über den Scanner gezogen wurden. Gesamtumsatz pro Laden und Jahr: 300 Euro. Aber mit deutlich steigender Tendenz, nämlich 19,6 Prozent. 

Algen werden nicht oft, aber immer öfter gekauft. Die Verbraucherforscher von Innova Market Insights etwa machten Algen vor wenigen Monaten als einen von zehn Ernährungstrends aus. Und dann gibt es noch die Gruppe derer, die weder Fisch noch Fleisch essen, immerhin über zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Algen als Fischersatz oder zumindest als Meereswürze für Fischersatz dürften für Menschen, die sich rein oder größtenteils pflanzlich ernähren, durchaus interessant sein. 

Eva-Maria Eckert, Geschäftsführerin des Kölner Hulc Bioladens, beschreibt die Algen-Klientel als Menschen, die aus der Makrobiotik kommen, sich in der Traditionellen Chinesischen Medizin auskennen oder einfach als Genießer, die sich für die japanische oder die asiatische Küche begeistern. Nicht zu vergessen Vegetarierinnen und Vegetarier. Allerdings sagt sie auch: „Es reicht nicht aus, die Produkte einfach ins Regal zu stellen“. Fachkenntnis sei schon nötig. „Da kommen Kunden mit einem Rezept aus dem Internet. Wir müssen ihnen erstmal erklären, wie sie mit Algen umgehen sollten.

Ideen und Rezepte

Informationen über Algen bieten vor allem die Inverkehrbringer, die sich auf dieses Segment spezialisiert haben, auf ihren Websites: Algamar, Arche Naturküche, Terrasana und Kulau. Terrasana zeigt dort auch ein Video zur Algenernte in Japan und eine Broschüre über die Japanküche lässt sich dort ebenfalls herunterladen. „Sie soll 2025 neu gedruckt werden,“ verspricht Bella Landwehr, Account Managerin bei Terrasana. 

Oft kaufen Kunden Algen, die dann im Schrank verstauben“, berichtet Hanna Koglin, Algen-Sommelière und Geschäftsführerin von Algamar. „Wir müssen ihnen eine Idee geben, was sie damit anfangen können.“ Rezepte finden sich daher reichlich auf den einschlägigen Websites. Etwa für Avocado-Tartar mit Wakame, Cannelloni mit Algen, Sushi, aber auch „Ohne-Fisch-Stäbchen“ mit Erbsenpüree, veganes Omelett oder „Visch-Schnitzel“. Bei den Algen-Produkten von Arche Naturküche findet die Kundschaft diverse Rezepttipps auf der Innenseite der lose angehefteten Papierreiter-Etiketten. Terrasana hat QR-Codes auf die Etiketten gedruckt, die zu Rezepten und Informationen führen. 

Doch bevor die Kundschaft ihre Algen zu attraktiven Gerichten verarbeiten kann, müssen Mitarbeitende im Laden über die erste Hürde helfen: die Scheu vor dem fremden Geschmack. „Wir haben festgestellt, dass viele Leute noch etwas skeptisch sind bei Algenprodukten“, berichtet Lisa Taupe, stellvertretende Marketingleiterin bei Bioverde. Ihr Rat: „Lassen Sie den Algensalat probieren.“

Verkostung und Platzierung im Geschäft

Eine Verkostung muss nicht aufwändig sein. „Bestreichen Sie einfach Baguettescheiben,“ sagt Vitam-Geschäftsführerin Ulrike Schimunek und meint damit ein Algen-Hummus. Hanna Koglin von Algamar rät, Algen zur Verkostung in ein bekanntes Gericht zu integrieren: „in eine Quiche, einen Flammkuchen oder in einen Salat.“ Für Anfänger hat Algamar eine Algen-Starterbox auf Lager, mit passenden Rezeptkarten. 

Sind Käuferinnen und Käufer erst einmal vom Aroma der Algen überzeugt, finden sie diese im Biomarkt an vielen Orten: zunächst bei der Feinkost oder im Asia- beziehungsweise Weltküche-Bereich, aber auch im Kühlregal, bei den Konserven, bei den Brotaufstrichen, im Bodendisplay, Toppings eventuell in Zweitplatzierung bei den Gewürzen. Mikroalgen und Algencalcium haben ihren Platz bei den Nahrungsergänzungsmitteln. Wer Sushi-Fans ansprechen möchte, kann das passende Zubehör bereitstellen: von der Sushimatte über Essstäbchen, Ingwerreibe und Messer bis hin zu Sushireis und Wasabi, zu finden bei Arche Naturküche oder Terrasana.

Tipps von der Kollegin

Eva-Maria Eckert, Geschäftsführerin Hulc Bio-Food, Köln (120 Quadratmeter)

  • Unser Laden wurde vor gut 30 Jahren von Vegetariern gegründet. Daher sind wir sehr stark im Asia-Bereich. Die Asia-Küche bietet vieles, was die vegetarische Küche spannender macht: Miso, Sojasauce, Seitan und eben auch Algen.
  • Algen gehören in ein gut sortiertes Asia-Regal. Unseres ist groß und steht zentral im Laden.
  • Wir verkaufen nur, was wir auch probiert haben. Bei Algen ist es nicht nur wichtig, zu wissen, wie sie schmecken, sondern auch, wie man damit umgeht.
  • Wenn jemand kommt und erzählt, er habe eine tolle Miso-Suppe gegessen und sie nachkochen will, können wir sagen, was reingehört. Und wie sie richtig zubereitet wird.

Basiswissen Algen

Sind das überhaupt Pflanzen?“ – Gute Frage. Algen, auch Seetang genannt, sind pflanzenartige Lebewesen ohne Stiel, Stamm oder Wurzel, betreiben Photosynthese wie Pflanzen und leben hauptsächlich im Wasser. Für Meerestiere sind sie Lebensraum und Nahrung, für uns sind sie Lebensgrundlage: Jedes zweite Sauerstoffmolekül in der Luft wurde von Algen produziert, die nebenbei jede Menge Kohlenstoffdioxid einlagern. Es gibt mikroskopisch kleine Einzeller – sogenannte Mikroalgen – und Makroalgen, die bis zu 100 Meter lang werden. Die wichtigsten essbaren Meeresalgen sind Braunalgen wie Wakame, Kombu oder Meeresspaghetti, Rotalgen wie Nori oder Dulse und Grünalgen wie Meeressalat.

Bio-Algen-Ernte unter hohen Auflagen

Seetang wächst in Küstenregionen, nicht nur in Südostasien, sondern auch an der europäischen Atlantikküste von Südspanien bis Island. Allerdings wird nur ein Prozent der weltweit erzeugten Algenmenge in Europa geerntet. Bio-Algen werden aus dem nordspanischen Galicien, aus Nordfrankreich, Japan, Südkorea oder China importiert. Sie stammen vorwiegend aus Wildsammlung. Die Sammelgebiete sind klar definiert und erfüllen strenge Auflagen in Bezug auf die Wasserqualität. 

„Der Aufwand ist enorm“, berichtet Lisa Taupe von Bioverde. „Das Meeresgemüse darf nur selektiv bei Ebbe abgeerntet werden“, also so umsichtig, dass es problemlos in einem angemessenen Zeitraum nachwachsen kann. Seetang, der in tieferem Wasser wächst, wird von Tauchern geerntet, gelegentlich nur saisonal, um den Zeitpunkt der bestmöglichen Qualität abzupassen. Arche Naturprodukte und Bioverde lassen Meeresspaghetti von Naturland zertifizieren. Die Regeln des Verbandes gehen noch mehr ins Detail als die EU-Bio-Richtlinien und setzen auch soziale Standards. 

Auf Algenfarmen wird Seetang an Leinen oder Netzen im Meer angebaut. Die Bio-Regeln empfehlen, ein Polykultursystem einzurichten, Seetang also eventuell gleichzeitig mit Muscheln oder Fisch anzubauen. Algen können so aus den überschüssigen Nährstoffen der Fische Nahrung ziehen und gleichzeitig das Wasser reinigen. Und natürlich durchlaufen die Meeresgemüse mehrfach Analysen auf gesundheitsschädliche Stoffe. 

Manche Bio-Inverkehrbringer haben auch konventionelle Algen im Portfolio. Bella Landwehr, Account Managerin bei Terrasana, berichtet, das läge daran, dass in Japan die Algen in kleinen traditionellen Betrieben geerntet werden, „die zwar den Standards entsprechen, für die aber eine Zertifizierung kompliziert und kostspielig ist.“ Nach der Ernte wird Seetang sorgfältig abgespült und anschließend meistens getrocknet, möglichst an der Luft.

Bouillon, Topping: Algen sind vielfältig einsetzbar

Getrocknete Algen beleben Gerichte als Gewürz, Salzersatz, Topping oder als Zutat für Bouillon. Wakame ist traditionell eine Misosuppen-Einlage. Kombu enthält viel natürliche Glutaminsäure und wird wie ein Lorbeerblatt in japanische Dashi-Brühe, Reis oder Hülsenfrüchten mitgekocht. In Wasser eingelegt, nehmen getrocknete Algen große Mengen an Flüssigkeit auf und lassen sich anschließend wie Gemüse, als Beilage zu Sobanudeln, Zutat zu Salat oder Suppen, Getreide-, Gemüse- oder Fischgerichten verwenden. 

Mit Salz konserviert halten sich frische Algen ungekühlt zwischen sechs und 18 Monate. Der Bioverde-Algensalat, ein Frischprodukt, das gekühlt werden muss, wird mit Algen komponiert, die eingefroren waren. Konserven gibt es auch: Um Meeresspaghetti, Kombu, Wakame oder Meeressalat in Gläser oder Dosen einzulegen, braucht es kein zusätzliches Wasser. Beim Erhitzen tritt ausreichend Saft aus. In anderen Verarbeitungsvarianten badet der Seetang in würziger Marinade. 

Für Mitteleuropäer, die nicht am Meer leben, ist der Geschmack nach Fisch und Meer oft fremd. Kunden, die sich an Algen pur noch nicht herantrauen, können es zunächst mit Teamplayern probieren: mit Algenpastete, Pesto mit Nori, Hummus mit Wakame oder Tahin mit Meeresspaghetti. Gomasio, gesalzener Sesam mit Algen, wird gerne über Reis oder Suppen gestreut. 

Gute Einsteigerprodukte sind auch Nori- oder Erbsen-Linsen-Snacks mit einem Hauch von Alge oder mit Sonnenblumenöl geröstete und gewürzte Nori-Algenblätter. Denn die Rotalge schmeckt nur ganz mild nach Meer. Vor allem größere BioSupermärkte können eine beachtliche Auswahl aus diesem Nischensortiment bereitstellen. Dazu noch in Bio-Qualität – eine gute Möglichkeit, sich gegenüber dem konventionellen LEH zu profilieren.

Was Kunden wissen wollen

  • Zu viel Jod? Wer Algen isst, versorgt sich mit dem lebensnotwendigen Spurenelement Jod. Manche Algen enthalten allerdings mehr als zuträglich ist. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, sich täglich mit 200 Mikrogramm Jod zu versorgen, das Bundesinstitut für Risikobewertung mahnt, nicht mehr als 500 Mikrogramm pro Tag aufzunehmen.
  • Was ist mit Schadstoffen? Meeresalgen können nicht nur reichlich Calcium und Magnesium, sondern auch Schadstoffe wie Schwermetall einlagern. Ein Argument, das auch für Bio spricht. Denn Bio-Algen oder Algen aus kontrollierter Wildsammlung dürfen nur in nachweislich gesicherten Gewässern sehr guter Qualität geerntet werden und sie durchlaufen mehr und strengere Analysen als andere Lebensmittel.
  • Ist das Schimmel? Eine flauschige weiße Schicht auf getrockneten Algen ist kein Schimmel, sondern einfach Salz. Legt man die Alge in Wasser, löst sich das Salz darin und die weiße Schicht verschwindet.

Jodgehalt und weitere Nährstoffe

Algen liefern hauptsächlich Kohlenhydrate, reichlich Ballaststoffe und ordentliche Mengen Eiweiß. Und sie beinhalten deutlich mehr Nährstoffe als Landpflanzen, sind reich an Mineralstoffen wie Calcium, Magnesium und Natrium. Nori und Meeressalat bringen beachtliche Mengen an Eisen mit sich und Vitamin C, das dafür sorgt, dass Eisen gut aufgenommen werden kann. In den Gehalt an Vitamin B12 werden oft zu viele Hoffnungen gesetzt. Meistens handelt es sich um nicht verwertbare, sogenannte inaktive Pseudo-Vitamine. Allenfalls Nori und die Mikroalge Chlorella sollen möglicherweise bioverfügbares Vitamin B12 liefern. 

Unbestritten ist, dass Meeresalgen Jod enthalten. Gut, weil das zur Versorgung mit diesem in Deutschland eher seltenen Spurenelement beiträgt. Weniger gut, weil in einigen Algen so viel Jod steckt, dass aus Gesundheitsgründen darauf geachtet werden sollte, nicht zu viele Algen zu verzehren (siehe Info-Box oben). Aber das sollte kein Problem sein. Algen werden vermutlich nie eine Hauptrolle im mitteleuropäischen Speiseplan spielen. Aber sie können mit ihren manchmal erdigen Aromen nach Fisch und Meer das Geschmacksspektrum um eine attraktive Nuance bereichern.

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