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Heumilch-Käse: Ein Klassiker, der gut ist für Umwelt und Gesundheit

Heumilchkäse sind begehrte Spezialitäten. Aber was unterscheidet Heumilch eigentlich von normaler Milch, wie wird daraus bester Käse und wie kann ich die Kundschaft dafür begeistern? Hier kommen die Antworten.

Der Schutz von Umwelt, Klima, Natur, Tier und die Existenzsicherung kleinbäuerlicher Betriebe – das ist die Seele von Heumilchkäse. Zusätzlich sind die Spezialitäten mit einer Prise Gesundheit und Genuss garniert. Das Sortiment ist genau wegen dieser Eigenschaften unter Bio-Kunden akzeptiert und teils sogar gesucht, berichtet Irmgard Strobl von der Andechser Molkerei Scheitz, die sich deshalb vor mehr als 10 Jahren entschieden haben in Kooperation mit dem Zusammenschluss Bio-Heumilchbauern aus Bayern entsprechende Spezialitäten anzubieten. Die Nachfrage laufe jedenfalls gut, fasst Strobl zusammen.

„Heumilchkäse ist vor allem in den letzten Jahren in Mode gekommen“, kommentiert Thomas Haugk aus dem Verkauf des Bio-Käsespezialisten Schilcher das Angebot an der Käsetheke: „Eigentlich gab es ihn aber schon immer“. Denn guter Käse aus Rohmilch wie Emmentaler oder Bergkäse brauche prinzipiell silagefreie Milch. Erst seit ein paar Jahren werden die Vorteile von Heumilch öffentlich kommuniziert, nicht zuletzt durch die Arbeit der ARGE Heumilch.

Die Vorzüge aktiv anpreisen

In den Bioläden findet sich der Käse als fertig abgepackte Ware im SB-Kühlregal nur in kleiner Stückzahl. Das Gros wird über die Bio-Frischetheke verkauft. Immerhin machen Heumilch-Spezialitäten beim Käse-Großhandel Schilcher aktuell etwa 20 Prozent des Bio-Käses aus. Im Laden sieht die Verteilung individuell anders aus. Ina Lube, Leiterin des Bereichs Käse beim Biomarkt Füllhorn, zählt gerade einmal sieben Sorten Heumilch-Varianten in einem Gesamtsortiment von 160 bis 200 Bio-Käsesorten an ihrer etwa sieben Meter langen Theke. Es seien allerdings Spezialitäten, die sie keinesfalls missen wolle. Die Kunden liebten den vollen Geschmack, den Heumilch dem Käse verleihe, und es gebe viele Wiederkäufer.

Einen Dämpfer erhielt die positive Nachfrageentwicklung – wie bei so vielen anderen hochwertige Spezialitäten aus dem Bio-Sortiment – mit dem veränderten Kaufverhalten der Verbraucher nach der Corona-Pandemie. Hochwertiger, handwerklich aufwändig gekäster Bio-Käse – vor allem Heumilchkäse – sei eben einfach hochpreisig, meint Michael Rebmann von den Demeter Milchbauern Süd w.V. / HeumilchBauern. Umso wichtiger sei es, seine Vorzüge aktiv und mit eigener Begeisterung zu unterstreichen.

Für einen guten Verkauf der Spezialitäten ist es zunächst essenziell, die Ware in der Theke übersichtlich und ordentlich zu präsentieren, so wie es auch andere Käsesorten erfordern. Die Besonderheit der Käsestücke „Aus Heumilch“ solle aber immer deutlich und optisch auffällig hervorgehoben werden, so Thomas Haugk. Nach Erfahrungen von Ina Lube wüssten viele Kunden auch immer noch nicht, was genau sich hinter der Qualitätsbezeichnung „Heumilch g.t.S.“ verberge. Deshalb solle man auf Fragen dazu eingestellt sein. Jeder und jede hinter der Theke sollte die passenden Informationen über Qualität und Fütterung parat haben.

Außerdem mache es Sinn, den Geschmack der Käsesorten zu kennen und konkrete Empfehlungen zum Verzehr zu nennen, etwa welche Getränke, Speisen und manchmal sogar spezielle Obstsorten dazu passten. Produkte für eine Genuss-Paarung (Food-Pairing), etwa Brot, Gebäck, Wein oder auch Bier können in Nähe zur Käsetheke mit dem Hinweis ‚Passt besonders gut zu …‘ zweitplatziert werden. Das Wissen dazu können sich Bioladnerinnen und -ladner und ihr Personal in Schulungen aneignen, die regelmäßig von Bio-Käsespezialisten wie ÖMA, Schilcher oder Würth angeboten werden.

Tipps für die Verkostung

Hier lernt man auch, dass es sich lohnt, Verkostungen zu machen und wie es am besten geht. Der Aufwand ist für kleine Aktionen überschaubar: Der Käse kann bereits vorab aufgeschnitten und auf der Theke mit Kostprobenpiekern angeboten werden, allerdings in solcher Menge, dass er nicht zu lange liegt und trocken wird. Margit Gomm von der ÖMA weiß: „Mindestens eine Stunde vor dem Anbieten sollte der Käse aus der Kühlung kommen, damit sich die Aromen gut entfalten“.

Etwas aufwändiger aber eine gute Attraktion sei es, ein Käserad, Heuballen und Stehtische an einer gut sichtbaren Stelle im Laden zu präsentieren und dort eine begleitete Verkostung anzubieten. Mit einem Bergkäse-Schneidetisch könne beispielsweise frisch vom Laib probiert werden, so Gomm. Michael Rebmann von den HeumilchBauern rät dazu, bei einer Verkostung verschiedene Bio-Heumilchkäse von Kuh, Ziege und Schaf zu kombinieren. Das bringe so manches Aha-Erlebnis.

Ideen für Genuss-Abende

Wer Zeit, Lust und Personal hat, kann auch das große ‚Käserad‘ drehen und regelrechte Heumilch-Käse-Genuss-Abende veranstalten, empfiehlt Marketing-Fachfrau Gomm. Michael Rebmann geht noch einen Schritt weiter: „Die wahre Begeisterung für Heumilchkäse springt über, wenn die handwerkliche Leistung erlebbar gemacht wird“. Großes Interesse könne ein Bio-Geschäft erzeugen, wenn Heumilchbauern und Verarbeiter direkt mit in die Aktionen einbezogen werden. Das Sortiment bekommt dann im wahrsten Sinne des Wortes „Gesicht“ – nach Rebmanns Ansicht, eine wichtige, weil authentische und erfolgreiche Form der Kundenbindung.

Tipps von der Kollegin

Ina Lube, Leitung der Käsefrischetheke Füllhorn, Bruchsal (1.000 qm)

  • Unser Angebot an Heumilchkäse ist zwar übersichtlich, aber die Käsesorten sind für die Käsefrischetheke wichtig. Kunden kommen teils von weit her, um bestimmte Sorten, die sie bereits kennen, nochmals zu holen. Etwa Zweidrittel der Heumilchkäufe werden von einem festen Kundenstamm gekauft.
  • Die Argumente, die unseren Kunden zum Heumilchkäse greifen lassen, sind die regionale Herkunft aus dem Allgäu, das Tierwohl und natürlich der volle Geschmack durch die Fütterung der Tiere mit Heu. Die wichtigsten Schlagworte zu den Vorteilen sollten dem Personal an der Theke bekannt sein.
  • Verkostungen lohnen immer, sogar die ganze Woche hindurch, wobei am besten immer wieder andere Geschmacksrichtungen oder Sorten angeboten werden. Mit Abwechslung erreicht man mehr Kunden.
  • Besonders gut kommen Probierstücke von Bergkäse an – dazu einen Weißwein anbieten. Das passt viel besser als ein Roter.

Basiswissen über Heumilchkäse

Heumilchkäse ist kein beliebiges Massenprodukt – in Bio-Qualität schon gar nicht. Ganz im Gegenteil: Die Käsesorten sind Spezialitäten, fast vergleichbar mit edlen Bio-Weinen ausgewählter Reben und Anbaugebiete, die mit speziellem Know-how ausgebaut werden. Bereits der Rohstoff ist kostbar: „Nur etwa 3 Prozent der gesamten Kuhmilch in Europa wird als Heumilch produziert, in Deutschland gar lediglich 0,5 Prozent, dagegen in Österreich 15 Prozent“, sagt die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Heumilch. Seit 2016 steht die Bezeichnung unter EU-rechtlichem Schutz.

Nach den Richtlinien des sogenannten Heumilch-Regulativs produzierter Käse kann seither mit dem blau-gelben EU-Gütesiegel für garantiert traditionelle Spezialitäten (g.t.S.) ausgezeichnet werden. Um das Siegel oder die Bezeichnung nutzen zu können, müssen sich Produzenten regelmäßig von unabhängigen Kontrollstellen überprüfen lassen. Das Gros der Bio-Heumilch stammt aus den Alpen, vorwiegend von klein- und mittelständischen Höfen mit etwa zwanzig bis fünfzig Tieren, die für die traditionelle Art der Milchviehhaltung brennen.

Das bedeutet traditionell gefüttert

Kühe, Schafe und Ziegen, die Heumilch geben, fressen im Winter im Wesentlichen Heu. Silagefutter, also vergorene Getreidepflanzen, etwa Maissilage, oder Silo-Grasschnitt ist für Heumilchvieh tabu. Wenn das in Frühjahr und Sommer geschnittene Heu den Tieren nicht reicht, kann mit mineralstoffreichem Getreideschrot und verschiedenen Leguminosen ausgeholfen werden. Im Frühjahr, Sommer und Herbst steht Vieh idealerweise auf saftigen Wiesen und bekommt frische Gräser, Kräuter und Leguminosen wie Luzerne, Ackerbohnen oder Lupinen.

Wieviel Zeit die Tiere ‚im Freien‘ verbringen, ist bei konventioneller Heumilch nicht verbindlich festgelegt. Mindestens muss ein Laufstall zur Verfügung stehen. Anders bei Bio-Heumilch: Seit 2022 schreibt die EU-Bio-Verordnung in den Vegetationsmonaten die Weidehaltung für alle Tiere vor, die Bio-Milch geben, also auch für Heumilch.

Klima, Tiere und Natur profitieren von dieser traditionellen Art der Milchviehhaltung – vor allem, wenn sie nach Bio-Kriterien durchgeführt wird. Aber auch die Milch selber gewinnt an Qualität und Geschmack: Sie weist einen etwa doppelt so hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren sowie mehr konjugierte Linolsäure auf als normale Milch. Beiden Fett-Bestandteilen werden positive gesundheitliche Wirkungen auf den Stoffwechsel zugeschrieben. Überzeugend für Feinschmecker und Käseliebhaber: Auch geschmacklich bietet Heumilch mehr, weil sie die Aromen aus Gräsern und Kräutern in sich birgt.

Grundsätzlich verläuft die Verarbeitung von Heumilch zu Käse ähnlich wie die von jeder anderen Milch. Es gibt allerdings Bio- und Heumilch-Besonderheiten: Während in der konventionellen Milchverarbeitung etwa 300 Zusatzstoffe gestattet sind, dürfen laut EU-Bio-Verordnung nur 56 genutzt werden – Heumilchkäse braucht selbst davon nahezu keine. Typischer Zusatz in Silagekäse ist zum Beispiel Nitrat, bei bio ist dieser nicht erlaubt. Silagemilch wird – egal ob konventionell oder bio – häufig Calciumchlorid zum Binden unerwünschter Geruchs- und Geschmacksstoffe beigemengt. Einzig die Bioland-Richtlinien schließen diesen Zusatz bei Käse aus. Bei geschmacklich hochwertiger Heumilch ist diese Maßnahme ohnehin unnötig. Käsesorten aus normaler Biomilch können für eine gelbe Färbung natürliche Farbstoffe zugesetzt werden. Bei Heumilch ist auch diese Extradosis Farbe überflüssig, sie enthält natürlicherweise viel ß-Carotin aus Heu und Wiese.

Was die Kundschaft wissen will

Ist Weidemilchkäse ebenfalls Heumilchkäse?
Nein, die Bezeichnung Weide- oder auch Wiesenmilch sagt allein etwas über den Aufenthaltsort des Milchviehs in den warmen Monaten aus. Anders als bei Heumilch kann Silage jederzeit zugefüttert werden. Pluspunkt: Die Tiere stehen einen Teil des Jahres, häufig mindestens 120 Tage pro Jahr, auf der Weide. Eine Garantie für die Dauer des ‚Outdoor-Aufenthalts‘ gibt es nicht, da keine rechtliche Grundlage vorhanden ist. Bio-Molkereien gehen hier etwas weiter, z.B. Söbbeke sichert großzügige Weidezeiten sowie mehr Platz pro Kuh zu (anstelle ca. 600 m² je Kuh 3.600 m²).

Ist die Rinde von Bio-Heumilch-Hart- und Schnittkäse essbar?
Bio-Käse steckt häufig in Naturrinde. Diese ist genießbar, da keine schädlichen Überzugsmittel verwendet werden. Anders bei konventionellem Käse, bei vielen Produkten wird beispielsweise das Antischimmelpilzmittel Natamycin aufgetragen. Überzugs­massen wie Bienenwachs, Hartparaffine oder Polyvinyl­acetat sind auch bei Bio-Käse möglich und nicht essbar.

Gibt es laktosefreien Heumilchkäse?
Ja, so wie auch andere Bio-Käse, enthält Heumilchkäse, der mehrere Wochen oder Monate reift, kaum oder nahezu keine Laktose mehr. Die Käsekulturen sorgen dafür, dass beim Reifen der Milchzucker abgebaut wird. Fester Heumilchkäse und Schnittkäse wie Bergkäse, Emmentaler und ähnliche enthalten weniger als 0,1 Gramm Laktose pro 100 Gramm, was als laktosefrei gilt. Selbst einzelne Weichkäsesorten sind entsprechend deklariert.

Die besondere Rafinesse erhalten alle Heumilch-Spezialitäten durch die Kenntnisse der Käsereifachleute, angefangen bei der Zusammenstellung der Käsekulturen und dem vielfach konsequenten Verzicht auf zusätzliche Substanzen. In den zumeist kleinen Bio-Sennereien aber auch den größeren Molkereien, die Heumilch verarbeiten, wird viel Handarbeit verlangt, zum Beispiel das regelmäßige Wenden der Käselaibe sowie die Einstellung der richtigen Temperatur- und Feuchtigkeitsgrade.

Die Reifezeit erledigt den Rest: Spezielle und exklusive Lagerplätze schaffen ein optimales Mikroklima, etwa in Ziegelkellern oder auf Buchenholz. Weil Heumilch aufgrund seiner besonderen Mikroflora weniger Clostridien und andere für die Käseherstellung unerwünschte Bakterienstämme enthält als Milch von silagegefütterten Tieren, ist sie ideal für die Herstellung von Rohmilchkäse. Sie wird für solche Spezialitäten vor der Verarbeitung nicht pasteurisiert. Auch eine Thermisierung, also die sehr kurze Erhitzung der Milch bis maximal 68 Grad, findet nicht statt. Typische Rohmilchkäse sind traditionell gefertigter Allgäuer Bergkäse und Emmentaler.

Damit wird der Käse verfeinert

Für intensives Aroma sorgen bei vielen Heumilchkäsesorten sogenannte Rotkulturen. Dabei handelt es sich um bestimmte Bakterienarten, die dem Käse seinen spezifischen Geschmack geben und schädliche Keime unterdrücken. Sie werden während der Reifezeit per Hand dünn aufgetragen.

Zum Schluss wird „affiniert“: Käsereien verfeinern nicht nur die Käsemasse sondern auch die Rinde mit natürlichen Zutaten wie Kräutern, Pfeffer, Wein und mehr. Das i-Tüpfelchen für manchen Bio-Heumilchkäse? Blüten und Kraut von der Wiese, natürlich!

Herstellende von Heumilchkäse

Andechser www.andechser-feinschmecker.de

Baldauf www.baldauf-kaese.de

Dorfkäserei Geifertshofen www.dorfkaeserei.de

Dorfkäserei Nußbaumer www.dorfkaeserei.com

Heumilchbauern www.heumilchbauern.de

Hofgemeinschaft Grummersort www.hofgemeinschaft-grummersort.de

Hofmilch www.hof-milch.de

Käseküche Isny www.kaeskueche-isny.de

Käserebellen www.kaeserebellen.com

ÖMA www.oema.de

Pötzelsberger www.biokas.at

Schaukäserei Wiggensbach www.schaukaeserei-wiggensbach.de

Schilcher www.schilcher-kaese.de

Vallée Verte www.vallee-verte.de

Würth www.juergen-wuerth.de

Zillertaler Heumilch www.heumilch.tirol

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