Die Elfjährige berichtet aus der Schule: Eine Mitschülerin habe „Lipgloss mit Milchreisgeschmack“ dabei gehabt und ihre Lippen immerzu „beschmiert und abgeleckt“. Mit Blick auf die jüngsten Ökotest-Ergebnisse muss man davon vehement abraten.
Denn nur eines der 15 getesteten rosa-schimmernden Lipglosse, darunter auch sechs mit Naturkosmetik-Siegel, wurde als „sehr gut“ bewertet. Es handelt sich dabei um den Max It Up Lip Booster Extreme von Catrice, ein konventionelles Kosmetik-Produkt. Der Rest – auch die Naturkosmetik-Produkte von Alterra (Rossmann), Alverde (DM), Benecos, Lavera, Sante und Terra Naturi (Müller/Logocos) – wurden abgewertet und bekam die Note „befriedigend“. Denn: Sie alle enthalten das Farbpigment Titandioxid, auf der Inhaltstoffliste oft deklariert als CI 77891.
Der Naturkosmetikhersteller Benecos äußert in einer Stellungnahme Kritik am Ablauf des Tests: „Unser Lipgloss-Sortiment umfasst mehrere Farbnuancen, von denen ebenfalls Farbnuancen existieren, die kein Titandioxid enthalten.“ Dies könne auch auf andere getestete Marken zutreffen. „Das Ergebnis erweckt somit den falschen Eindruck, dass der Testsieger ‚titandioxidfreie‘ Lipglosse anbietet – und andere nicht“, so die Einschätzung des Unternehmens.
Titandioxid in „verschluckbarer Kosmetik“ ist ein Problem
Früher war der Zusatzstoff in Lebensmitteln als E171 ausgewiesen und galt jahrelang als unbedenklich. Seit 2022 ist Titandioxid jedoch in Lebensmitteln verboten. Im Mai 2024 äußerte sich der wissenschaftliche Expertenausschuss für Verbrauchersicherheit der EU zuletzt zu Sicherheitsbedenken. Durch die orale Aufnahme könne Titanoxid eine erbgutschädigende Wirkung haben und Entzündungen im Darm verursachen.
Da es sich bei Lipgloss um „verschluckbare Kosmetik“ handelt, wertet Ökotest Produkte mit diesem Inhaltsstoff ab. Das sieht Benecos ebenfalls kritisch: „Wir sehen die Abwertung von Titandioxid in Kosmetikprodukten als nicht abschließend wissenschaftlich begründet – ist doch der Ursprungsgedanke zu vermeintlich schädigendem Titandioxid aus dem Verbot für Lebensmittel abgeleitet worden – ohne dabei auf die Unterschiede zu dem in Kosmetikprodukten verwendeten Stoff einzugehen.“
Dabei gehe es dem Unternehmen nicht um die Bagatellisierung von Risiken: „Wir wollen nicht den Eindruck erzeugen, dass uns Befürchtungen zu unsicheren Produkten egal wären, auch wenn sie noch nicht final bewiesen wurden – im Gegenteil: Als Naturkosmetikhersteller machen wir uns immer Gedanken über die bessere und vor allem sicherere Rohstoffwahl.“
Weiterhin untersuchten die Tester die im Produkt enthaltenen Partikelgrößen: Sind mehr als 50 Prozent des Stoffes in Nanoform enthalten, müssen Hersteller das auf der Verpackung angeben. Weil das bei fünf Produkten nicht der Fall war, wertete Ökotest sie auch hierfür ab.
Benecos weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass nach eigenen Angaben „in keinem unserer Produkte Rohstoffe verwendet werden, die Nanopartikel gemäß der Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009 enthalten“. Entsprechende Bestätigungen lägen auch von den Rohstofflieferanten vor. Beim Produkt Benecos Natural Lipgloss rosé werde Titandioxid ausschließlich in Form einer Beschichtung des Perlglanzpigments Mica eingesetzt, heißt es weiter.
Das Thema Titandioxid ist nicht neu. Bereits 2023 schickte Ökotest Naturkosmetik-Lippenstifte ins Labor und berichtete über Titandioxid-Funde in jedem getesteten Produkt. Laut Ökotest hat die EU auf Anfrage eine erneute Sicherheitsbewertung für das zweite Quartal 2025 angekündigt. Und Ökotest einen Test von Zahnpasta für Kinder, in der Titanoxid ebenfalls noch vorkommen könnte.
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