Ob die Periode als freudiges Ereignis oder das Zelebrieren der Menopause – Frauenthemen erleben zunehmend eine positive Deutung. Das zeigt sich auch beim Thema Intimpflege. „In den letzten Jahren wird Intimpflege immer stärker auch mit Sinnlichkeit und Sexualität in Verbindung gebracht und eine neue, lustvolle Beschäftigung mit dem eigenen Intimbereich wird mit sinnlichen Bildern beworben“, schreibt die Hamburger Strategie-Agentur Sturm und Drang in dem Online-Beitrag „Zwischen Tabu und Chance: Die Kultur der Scham“.
Das Marktforschungsinstitut Mintel widmet dem Themaebenfalls einen eigenen Report. Darin heißt es: „Der Intimpflege-Markt Deutschland ist bereit für Umgestaltung und Modernisierung. Marken und Unternehmen sollten sich auf das Brechen von Tabus, die Förderung von Innovationen und auch die Einbeziehung von Nichtnutzer:innen, insbesondere von Männern konzentrieren“. Die Kosmetikindustrie bedient den Trend unter anderem mit Tuchmasken für die Vulva, Pflegestiften für die Schamlippen, Balsamen und Gelen, Intim-Deos oder Vaginalspülungen.
Frauenärzte begrüßen den neuen Umgang mit der Weiblichkeit, warnen aber ausdrücklich vor übertriebener Reinlichkeit mit aggressiven Mitteln und Methoden. Denn für die Sauberkeit reicht es, die äußeren Geschlechtsorgane einmal täglich mit warmem Wasser zu waschen.
Gute Umsätze mit Monatsaktion
Trotz der medialen Aufmerksamkeit bleibt das Thema Intimpflege für viele Frauen schambesetzt. Das könnte der Grund sein, weshalb Kundinnen im Bio-Markt Paradieschen im hessischen Gelnhausen keinen Beratungsbedarf haben, schätzt Stephanie Dedio. Dennoch laufe das Sortiment sehr gut.
Kürzlich hatte das Paradieschen die Intimpflege in einer Monatsaktion, „mit einer gewissen Skepsis, ob das eine gute Idee ist“, sagt Dedio. Parallel dazu stand in der Kosmetikabteilung ein Tisch mit verschiedenen Produkten. „Wir hatten eine sehr gute Unterstützung mit Displays, Broschüren und Sachets von Bioturm bekommen“, sagt Dedio. Die Aktion sei ein voller Erfolg gewesen. „Wir konnten damit gute Zusatz-Umsätze generieren.“
Bloß nicht die Männer nicht vergessen
Ähnliche Erfahrungen hat Stephanie Dedio mit Intimwaschlotion für den Mann gemacht. „Die hatten wir gar nicht vor, ins Sortiment zu nehmen, aber mehrere Kundinnen haben die Lotion unabhängig voneinander bestellt“, berichtet Dedio. Zwar sehe sie nie einen männlichen Kunden vor dem Regal, aber das Männerprodukt werde gut gekauft.
Spezielle Waschlotionen für den Mann sind strenggenommen gar nicht nötig. „Der Intimbereich des Mannes hat im Gegensatz zu dem der Frau keinen anderen pH-Wert als die übrige Haut“, sagt Jasmin Langer von Bioturm. „Aber auch für Männer gehört die Intimpflege heute selbstverständlich zur täglichen Körperhygiene dazu.“ Sie beuge Hautreizungen, Jucken und Brennen vor und verringere das Risiko, sich mit Krankheitserregern anzustecken oder diese weiterzugeben.
Hersteller von Intimpflegeprodukten – im konventionellen wie im Naturkosmetik-Markt – entwickeln ihre Rezepturen nicht selten gemeinsam mit Medizinern. In anderen Firmen, die solche Produkte anbieten, sitzen Apotheker oder Ärzte in der Leitung. Denn Intimhygiene und -pflege sind im therapeutischen Bereich ein wichtiges Thema. Auch die Kommunikation hebt daher oft auf medizinische Aspekte oder klassische Frauenthemen wie die Menopause ab.
Auch an den entspannten Sex wird gedacht
Einen neuen Ton schlagen junge Marken an, etwa der französische Naturkosmetikhersteller Goliate, der seine Produkte auf der Biofach 2023 vorstellte. Das Unternehmen, das auch Sexspielzeug verkauft, bewirbt seinen zertifizierten Balsam für Vulva, Anus und Pofalte damit, dass er die Haut pflege und für entspannten Sex sorge.
Was die Formulierung von Intimpflege-Produkten angeht, so sind Naturkosmetikunternehmen vorbildlich. Sie berücksichtigen den ph-Wert der Haut, der für eine gesunde Intimflora so wichtig ist (siehe Kasten). Alles, was die Haut reizen könnte, muss draußen bleiben.
Tabu sind chemisch-synthetische Duftstoffe, ebensolche Emulgatoren und scharfe, waschaktive Substanzen wie Sodium Laureth Sulfate. Die finden sich in vielen konventionellen Intimwaschlotionen. Sie können die Haut reizen und die Hautbarriere schwächen. Dann haben krankmachende Keime unter Umständen leichtes Spiel.
Ähnliches gilt für chemisch-synthetische Konservierungsstoffe. Dazu zählen unter anderem Butylhydroxytoluol (BHT), das im Verdacht steht, hormonell zu wirken, sowie das hautreizende Methylisothiazolinon.
Für eine gesunde Intimflora
Wichtiges Kriterium für Intimpflege-Produkte ist der ph-Wert. Der der Haut liegt bei ungefähr 5,5. Der weibliche Intimbereich hingegen hat einen ph-Wert zwischen 3 und 4. In diesem sauren Milieu können sich unerwünschte Keime nicht vermehren.
Die natürliche Barriere verhindert also, dass Keime im Genitalbereich aufsteigen. Scharfe Tenside und zu häufiges Waschen zerstören die gesunde Intimflora. Scheidenentzündungen und Ausfluss drohen. Dann hilft oft nur der Gang zur Ärztin. Die Vagina, das innere Geschlechtsorgan, sollte gar nicht gestört werden. Sie ist selbstreinigend und produziert ein Sekret, das vor Infektionen schützt und sie befeuchtet.
Naturkosmetik-Hersteller bieten Waschlotionen, -gele und -schäume sowie feste Waschstücke an. Die enthalten milde Tenside und Zutaten, die Feuchtigkeit spenden, die Haut beruhigen und rückfetten sollen. Gemeint sind Hyaluronsäure, Aprikosen-, Manuka- und/ oder Olivenöl, Kamille, grüner Tee, Klettwurzel- oder Ringelblumen-Extrakt.
Wichtiger Inhaltsstoff vieler Produkte ist Milchsäure. Damit lässt sich der gewünschte ph-Wert einstellen. Bioturm setzt allen Intimpflege-Produkten einen Lacto-Intensiv Wirkkomplex aus Bio-Molke zu. Er enthält neben natürlicher Milchsäure weitere Wirkstoffe wie freie Aminosäuren und Spurenelemente aus der Molke. Der Hersteller sowie Rosenrot führen zudem feste Waschstücke für den Intimbereich. Bei Bioturm gibt es das Waschstück zudem speziell für Männer.
Gut verträgliche Pflege
Das zertifizierte Angebot umfasst spezielle Salben, Balsame, Gele und Öle. Ob die Periode oder Stress, hormonelle Veränderungen oder die Einnahme von Medikamenten, Slipeinlagen und Unterwäsche mit Synthetikfasern, die Fahrradhose, die im Intimbereich reibt oder Sex – die Vagina ist vielen physikalischen und biochemischen Reizen ausgesetzt.
Reichhaltig formulierte Salben und Balsame sollen ihr ins Gleichgewicht helfen und sie bei der Regeneration unterstützen. Die Rezepturen basieren auf hochwertigen Pflanzenfetten und -buttern wie Sonnenblumen-, Olivenund Jojobaöl sowie Sheabutter. Außerdem enthalten sie Feuchtigkeitsspender wie pflanzliches Glycerin, Aloe vera und/oder Squalan. Kräuterzusätze wie die von Ringelblume, Salbei, Lavendel und Kamille, wirken beruhigend und entzündungshemmend.
Flüssige Öle, leichte Gele
Die flüssigen Intimöle bestehen aus hochwertigem Aprikosenkern-, Sesam-, Oliven- oder Mandelöl. Auch sie sollen pflegen und beruhigend wirken, etwa nach dem Schwitzen im Intimbereich oder nach dem Schwimmbadbesuch, wenn die Haut gereizt ist. Farfalla empfiehlt sein Intimöl für die Phase der Wechseljahre. Der Hersteller setzt auf den Wirkstoff Granatapfelöl, „der für seinen hohen Gehalt an Phytoöstrogenen geschätzt wird“, so die Produktinformation.
Kundinnen, die eine leichte und vor allem feuchtigkeitsspendende Pflege bevorzugen, können zum Hydrogel von Bioturm greifen. Das Gel im hygienischen Airless-Spender versorgt trockene Haut im Genitalbereich mit Hyaluronsäure und dem erwähnten Lacto-Intensiv-Komplex.
Tipps von der Kollegin
- Schenken Sie dem Sortiment mehr Aufmerksamkeit, hier wartet Potenzial. Stellen Sie die Intimpflege auch mal in den Mittelpunkt von Aktionen. Die Hersteller unterstützen sehr gut mit Material.
- Machen Sie das Sortiment attraktiver, präsentieren Sie es prominent auf Sonderflächen. Probieren Sie neue Produkte aus. Naturkosmetik-Unternehmen sind hier innovativ. Und die Kunden sind prinzipiell aufgeschlossen, auch wenn sie nicht unbedingt Fragen dazu haben oder darüber sprechen
- Auch Männer interessieren sich für Intimpflege und -hygiene, beziehungsweise Frauen kaufen meiner Erfahrung nach für ihre Männer gerne solche Produkte ein. Erweitern Sie das Sortiment um diese Artikel.
Spezielle Rasier-Helfer
Laut einer Studie des Rasierklingenherstellers Wilkinson rasieren sich 60 Prozent der Frauen ab 18 Jahren im Intimbereich. Minikleine Verletzungen der Haut können in der empfindlichen Region zu Rötungen, Hautreizungen und Pickelchen führen, dem sogenannten Rasurbrand. Die Haut kann außerdem brennen oder jucken, sich entzünden.
Einige wenige Naturkosmetikhersteller haben daher auch Rasiercreme und/oder -öl sowie After Shave für den Intimbereich entwickelt. Dazu gehört beispielsweise Fair Squared mit seinem Intimrasieröl. „Herkömmliche Rasierschäume trocknen die Haut stark aus. Außerdem verändert der Treibstoff in den herkömmlichen Schäumen den ph-Wert der vaginalen Flora“, sagt Firmenchef Oliver Gothe. Auf dem Rasieröl gleite die Klinge sehr gut. Die hochwertigen Inhaltsstoffe wirkten pflegend und beruhigend.
Bioturm empfiehlt für den Intimbereich der Frau eine Rasiercreme. Extrakte aus Kamille und Ringelblume darin sowie der optimale ph-Wert sollen Irritationen und Rasurbrand verhindern.
Pflege nach der Rasur
Pflege nach der Rasur Um die strapazierte Haut zu besänftigen, eignen sich Intim-Salben und -Balsame oder spezielles After Shave für die Intimzone. Fair Squared setzt dabei auf das Öl aus den Kernen reifer Aprikosen. Ihm wird eine beruhigende Wirkung auf trockene und empfindliche Haut nachgesagt.
Die Intim After Shave Lotion von Bergland enthält Bei natürlichen Intim-Deos steht die pflegende Wirkung im Vordergrund. Damit das Schamhaar nicht aus der Bikinihose lugt, greifen viele Frauen zum Rasierer. neben Pflanzenölen und -wachsen Mikrosilber und Kräuterextrakte, die ebenfalls beruhigen und Rasierpickeln vorbeugen sollen.
Deo für die Intimzone?
Das sehen Mediziner kritisch, weil die Duftstoffe darin unter Umständen die Haut reizen können. Das Intimdeo von Fair Squared kommt laut Geschäftsführer Gothe jedoch gut bei der Kundschaft an. Im Gesamtsortiment liege der Verkauf mengenmäßig im oberen Drittel. Hauptbestandteile des Produkts sind hochwertige, pflegende Öle wie die von Aprikosen- und Traubenkern, Argan- und Kokosnuss. Die Natrue-konforme Parfümierung auf Basis ätherischer Öle sei gut verträglich, „es gab in all den Jahren keine einzige Reklamation“, so Gothe.
Auch beim Intim-Deo-Spray von Bioturm mit Lacto-Intensiv Wirkkomplex und Bio-Jojobaöl steht der Pflegeeffekt im Vordergrund. „Wir empfehlen es auch in der häuslichen Pflege für die Anwendung in allen Hautfalten“, sagt Jasmin Langer. Der frische Duft sei dabei ein zusätzlicher Nutzen. Man habe dieses Produkt als „Pflege zum Aufsprühen" entworfen, besonders auch bei Trockenheitsgefühl im äußeren Intimbereich.
Extras zum Popoputzen
Für das Sauberkeitsgefühl nach dem Toilettengang ist feuchtes Toilettenpapier beliebt. Ob es im WC entsorgt werden darf, steht auf der Verpackung. Das feuchte Toilettenpapier von Natracare besteht zu 100 Prozent aus Papier und hat gründliche Tests des englischen Fachverbands für Wasser und der Vereinigung IWSFG (International Water Services Flushability Group) bestanden. Jedes Tuch enthält beruhigende Aloe vera und antibakteriell wirkende Hamamelis.
Bioturm und Sanoll bieten Alternativen dazu an: einen Befeuchtungsschaum beziehungsweise ein Popo&Intim Pflegespray für gewöhnliches Toilettenpapier. Damit ist man auf der sicheren Seite, was die Entsorgung in der Toilette betrifft. Das Spray von Sanoll reingt sanft mit einem milden Zuckertensid. Mit Aloe vera, Lavendel und Kamille soll es die Haut beruhigen. Für unterwegs gibt es sogar eine praktische Kleingröße.
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