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Dekorative Kosmetik

Naturkosmetik Lippenstift: Radieschen und Süßkartoffeln sorgen für sattes Rot

Nicht nur Farbe macht den Unterschied bei Lippenstiften, sondern auch Textur, Verpackung und Qualität. Naturkosmetischer Lippenstift bietet viele Vorteile gegenüber konventionellem. Die Auswahl ist groß, da ist eine umfassende Beratung besonders wichtig.

Nur ein bisschen Rot auf die Lippen – und schon hat der Auftritt in Jeans und Sneakers eine andere Ausstrahlung. Kein Wunder, dass sich mehr als jede dritte Frau mehrmals pro Woche oder sogar täglich die Lippen schminkt. „Produkte um Lippenpflege sind aktuell beliebt und es gibt zahlreiche Neuheiten“, ergänzt die Naturkosmetik-Marktforscherin Mirja Eckert von The New. Die Trends wechseln laufend. Jedes halbe Jahr er­scheinen neue Farben und Texturen. „Blau, solo, aber auch kombiniert mit Rot, ist gerade auf dem Laufsteg sehr angesagt“, weiß die Marketing Direktorin bei Cosmondial, Silke Becker. Und sie ergänzt: „Der Lipliner scheint wieder zu kommen, auch solo.“

Lipliner mal Zwei

Lippenkonturenstifte verein­fachen exaktes Schminken. Damit zieht man die Konturen vor und kann nebenbei die Lippenform dezent korrigie­ren. Anschließend werden die Konturen mit dem Lippenstift ausgefüllt. Die Linie wirkt als Barriere und soll verhindern, dass der Lippenstift ausfließt. Manche Lip-Pencils haben zwei Enden: eines farbig, eines transparent. Bei ande­ren ist eines farbig und eines ein Pinsel – zum Ausblenden von Übergängen. Mit dem Stift, der tatsächlich an einen Buntstift erinnert, lässt sich auch die ganze Lippe ausma­len, dann wird der Liner zum Primer, also zur Grundierung. Der anschließend aufgetra­gene Lippenstift haftet dann länger auf den Lippen.

Was konstant bleibt, sind die Grundzutaten. Das sind Farbpigmente und Fette, Wachse und Öle. Genau zu schauen, woraus sich ein Lip­penstift zusammensetzt, da­für gibt es einen guten Grund. Bei täglicher Nutzung landen davon jeden Tag 57 Milli­gramm im Magen, schätzt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Hochgerechnet sind das im­merhin fünf bis sechs Sticks, die man pro Jahr versehent­lich verzehrt.

Für zertifizierte Natur­kosmetik spricht, dass sie auf Zutaten wie künstliche Silikone und erdölbasierte Paraffine verzichtet. Letztere können mit Mineralölkoh­lenwasserstoffen (MOAH/MOSH) belastet sein, von denen einige krebserzeugend wirken. Zudem pflegen sie die Haut nicht so nachhaltig wie natürliche Fette und Öle. Auch Mikroplastik ist tabu, ebenso wie synthetische Farbstoffe, von denen man­che die Haut reizen können, und künstliche Duft- und Konservierungsmittel.

Radieschen und Süßkartoffeln machen die Lippen kräftig rot

Stattdessen bringen minerali­sche Pigmente aus Erzgestein Farbe in den Lippenstift, beispielsweise rotes und gel­bes Eisenoxid. Da diese oft Schwermetalle mitbringen, werden sie auch für die Natur­kosmetik gerne chemisch als naturidentische Pigmente hergestellt. Sie sind dann besser verträglich und farb­intensiver. Zudem stehen den Herstellern organische Farbstoffe wie Anthozyane zur Verfügung, die aus dun­kelrotem Obst oder Gemüse stammen.

Und der Farbstoff Karmin. Dieser knallrote Ton „schmeckt“ aber nicht jedem, weil er aus Cochenille-Schild­läusen gewonnen wird und damit nicht vegan ist. Bei Kia-Charlotta färben Radieschen- und Süßkartoffelextrakt die Lippen kräftig rot. „Damit lässt sich Karmin ersetzen“, versichert Produktmanage­rin Viktoria Bokova, „sehr farbintensiv und deckend.“

Naturkosmetikhersteller sichern sich mit Zertifikaten ab

Zwei Farbstoffe, die auch Naturkosmetik nutzt, können problematisch sein. Das sind Mica (Glimmer), das die Lip­pen zum Schimmern bringt, und das weiße Titandioxid. Es wird unter anderem we­gen seiner guten Deckkraft geschätzt. Mica stammt aus Gestein, das unter Tage ab­gebaut wird. Dafür müssen mancherorts immer noch Kinder im Bergbau schuften.

Dazu befragte Naturkosme­tik-Unternehmen sichern mit Zertifikaten, Bescheinigun­gen und Kontrollen ab, dass dies bei ihrem Mica nicht der Fall ist. Living Nature bezieht das Glimmermineral nur aus den USA und Kanada, wo Kinderarbeit kein Thema ist. Kia-Charlotta verzichtet gleich ganz darauf im Lippenstift.

Titandioxid hat die EU Mitte 2022 für Lebensmit­tel verboten, weil es nach Einschätzung der EFSA möglicherweise das Erbgut schädigen kann. Der Wissen­schaftliche Ausschuss für Ver­brauchersicherheit, SCCS, ist noch dabei, zu bewerten, wie es mit dem Risiko von Titan­dioxid in Kosmetikprodukten wie Lippenstift aussieht.

Viele Öle liefern reich­lich antioxidatives Vitamin E

„Wir forschen laufend nach Alternativen“, sagt dazu die PR-Managerin von Lavera, Sara Honerkamp, „aber aktu­ell gibt es keine Alternative, da (ohne Titandioxid, d. Auto­rin) die Produktperformance hinsichtlich der Farbintensi­tät, Farbvarianzen und die Haltbarkeit für den Verbrau­cher nicht zufriedenstellend sind“. Andere Hersteller sehen das ähnlich. Tatsächlich fin­den sich nur bei Cosmondial, Benecos, GRN [Grün] und bei Und Gretel ein paar Lippenstif­te ohne Titandioxid.

Pflanzenöle von Samen des Wunder- oder Marulabaums, des Avocado- oder Jojoba­strauchs oder etwa der Ba­bassupalme sorgen dafür, dass sich die pulvrigen Farb­pigmente gut auf den Lippen verteilen lassen. Gemeinsam mit Bienen-, Candelilla- oder Carnaubawachs und Woll­fett, Mango-, Shea- oder Kakaobutter geben sie jedem Lippenstift seine individuelle Konsistenz, von dickflüssig über cremig bis pastös. Da sie gut einziehen, pflegen und schützen sie die zarte Lippen­haut zugleich.

Mangobutter etwa spendet Feuchtigkeit und hilft, kleinere Wunden zu heilen. Viele Öle liefern reich­lich antioxidatives Vitamin E, das einerseits vor vorzeitiger Hautalterung schützt und andererseits den Lippenstift natürlich konserviert. Viele Hersteller setzen ihren farbi­gen Pasten zusätzlich natür­liches Vitamin E hinzu.

Tipps von der Kollegin

Birgitta Stärk ist Dr. Hauschka-Naturkosmetikerin. Sie betreut das Naturkosmetiksortiment im Biomarkt Löwenzahn in Müllheim und leitet das dazu gehörende Naturkosmetikstudio.

  • Bei Lippenstift lassen sich Kundinnen gerne beraten und wollen auch probieren. Viele testen die Farbe auf dem Handrücken, manche sogar auf den Lippen. Dann desinfizieren wir den Tester mit einem Tuch und Alkohol.
  • Bei der dekorativen Kosmetik finden Kundinnen auch einen Spiegel. Wer mag, kann außerdem mit einem Handspiegel die Wirkung bei Tageslicht anschauen.
  • Bei vielen Kundinnen sieht man schon an ihrem Auftritt, was passen könnte. Wer sich nur schnell mal zwischendurch die Lippen schminken will, ist mit einem transparenten Stift gut bedient. Der muss nicht so perfekt aufgetragen sein.
  • Wer Ersatz für einen älteren oder einen konventionellen Lippenstift sucht, sollte ihn am besten mitbringen – dann finden wir schnell passenden Ersatz.

Einige Lippenstifte enthal­ten Extrakte aus Heilpflanzen. Bei Dr. Hauschka beispiels­weise sind das Wundklee oder Rosenblüten. Ätherische Öle, in denen ebenfalls Heilkräfte stecken, sorgen dafür, dass die natürlichen Formulierun­gen gut riechen und schme­cken. Den sogenannten Lip­tints (im kleinen Glastiegel) von Provida gibt Krauseminze eine frische Note. Sante und Börlind verwöh­nen die Lippen mit Hyaluron­säure, die Feuchtigkeit in der Haut binden kann. Bei Marie W. sollen winzige Zugaben von Gold der Haut zu mehr Feuchtigkeit verhelfen und „die Pigmente zum Leuchten bringen“, wie das die Ge­schäftsleiterin Sonja Sironen beschreibt.

Neben Vitamin E funktio­nieren auch ätherische Öle und der Duft- und Aromastoff Benzylalkohol als Konser­vierer. Rosmarinextrakt wirkt antioxidativ, was die Lebens­dauer des Stifts ebenfalls ver­längert und der Hautalterung entgegenwirken soll. 30 Monate hält ein Lippen­stift in der Regel, solange er nicht geöffnet wird. Das schaffen naturkosmetische Stifte genauso problemlos wie die konventionellen. Einmal geöffnet, halten sie etwas we­niger lang, sechs bis mindes­tens zwölf Monate. Tatsäch­lich muss ein Lippenstift aber erst dann entsorgt werden, wenn sich Farbe und Geruch verändert haben.

Kussecht ist Natur­kosmetik nie

Kaum ein Naturkosmetik-Hersteller wagt eine Aussage darüber, wie lang die Farbe auf den Lippen haftet. Das hänge zu sehr am individu­ellen Verhalten der Nutzerin, begründen dies manche Hersteller. Lavera hingegen verspricht sechs Stunden Haftung. Kussecht ist Natur­kosmetik nie. „Ohne Silikone ist das nicht möglich“, sagt Viktoria Bokova von Kia-Char­lotta. Daher empfiehlt es sich, das Make-up ab und an zu kontrollieren und Farbe nach­zutragen – auch nach dem Essen und Trinken.

Vielfalt zeigt das Naturkos­metik-Sortiment nicht nur bei den Farben, sondern auch bei der Auswahl für Veganer. Fast jede Marke mit dekorativer Kosmetik bietet Lippenstifte ohne tierische Zutaten wie Lanolin (Wollfett), Bienen­wachs und Läusefarbstoff Karmin an. Bei Provida, Dado­sens und Kia-Charlotta sind so­gar alle Lippenfarben vegan. Jene von Börlind sind zudem als „glutenfrei“ ausgezeichnet und auch Lavera führt einige Stifte, die explizit kein Glu­ten enthalten. Für besonders sensible Haut stellt Dadosens zwei passende Lippenstifte in zarten Farben ins Regal. Sie enthalten keinerlei Duftstoffe.

Ein Produkt mit zwei Funktio­nen ist prak­tisch und umwelt­schonend

Je nach Zutaten erscheinen Lipsticks matt, samtig oder seidig glänzend, cremig oder mit brillantem Glanz. Da sind Lipgloss-Varianten noch nicht einmal mit dazu­gezählt. Während Naturkos­metik-Klassiker viel Farbe mit Pflege kombinieren, wächst auch das Angebot an pflegenden Lippenbalsamen, die natürlich und dezent tönen. Solche Produkte ha­ben Lavera, Und Gretel, Sante und Benecos entwickelt. Und dann gibt es noch flüssigen Lippenstift, zu finden bei Börlind und Benecos.

Ein Produkt, zwei Funktio­nen, das ist nicht nur prak­tisch, sondern auch umwelt­schonend, bewirbt Jeanine Gensler von Cosmondial den Lip&Cheek Balm von Bene­cos. Der kann sowohl auf die Lippen, als auch als Blush auf die Wangen aufgetragen werden. Andere Hersteller wie Und Gretel empfehlen, ihren Lippenstift auch als Rouge zu verwenden. Mádara hat den Tipp, ihn nicht nur auf den Lippen und Wangen, sondern auch auf den Augenlidern zu verteilen. Dieser monochrome Make-up Look ist Trend, lässt sich bei der Zeitschrift Vogue nachlesen.

Lippenstift-Nuancen lassen sich laut „Und Gretel“ auch mi­schen. Sogar unterschiedliche Texturen, wie ein wachsiger Lippenstift, Puder oder flüs­sige Foundation seien kombi­nierbar, um neue vibrierende Farben für Lippen, Wangen und die Augen sowie Glow für die Haut zu erzeugen. Pig­ment Pairing nennt der Her­steller das.

Noch ein Blick auf die Ver­packung: Der Lip&Cheek Balm von Benecos wird in ein rechteckiges Magnet­schälchen gegossen, das in eine wieder befüllbare Leerpalette gesetzt werden kann. Praktisch in der An­wendung ist auch der Jum­bo Lipstick Marke Benecos sowie der von Marie W.. Sie sehen aus wie dicke Bunt­stifte und können stets neu angespitzt werden. Der Jumbo ist sogar komplett plastikfrei – seine Kappe besteht aus Aluminium. Eine andere Verpackungs-Lösung hat Provida gewählt. Das Unternehmen füllt sei­ne pastöse Lippenfarbe in Glastiegel und liefert dazu den passenden Pinsel.

Der Lipstick-Effekt

Anfang des Jahres berichteten Wirtschaftsjournalisten vom Phänomen des Lipstick-Ef­fekts. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen in Krisen­zeiten seltener zu großen Anschaffungen bereit sind, sich aber im Gegenzug gerne einen kleinen Luxus leisten: beispielsweise einen schönen Lippenstift. Leonard Lauder vom Kosmetikkonzern Estée Lauder machte die Beobach­tung und prägte den Begriff Lipstick-Effekt. In der Natur­kosmetik scheint dieser Trend (noch) nicht so ausgeprägt zu sein.

Der farbige Lippenbalsam von Sante hingegen ist von oben bis unten in Pappe eingekleidet, analog zu manch aktuellen Deosticks. Weitere Stifte stecken in PCR (Post-Consumer Re­cycled), zu 100 Prozent recyceltem und zu 100 Pro­zent recycelbarem Kunst­stoff (Börlind, Kia-Charlotta).

Und noch eine gute Nachricht zum Schluss: Die ayurvedischen Lippen­stifte von Lakshmi wurden nur vorübergehend vom Markt genommen, um über­arbeitet zu werden. Ab 2024 sollen sie wieder produziert werden.

Tipps für Kundinnen

  • Kundinnen, die selbstständig ihre Lippenstiftfarbe aussu­chen wollen, finden im Inter­net Unterstützung: Lavera hat einen Lippenstiftguide installiert und bei Mádara können Sie Farbtöne virtuell ausprobieren.
  • „Ab und zu ein Lippen-Pee­ling“ empfiehlt Sarah Honer­kamp zusätzlich als Pflege­tipp. Ganz unkompliziert sei die Massage mit einer trockenen Zahnbürste oder die Verwendung einer Öl-Zu­cker- oder Öl-Salz-Paste sagt die Lavera-PR-Managerin.

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