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Warenverfügbarkeit

Sechs Gründe, warum Bio-Ware knapp werden könnte

Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln ist hoch, gleichzeitig gefährden der Klimawandel sowie wirtschaftliche und politische Entwicklungen die Versorgung des Marktes mit ausreichend Ware. Was die Gründe hierfür sind und wie Hersteller und Händler auf Warenknappheit und steigende Preise reagieren (können).

In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland auf 17 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Abgesehen vom Jahr 2022, als die Bio-Umsätze zurückgingen, wächst der Markt bis heute kontinuierlich. Gesundheit, Klima, Nachhaltigkeit und Tierwohl spielen für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eine wichtige(re) Rolle bei der Wahl dessen, was sie essen wollen. Und eine Vielzahl an Marktteilnehmern wie etwa Lebensmittelhändler und Kantinenbetreiber wollen diese Nachfrage bedienen.

Immer wieder Lücken im Bio-Regal

Gleichzeitig sorgen Wetterextreme, der Krieg in der Ukraine, wirtschaftliche Unsicherheiten und politische Rahmenbedingungen dafür, dass das Bio-Angebot unter Druck gerät und die Preise steigen. Immer wieder gibt es in den Regalen der Bioläden Lücken. Naturkosthändler klagen aktuell unter anderem über Engpässe etwa bei Kakaoprodukten, Schokoladen, Gewürzen, Tees oder Hülsenfrüchten. 

„Der Wettbewerb um knappe Waren hat sich in den vergangenen Jahren verschärft“, sagt Simon Jacobsen, Marketing- und Kommunikationsleiter beim Bio-Großhändler Grell Naturkost. Dies sei unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass konventionelle Handelskanäle eine wachsende Rolle auf dem Bio-Lebensmittelmarkt spielen und die Warenflüsse beeinflussen.

Leere Regalreihen wie in der Coronapandemie drohen in den Bioläden auf absehbare Zeit zwar nicht, aber die Umstände machen die Versorgung mit Bio zu einer größeren Herausforderung. „Meistens gibt es für Krisen oder Unterdeckungen mehrere Faktoren“, sagt Sascha Damaschun, Geschäftsführer beim Bio-Großhändler Bodan. „Welcher Grund letztendlich der Entscheidende ist oder überwiegt, ist schwierig zu beurteilen.“

Faktor 1: Klimawandel und Extremwetterereignisse

Extremwetterereignisse wie Starkregen oder anhaltende Dürreperioden vernichten weltweit Ernten. Beispiel Bio-Kakao: Das Angebot ist durch klimatisch bedingte Ernteausfälle stark dezimiert. Schokoladenhersteller Vivani klagte bereits Anfang 2024 über eine „Verfügbarkeitskrise.” Und die Lage hat sich bislang nicht gebessert. 

„Die Ernteprognosen sind nach wie vor düster und Kakao wird immer mehr ein rares Gut“, sagte Vivani-Pressesprecher Andreas Kuhlmann im Mai dieses Jahres. Der Kakaopreis habe sich bei rund 8.800 Dollar pro Tonne eingependelt – dem Dreifachen des Börsenpreises von vor zwei Jahren. „Da unser Sortiment aus vielen hochprozentigen Schokoladen besteht, kommen wir um erneute Preiserhöhungen nicht herum“, so Kuhlmann.

Aber auch hierzulande dezimieren immer häufiger auftretende Wetterkapriolen Ernten und sorgen für Warenengpässe. Im vergangenen Jahr ließen große Regenmengen Rhabarberfelder regelrecht absaufen. Voelkel verzeichnete 70 Prozent Ausfall, das Berliner Unternehmen Ostmost musste sogar komplett auf Rhabarber in seinen Getränken verzichten.

Mildere Winter sorgen außerdem dafür, dass bestimmte Schädlingsarten nicht mehr absterben, die sich über Kirschen, Trauben und Beeren hermachen. Sie daran zu hindern: „Ein Riesenaufwand, der diese Kulturen viel teurer macht und leider oft dazu führt, dass Betriebe den Anbau ganz einstellen“, sagt Gerald Wehde von Bioland. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schätzt, dass höhere Temperaturen die Nahrungsmittelinflation bis 2035 jedes Jahr um 3,2 Prozent anheben könnte.

Faktor 2: Stagnierende Umstellung auf Bio

Vom Jahr 2015 bis 2024 hat sich die ökologische Landwirtschaftsfläche von 6,5 auf 11,4 Prozent fast verdoppelt. Allerdings verlangsamt sich das Wachstum seit 2020. Vergangenes Jahr betrug der Zuwachs lediglich 0,4 Prozent.

Das zarte Mehr an Öko-Land kam zuletzt dadurch zustande, dass die bestehenden Höfe größer geworden sind. Unter dem Strich zählten die Bio-Anbauverbände, nach deren Regeln 66 Prozent der Öko-Fläche bewirtschaftet werden, im vergangenen Jahr 389 Betriebe weniger, ein Rückgang um zwei Prozent. Von den vier großen Verbänden verloren Biokreis, Bioland und Demeter zusammen 335 Betriebe. Einzig Naturland zertifizierte fünf neue Mitglieder. Zusätzlich wirtschafteten 158 Betriebe weniger nach der EU-Öko-Verordnung.

Fachhandelsmarken unter Druck

Fast alle Fachhandelsmarken suchen wirtschaftliches Glück auch im konventionellen Handel. Mit Folgen für das Angebot im Bioladen: „Leider erleben wir immer wieder, dass die Lieferfähigkeit von Fachhandelsmarken leidet, sobald diese im Lebensmitteleinzelhandel oder in Drogeriemärkten gelistet werden. Dieser Trend ist nicht zu übersehen“, sagt Ralf Schwarz, Leiter Warenmanagement bei Dennree.

Aus diesem Grund listete der Großhändler zuletzt Produkte von Lebensbaum aus. Seit Ende 2024 beliefert der Hersteller auch DM – und kommt seitdem mit der Produktion nicht mehr hinterher, wie er in einem Schreiben an Geschäftspartner mitteilte. Darin versichert Lebensbaum: „Wir beliefern alle Kunden gleich – ob langjähriger Fachhandelspartner oder neu hinzugewonnener Kunde.“ Die Lieferverzögerungen begründete Lebensbaum mit „einer angespannten Personalsituation in der Produktion“ und mit „Herausforderungen in der Technik“. Inzwischen habe sich die Personalsituation entspannt, teilte der Hersteller Mitte Juni mit. Man habe das Ziel, „schnellstmöglich wieder die gewohnte Verlässlichkeit zu erreichen“.

Faktor 3: Strukturelle und wirtschaftliche Hürden

Ein Grund für die stagnierende Umstellungs-Motivation unter den Landwirten war die schwierigere Vermarktungssituation für Bio-Erzeugnisse seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und den gestiegenen Lebensmittelpreisen. Der Fachkräftemangel und Nachwuchsprobleme in der (Bio-) Landwirtschaft verschärfen die Situation zusätzlich.

Auch die Verarbeiter suchen händeringend nach qualifiziertem Personal. Doch: „Berufsschulen vermitteln teils wenig Wissen zur Bio-Verarbeitung“, sagt Friedhelm von Mering vom BÖLW. Der fehlende Nachwuchs ist einer der Gründe dafür, weshalb die Zahl der mittelständischen oder handwerklichen Lebensmittelverarbeiter schrumpft. 

Vielen Herstellern macht außerdem die aktuelle wirtschaftliche Situation zu schaffen. „Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat der Preisdruck extrem zugenommen“, sagt Alexander Beck vom Bio-Herstellerverband AöL. Durch Insolvenzen beziehungsweise Übernahmen hat der Verband in den vergangenen zwei Jahren unter dem Strich vier Mitglieder verloren. Insgesamt schrumpfe die Zahl mittelständischer oder handwerklicher Verarbeiter seit Jahrzehnten, sagt von Mering. Die restlichen Betriebe werden „größer und industrieller“ und seien „oft technisch gar nicht mehr in der Lage, kleinere und weniger homogene Chargen von Bio-Rohstoffen aufzunehmen.“

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„Die Verarbeitungsebene läuft viel zu oft unter dem politischen Radar“

Friedhelm von Mering und Carola Krieger vom BÖLW über die Relevanz der Bio-Verarbeitung für den ökologischen Ernährungswandel und warum insbesondere Molkereien einen großen Einfluss darauf haben, dass Erzeuger umstellen.

Faktor 4: Bürokratische Hürden

Die Motivation, nach Öko-Standards zu produzieren, steht und fällt mit den Rahmenbedingungen, die von der Politik angeboten werden. Doch die komplexe EU-Bio-Verordnung, aufwendige Dokumentationspflichten und auch die Kosten für die Zertifizierung verstehen viele Betriebe insbesondere in der aktuellen unklaren wirtschaftlichen Situation nicht gerade als Einladung, auf Bio umzustellen. Und diejenigen, die es doch tun, haben viel Schreibtischarbeit zu tun. 

Bio-Hersteller sind gleich doppelt betroffen, weil sie zusätzlich zu den umfangreichen bürokratischen Anforderungen in der Lebensmittelverarbeitung auch noch das Bio-Pflichtenheft berücksichtigen müssen. Um Druck rauszunehmen, fordert der BÖLW, dass die EU-Öko-Verordnung und ihre rechtliche Auslegung klarer, transparenter und flexibler werden. Für die Landwirte kamen im Mai gute Signale aus Brüssel: Die EU will das „green by definition“- Prinzip wieder einführen. Bio-Höfe würden dadurch automatisch Basis-Auflagen für eine Agrarförderung erhalten, ohne Nachweispflicht.

Nach wie vor schwerfällig und langwierig sind Genehmigungsverfahren bei der Umstellung auf tierwohlgerechte Stallungen, vor allem bei Neu- oder Umbauten. Umweltauflagen führen oft zu Verzögerungen oder gar Ablehnungen von Bauanträgen. Immerhin: Union und SPD haben versprochen, „die notwendigen Mittel für den tierwohlgerechten Stallbau“ bereitzustellen.

Faktor 5: Weniger Bio-Milch durch Weidepflicht?

Aktuell wird viel über die Weidepflicht diskutiert. Diese ist bereits seit 2007 in der EU-Öko-Verordnung verankert und schreibt vor, dass Pflanzenfresser wie Rinder, Schafe und Ziegen in der Öko-Landwirtschaft während der Weidezeit ständigen Zugang zu Weideland haben müssen. Seither wurden in Deutschland Ausnahmen gestattet, wenn strukturelle Hindernisse vorlagen, etwa durch beengte Ortslagen oder fehlende Weideflächen in Stallnähe. 

Seit dem 1. Januar wird das nicht mehr akzeptiert. Erlaubt sind nur noch vorübergehende Ausnahmen, beispielsweise bei ungünstiger Witterung. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter schätzt, dass allein in Süddeutschland etwa ein Viertel der Biomilchbetriebe die strengen Vorgaben nicht erfüllen kann. Der Verband warnt vor einem Rückgang der Bio-zertifizierten Betriebe und somit der Biomilchproduktion. Bio-Verbände fordern deshalb praktikable Lösungen für Betriebe mit schwierigen Standortbedingungen.

Faktor 6: Weniger Bio aus Drittländern

Seit Anfang des Jahres gilt das EU-Öko-Regelwerk auch für Betriebe in den meisten Ländern außerhalb der EU. Ihre Waren dürfen das europäische Bio-Siegel seit dem 1. Januar nur noch dann tragen, wenn diese nach den Produktionsvorschriften der EU hergestellt wurden. Laut FiBL haben die Änderungen „Auswirkungen auf eine breite Palette von Bio-Produkten“, etwa Kaffee, Kakao, Nüsse und Reis. Zwar sorgt die neue Regelung für mehr Transparenz, dem FiBL zufolge werden viele Kleinbauern aber Schwierigkeiten haben, sich an die neue Verordnung anzupassen. Für einige steigen die Kosten zum Teil so drastisch, dass der europäische Biomarkt nicht mehr interessant ist oder sie ihre Bio-Anerkennung verlieren. Dementsprechend erwartet das FiBL, „dass es in den ersten Jahren zu Problemen in den Lieferketten kommt und die Produktverfügbarkeit eingeschränkt wird.“

Reaktionen auf knappe Waren und steigende Preise

Veränderte Rezepturen, kleinere Verpackungen: Bio-Hersteller reagieren vielfältig auf einen Rohstoffmangel und höhere Preis. Einige, wie Vivani, setzen außerdem auf eine offensive Kommunikation. Unter dem Titel „Kakao – das neue Gold?“ informiert der Hersteller auf seiner Webseite ausführlich über die Gründe für die Rohstoffknappheit und den Preisanstieg bei seinen Produkten. 

„Wir haben über unseren Außendienst und den Großhandel außerdem anschauliche Infokärtchen verteilt, die am POS ausgehängt werden konnten“, berichtet Pressesprecher Kuhlmann. „Die Kärtchen fassen die Problematik kurz und in einfachen Worten zusammen, regen per QR-Code aber auch dazu an, sich auf unserer Website detaillierter ins Thema einzulesen.“ Diese Art der offenen Kommunikation sei sehr gut angekommen. 

„Wir haben sehr viel positives Feedback dazu bekommen“, sagt Kuhlmann. „Die Karten werden bis heute vom Fachhandel (nach)bestellt, ausgehängt und an kritische Kunden verteilt.“

Drei Tipps zur Preiskommunikation

Dr. Christina Jacker-Hundt, Werbepsychologin

1. Wie sollte man höhere Preise kommunizieren?
Vermeiden Sie Bagatellisierungen, Rechtfertigungen im Konjunktiv und Schuldzuweisungen. Bagatellisierungen („Es ist ja nur ein kleiner Aufpreis“) wirken herablassend. „Rechtfertigungen („Wir würden gerne, aber...“) wirken unsicher. Schuldzuweisungen („Wegen der Politik/wirtschaftlichen Lage...“) schwächen die eigene Vertrauensbasis. Stattdessen sollte man souverän und empathisch die Gründe für höhere Preise erklären, Verantwortung übernehmen und die eigene Wertehaltung betonen.

2. Wie überzeugt man vom Wert von Bio-Produkten?
Statt allein den Preis zu rechtfertigen, sollte der Fokus auf dem Mehrwert liegen: Was bekomme ich für mein Geld (Qualität, Regionalität, Nachhaltigkeit)? Was bewirkt der Kauf (faire Löhne, Umweltschutz)? Warum lohnt sich die Investition langfristig (Gesundheit, ethisches Handeln)? Auch kleine Alltagsvergleiche können helfen: „Du bist bereit 2,- Euro für einen Energy Drink zu zahlen – was ist dir Bio-Bauernmilch wert?“.

3. Wie sollte man reagieren, wenn sich Kunden über einen zu hohen Preis ärgern?
1. Verständnis zeigen („Wir wissen, dass die Preissteigerungen spürbar sind“).
2. Den Wert neu rahmen (Re-Framing) – etwa durch Hinweise auf Qualität, Nachhaltigkeit oder persönliche Gesundheitsvorteile.
3. Alternativen anbieten, z. B. kleinere Packungsgrößen, Aktionswochen oder Probierangebote. Wichtig: Jeder Konsument hat seine eigene individuelle psychologische Preistoleranz.

Sechs Punkte auf die Händler bei Preissteigerungen achten sollten

Häufig scheuen sich Hersteller, aber auch Händler, die Preise entsprechend zu erhöhen, beobachtet Berater Simon Döring. Die Angst, Kunden zu verprellen, ist groß. Doch mit der richtigen Kommunikation muss das nicht passieren. 

„Vertrauen ist der wichtigste psychologische Anker in preissensiblen Phasen“, sagt die Werbepsychologin Dr. Christina Jacker-Hundt (s. Kasten). „Menschen akzeptieren Preissteigerungen eher, wenn sie der Marke zutrauen, ehrliche Entscheidungen im Sinne gemeinsamer Werte zu treffen.“ Händler sollten Preissteigerungen ehrlich und frühzeitig kommunizieren und dabei Ursachen erklären, die die Kundschaft nachvollziehen kann, so Jacker-Hundt. Solche Gründe können beispielsweise gestiegene Rohstoffpreise oder eine faire Entlohnung der Produzenten sein. 

„Wichtig ist ein empathischer Kommunikationsstil, der nicht den Fokus auf die Erhöhung selbst legt, sondern auf den Wert und die Nachhaltigkeit der gesamten Lieferkette.“

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