Für den Schutz der Biodiversität ist ein ganzes Maßnahmenpuzzle notwendig. Doch für die Anlage und Pflege einer Hecke oder die Einrichtung von blühenden Streifen entlang von Äckern erhalten Landwirtinnen und Landwirte häufig noch keine ausreichende finanzielle Gegenleistung. Wie solche sogenannten Ökosystemleistungen entlohnt werden können, daran arbeitet ein Forschungsteam aus Öko-Institut, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und Bioland. Erste Ergebnisse präsentierten die drei Organisationen auf der Internationalen Grünen Woche.
Analog zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) schlägt das Forschungsteam vor, Mehrkosten der landwirtschaftlichen Betriebe für Biodiversitätsmaßnahmen über ein Umlagesystem zu vergüten. Damit sollen Kosten für Fördermaßnahmen auf Produkteinheiten der landwirtschaftlichen Rohwaren Getreide, Milch, Fleisch, Ölfrüchte, Zuckerrüben und Kartoffeln heruntergebrochen und von den Molkereien, Schlachthöfen oder Mühlen entrichtet werden, die diese Rohwaren bei Landwirtinnen und Landwirten abnehmen.
Laut den Forschern hätten erste Betrachtungen am Beispiel mehrjähriger Blühstreifen gezeigt, dass eine Biodiversitäts-Umlage bei den Endkundinnen und -kunden nur zu einem kleinen Aufschlag auf die verkauften Lebensmittel führe, in der Summe jedoch große Finanzströme in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft mobilisieren könne. So erhielten landwirtschaftliche Betriebe im Jahr 2020 aus dem Verkauf von einem Kilogramm Mischbrot rund 22 Cent – das machte knapp zehn Prozent des Preises aus, den Verbraucherinnen und Verbraucher an der Theke zur selben Zeit zahlten, so das Forscherteam.
„Mit der vorgestellten Umlage wird Biodiversitätsschutz attraktiver.“
Ihre Schlussfolgerung: Würden auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz durchgeführt und die so entstehende Kosten über eine entsprechende Umlage erhoben, kämen etwa ein bis zwei Cent Zusatzkosten auf die Endverbraucher und Endverbraucherinnen hinzu. Wie genau die Kosten für die Biodiversitätsmaßnahmen ermittelt und wie sie rechtssicher auf die Erstabnehmer der landwirtschaftlichen Rohwaren verteilt werden können, untersuchen die Projektpartner noch bis Mitte 2024.
„Mit unserem Projekt ‚Blaupause für die Landwirtschaft‘ haben wir die Möglichkeit, einen neuen und innovativen Ansatz zur Honorierung von Biodiversitätsmaßnahmen bzw. Ökosystemleistungen durch die Landwirtschaft zu entwickeln“, sagt Axel Wirz vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Auch die Umsetzung der Maßnahmen zum Artenschutz und die möglichst unbürokratische Auszahlung der Umlage an die landwirtschaftlichen Betriebe wird im Projektverlauf weiter mit Praxispartnerinnen und -partnern diskutiert.
Welche Maßnahmen zur Biodiversitätsförderung in welcher Region wie gefördert werden können, bleibt Forschungsgegenstand im noch laufenden Projekt. Dafür wird das Team mit Praxispartnern und -partnerinnen in zwei Beispielgebieten in Niedersachsen und Bayern auf Landkreisebene eine Bestandsaufnahme der aktuell umgesetzten Maßnahmen durchführen. Darauf aufbauend leiten sie auf Basis von Zielen für die Biodiversität den zusätzlich nötigen Maßnahmenbedarf ab, kalkulieren deren reale Kosten und erarbeiten Möglichkeiten der Umsetzung.
„Umweltschutz in der Landwirtschaft muss sich lohnen, dazu gehört auch die administrativen und finanziellen Hürden abzubauen “, betont Sigrid Griese von Bioland. „Mit der vorgestellten Umlage wird Biodiversitätsschutz attraktiver.“ Das Projekt „Blaupause für die Landwirtschaft“ ist Teil der „Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt", die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. (mis)
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