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Studie

Zehn Maßnahmen für mehr bio-regionale Lebensmittel in der AHV

Viele Gemeinschaftsverpfleger stehen bei der Umstellung auf regionale Öko-Produkte vor großen Herausforderungen. Welche das sind und wie Kantinen und Co. sie managen, hat die Uni Hohenheim zusammen mit Ökonsult in zehn Handlungsempfehlungen zusammengefasst.

Um den Bio-Anteil in der in der deutschen Landwirtschaft signifikant zu steigern und das Ernährungssystem zu transformieren, sind Außer-Haus-Verpfleger (AHV) wie Mensen und Kantinen wichtige Akteure. So hat sich zum Beispiel das Bundesland Baden-Württemberg vorgenommen, bis 2030 den Anteil bio-regionaler Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung auf 30 bis 40 Prozent zu steigern.

Damit dort mehr bio-regionale Produkte auf den Teller kommen können, müssen allerdings auch Rahmenbedingungen wie etwa politische Zielvorgaben passen. Oft scheitert die Außer-Haus-Gastronomie jedoch an Hürden wie zu knappen Budgets und mangelnden vorverarbeiteten Produkten. Es gäbe inzwischen viele einzelne Best Practice-Beispiele, sagt Dr. Birgit Hoinle vom Fachgebiet Gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft an der Universität Hohenheim, „in der Breite kommt die Umsetzung aber nur in kleinen Schritten voran“, so die Wissenschaftlerin. 

In Zusammenarbeit mit dem Zentrum Ökologischer Landbau (ZÖL) der Universität Hohenheim und der Ökonsult GbR hat sie daher eine Studie dazu erstellt. Zunächst haben die Beteiligten des Projekts „BioRegioKantine“ Erfolgs- und Hemmfaktoren für den Einsatz regionaler Öko-Produkte in der AHV identifiziert. „Daraus wiederum haben wir zehn konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet“, so Hoinle.

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Die Empfehlungen „umfassen regulatorische und finanzielle Instrumente sowie Maßnahmen zur Kooperation entlang der Wertschöpfungskette, zur Transformation in den Küchen und zur Bildung und Kommunikation“, fasst Andreas Greiner von Ökonsult zusammen. Für die einzelnen Tipps, die BioHandel im Folgenden vorstellt, haben die Studienverfasserinnen und -verfasser jeweils einen praxisnahen Steckbrief bereitgestellt.

Zusätzlich zu den zehn Handlungsempfehlungen haben die Forschenden eine Online-Plattform mit einem Akteursmapping entwickelt. Sie soll einen strukturierten Überblick über das Themenfeld geben und den Austausch unter relevanten Akteuren im Bereich nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung fördern.

1. Klare politische Zielvorgaben

Um Orientierung zu schaffen und die Akzeptanz bio-regionaler Produkte zu stärken, braucht es laut der Studie verbindliche politische Ziele – etwa Gemeinderatsbeschlüsse mit konkret formulierten Maßnahmen und Zeitplänen. 

So sei die Wirkung von gesetzlichen Regelungen effizienter als die von freiwilligen Vereinbarungen, da Anbieter ihre Produkte danach planen und ausrichten müssen. Wie eine in der Studie angeführte Erhebung aus Dänemark zeigt, wird das Fehlen von eindeutigen Zielen bei Beschaffungsbeauftragten in der Tat als Hindernis für die Verbesserung einer nachhaltigen Beschaffung wahrgenommen.

2. Bio und Regionalität in Vergabeverfahren

Über Vergabeverfahren kann Nachhaltigkeit durch AHV-Träger wirkungsvoll verankert werden, um Bio-Produkte in den Verpflegungsangeboten Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen in der Breite fördern. 
Während Bio in Ausschreibungen rechtssicher integrierbar ist, gibt es jedoch nur wenige Ansatzpunkte, um Regionalität EU-regelkonform zu fördern. Hier setzt der europäische Gesetzgeber enge Grenzen. Eine Tabelle im Steckbrief zum Punkt Vergabeverfahren gibt einen Überblick über Möglichkeiten, den formalen Vorgaben in der Vergabepraxis rechtssicher zu entsprechen und die Wahrscheinlichkeiten für die Verwendung regionaler Lebensmittel erhöhen (S. 104).

3. Frischeküchen und kommunale Eigenbetriebe fördern

Frischeküchen und kommunale Eigenbetriebe können nachhaltiger geplante Menüs mit höherem Bio-Anteil und direkte Kooperationen mit regionalen Erzeugerinnen und Erzeugern erleichtern, schreiben die Studienautoren. Da die 19-prozentige Mehrwertsteuer für Dienstleistungen entfällt und der Service nicht extern ausgeschrieben werden muss, bieten kommunale Eigenbetriebe auch ökonomische und soziale Vorteile: Die Kosten pro Essen sind geringer, Küchenkräfte sind über Tarifverträge des öffentlichen Dienstes angestellt und haben ein gesichertes Beschäftigungsverhältnis. In Deutschland sind kommunale Eigenbetriebe bislang jedoch eher die Ausnahme.

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4. Koordinationsstellen zur Vernetzung institutionalisieren

Ein zentraler Erfolgsfaktor für den Aufbau von bioregionalen Wertschöpfungsketten ist die Vernetzung der regionalen Akteurinnen und Akteure. Voraussetzung dafür sind dauerhaft finanzierte, institutionalisierte Arbeitsplätze, zum Beispiel bei regionalen Service- und Beratungsstellen. So haben die Personen auf den entsprechenden Positionen über längere Zeiträume die Möglichkeit, solche Vernetzungsaufgaben ohne Unterbrechungen zu verfolgen. Weiterhin sei es laut einem Interview aus der Studie „nach wie vor wichtig, Veranstaltungen durchzuführen, wo sich die Akteure der verschiedenen Bereiche treffen, austauschen, vernetzen können.“

5. Logistik- und Bündelungsstrukturen optimieren

Logistische Hürden behindern die Verbreitung bio-regionaler Produkte im Großhandel. Um Zugang zu Großhandelsbetrieben zu erlangen, benötigen Kleinbetriebe effiziente, gebündelte Logistikstrukturen. Die Studie beschreibt digitale Plattformen (siehe Punkt 6) als potenzielle Basis für eine solche Bündelung, da kleine Bio-Betriebe bisher oft schlecht an die gegebenen Beschaffungsstrukturen der AHV angebunden sind. Verschiedene Ansatzpunkte dazu sind in der Studie näher erläutert.

6. Digitale Werkzeuge gezielt weiterentwickeln 

Digitale Plattformen können Angebot und Nachfrage bio-regionaler Waren verbinden, B2B-Kontakte fördern, die Logistik optimieren. So können bio-regionale Wertschöpfungsketten weiterentwickelt werden. Dafür braucht es laut der Studie wirtschaftlich tragfähige Modelle, eine breite Nutzung und eine systematische Weiterentwicklung – worin aktuell eine große Herausforderung besteht, da hier auch der Forschungsbedarf hoch ist.

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7. KMU für die Vorverarbeitung fördern

Die mangelnde Verfügbarkeit von vorverarbeiteten bio-regionalen Produkten gilt in der AHV noch immer als zentrales Hemmnis. Gefördert werden sollten der Studie zufolge deshalb kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups im Bereich vorverarbeitender Strukturen – auch durch kommunale Wirtschaftsförderung.

8. Fortbildungen und Coachings zu nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung

Die Transformation in der Gemeinschaftsverpflegung braucht Wissen und Motivation. Schulungen, Beratung und Austauschformate stärken die Kompetenz der Mitarbeitenden.

9. Küchenberufe attraktiver machen

Die Transformation in der AHV wird auch von den Menschen vollzogen, die dort arbeiten. Derzeit besteht jedoch ein genereller Personalmangel in Großküchen. Wichtig sind daher gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, faire Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung, um Fachkräfte für die Großküche zu gewinnen und zu halten. Denn ob eine nachhaltige Umgestaltung der Gemeinschaftsverpflegung gelingt, hängt auch davon ab, wie diese Ziele von den Küchenkräften und -leitungen akzeptiert und umgesetzt werden, heißt es in einer weiteren Studie.

10. Ernährungsumgebungen nachhaltig gestalten, Verhaltensanreize setzen (Nudging)

Tischgäste wollen und müssen in der Transformation miteinbezogen werden. Bloße Menüplan-Umstellungen reichen laut der Studienverfasserinnen und -verfasser nicht aus. So sollten Veränderungen aktiv kommuniziert werden. Weiterhin sollten Kommunikation, Storytelling und attraktive Essensräume genutzt werden, um die Akzeptanz für bio-regionale Gerichte – besonders bei Kindern und Jugendlichen – zu fördern.

Über die Studie

Das Projekt „BioRegioKantine“ wurde von Februar 2024 bis April 2025 vom Fachgebiet Gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft der Universität Hohenheim unter der Leitung von Professorin Claudia Bieling, dem Zentrum für Ökologischen Landbau sowie dem Beratungsunternehmen Ökonsult durchgeführt. Finanziell gefördert wurde das Projekt durch das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.

Für die Studie hat das Team 25 wissenschaftliche Artikel aus dem europäischen Raum sowie 17 Projektberichte im deutschsprachigen Kontext ausgewertet. Außerdem wurden insgesamt 15 Expertinnen und Experten aus Ernährungswirtschaft, Stadtverwaltungen, Biomusterregionen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zu ihrer Einschätzung im Hinblick auf Erfolgs- und Hemmfaktoren befragt.

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