Am 23. Februar 2025 haben die Deutschen gewählt. Mit rund 28,5 Prozent hat die CDU/CSU dabei die meisten Stimmen der deutschen Wählerschaft erhalten. Als zweitstärkste Partei ist die AfD mit 20,8 Prozent aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Auf sie folgt mit 16,41 Prozent die SPD. Stark genug, um das Land allein zu regieren, ist die Union trotz seiner seit 2021 wieder gewachsenen Wählerschaft nicht. Um die Mehrheit von 316 Sitzen im Parlament zu erreichen, ist die CDU/CSU auf eine Koalition mit der SPD angewiesen, da sie eine politische Zusammenarbeit mit der in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD kategorisch ausgeschlossen hat.
Nun stehen die bereits sondierenden Parteien vor ersten Koalitionsgesprächen, die laut Medienberichten ab dieser Woche stattfinden und gerade mit Blick auf die geopolitische Weltlage schnellstmöglich vonstattengehen sollten. Und auch die Bio-Branche will wissen, wie es agrar- und wirtschaftspolitisch künftig für die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft weitergehen wird. Wie aus den Regierungsprogrammen der CDU/CSU und der SPD hervorgeht, dürfte der Bereich „Öko“ auf der Prioritätenliste der künftigen Bundesregierung eher unten stehen.
Andres rät Koalitionspartnern, Bio für Aufschwung zu nutzen
„Union und SPD dürfen bei ihren Beratungen nicht nur das Tagesgeschäft, sondern müssen auch die Zukunft unseres Landes in den Blick nehmen“, appelliert daher Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), an die bald verhandelnden Parteien. „Die Bio-Branche ist Innovationsmotor und Systemlieferant für Nachhaltigkeit und damit Zukunftsfähigkeit in der Land- und Lebensmittelwirtschaft. Und sie ist eine Branche mit großem Wachstumspotenzial, das zeigen die aktuellen Zahlen zur Entwicklung bei Arbeitsplätzen und Umsatz“, so Andres.
„Die künftigen Koalitionspartner sind daher gut beraten, die Power der Bio-Branche für den so dringend benötigten Aufschwung in Deutschland zu nutzen.“
Sie rät den künftigen Koalitionspartnern, „die Power der Bio-Branche für den so dringend benötigten Aufschwung in Deutschland zu nutzen. Alles andere, hieße Chancen für Bäuerinnen, Bauern und den gesamten ländlichen Raum zu verschenken“, argumentiert die BÖLW-Vorstandvorsitzende.
Um welche Punkte es bei den schwarz-roten Koalitionsgesprächen hinsichtlich branchenrelevanter Themen wie Ökolandbau, EU-(Agrar-)Politik, Neuer Gentechnik, Klima- und Artenschutz sowie Ernährung gehen wird und wo die CDU/CSU und die SPD bei diesen Themen stehen, hat BioHandel anhand der Wahlprogramme zusammengefasst.
Ökolandbau:
Die biologische Landwirtschaft findet weder im Programm der CDU/CSU noch in dem der Sozialdemokraten viel Aufmerksamkeit. Die Union betont, dass sie auf Anreize wie die Honorierung von Natur- und Umweltschutz sowie Innovationen setzt. Konventionelle und ökologische Landwirtschaft seien der Partei dabei gleich wichtig – wobei die Union Züchtungsinstrumente wie „Smart Breeding“ unterstützen will und sich offen zum Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bekennt.
Özdemirs 2024 vorgestelltes „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ soll unter einer politischen Führung der CDU/CSU abgeschafft werden. Was das Thema Tierwohl betrifft, wollen die Christdemokraten Landwirtinnen und Landwirte „mit verlässlicher Finanzierung tierwohlgerechter Ställe bei der artgerechten Tierhaltung unterstützen“.
Bei der möglichen Koalitionspartnerin SPD finden Begriffe wie „Ökolandbau“, „ökologischer Landbau“ oder „biologische Landwirtschaft“ keinerlei explizite Erwähnung im Wahlprogramm. Immerhin will die SPD „mit der neuen GAP-Förderperiode ab 2028 (…) all jene stärker unterstützen, die die Ressourcen Wasser, Boden und Luft schonen, zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen und Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimaanpassung durchführen“.
Erst im Jahr 2023 hatte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter dem noch amtierenden grünen Agrarminister Cem Özdemir die Bio-Strategie 2030 gestartet. Ob das Thema „Bio“ bei den Verhandlungen zur künftigen Regierungskoalition genug Priorität hat, damit die Pläne für 30 Prozent Bio bis 2030 in den kommenden vier Jahren überhaupt in ihrer jetzigen Form weiterverfolgt werden, scheint unsicher.
Klimaschutz:
Beide Koalitionsparteien bekennen sich zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Die Schwesternparteien CDU/CSU verfolgen einen „marktwirtschaftlichen Klima- und Umweltschutz“, indem sie etwa Erneuerbare Energien weiter ausbauen und alle Kapazitäten ans Netz bringen wollen, die klimafreundlich und systemdienlich sind – dabei ziehen sie durchaus auch die Wiederaufnahme von Atomkraftwerken in Betracht.
Beim Klimaschutz gibt es zwischen Union und der SPD zwar grundlegend Parallelen, jedoch unterscheiden sich die Programme der Parteien bezüglich der Instrumente und Visionen. Während die SPD auf Maßnahmen wie einen schnelleren Ausbau Erneuerbarer Energien und die Dekarbonisierung der Industrie setzt, nennt die CDU/CSU internationalen Emissionshandel und eine CO2-Kreislaufwirtschaft mit natürlicher und technischer CO2-Nutzung und Speicherung* als Klimaschutz-Instrument.
Hinsichtlich des Klimaschutzes werden sich die beiden Parteien stark aufeinander zu bewegen müssen, um zu einer Einigung zu kommen. Wobei die SPD durch das deutlich schwächere Wahlergebnis in der schlechteren Verhandlungsposition ist. Bestrebungen nach der verstärkten Mobilisierung privater Mittel etwa dürften bei Verhandlungen mit der CDU/CSU, die beispielsweise auch eine Vermögenssteuer ablehnt, eher wenig Umsetzungschancen haben. Auf der Hand liegt, dass eine neue schwarz-rote Regierung das Klima- und Artenschutzkonzept der aktuellen Noch-Bundesregierung voraussichtlich grundlegend umkrempeln wird.
Agrarpolitik in Deutschland und der EU:
In Hinblick auf Landwirtschaftspolitik strebt die Union eine massive Entlastung von Betrieben sowie eine Abgrenzung von der EU-Linie an. Der Tenor im Wahlprogramm lautet, die Gemeinsame Agrar-Politik der EU durch Maßnahmen wie Bürokratieabbau zu vereinfachen und damit kleinteilige Kontrollen überflüssig zu machen.
Die Partei von Friedrich Merz will Berichts- und Dokumentationspflichten abbauen und sich der Auferlegung von Pflichten durch Brüssel frühzeitig entgegenstellen. Zwar sollen europarechtliche Vorgaben eingehalten werden. Das „vorhergesehene Mindestmaß an Regulierung“ will die Union jedoch nicht überschreiten. Das deutsche Lieferkettengesetz will die CDU/CSU wieder abschaffen. Die Agrardieselrückvergütung will die Partei indes wieder einführen.
Auch die Sozialdemokraten wollen bürokratische Hürden für die Landwirtschaft abbauen. Andererseits möchte die Partei, dass „Leistungen, die den Arbeitskräften in der Landwirtschaft, den ländlichen Regionen sowie dem Tierschutz zugutekommen“, honoriert werden. Zudem plant die SPD in ihrem Wahlprogramm, die Landwirte mit einer reformierten Agrarförderung zu unterstützen. An der EU-Lieferkettenrichtlinie hält die SPD fest.
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