Deutsche Supermärkte setzen vermehrt auf Programme, die die heimische Landwirtschaft sowie den Klima- und Umweltschutz stärken sollen. Scope-3-Emissionen sind heutzutage in aller Munde, denn sie machen im Einzelhandel bis zu 95 Prozent der Gesamtemissionen aus. Es handelt sich hierbei um die Emissionen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also auch in der Landwirtschaft, entstehen.
Aldi, Kaufland, Penny, Edeka, Rewe und Lidl – sie alle verfolgen verschiedene Ansätze um klimaeffizientere Landwirtschaft bei ihren Erzeugerbetrieben zu stärken. Erst im Sommer 2023 sorgte Penny für Aufsehen, als es neun ausgewählte Produkte zu sogenannten „wahren Preisen“ verkaufte. In diese Preise wurden die Umweltfolgekosten der Produktion, die normalerweise nicht in den Preisen abgebildet werden, miteinkalkuliert. Die Mehreinnahmen in Höhe von 375.000 Euro spendete Penny dem Projekt Zukunftsbauer.
Fördertopf von jährlich mehr als 350.000 Euro
Das Projekt will einen Beitrag zum Erhalt der familiengeführten Bauernhöfe im Alpenraum leisten. Landwirte der Genossenschaftsmolkerei Berchtesgadener Land, die ihre Höfe energetisch optimieren wollen, können eine Förderung von bis zu 10.000 Euro erhalten. Der seit 2021 laufende Zukunftsbauer ist ein Gemeinschaftsprojekt von Penny, der Molkerei Berchtesgadener Land, Landwirten, Landwirtinnen sowie Kundinnen und Kunden.
Der Fördertopf von jährlich mehr als 350.000 Euro speist sich dadurch, dass Penny insgesamt bei allen Milchprodukten von der Molkerei Berchtesgadener Land auf einen Teil seiner Verkaufsspanne verzichtet und die Molkerei die Summe verdoppelt.
Rewe Group setzt sich für Klimaschutz in der Lieferkette ein
Darüber hinaus will sich die Rewe Group, zu der Rewe und Penny gehören, vermehrt für den Klimaschutz in ihrer Lieferkette einsetzen. Das Förderprogramm Klimaschutz soll mit einem millionenschweren Budget Projekte der Eigenmarken-Lieferanten von Rewe und Penny mitfinanzieren und dadurch Treibhausgas-Emissionen entlang der Lieferkette reduzieren.
„Die Bandbreite von Förderprojekten reicht von regenerativer Landwirtschaft wie etwa das Pflanzen von Blühstreifen bis hin zu Maßnahmen, die zu einer Reduktion von Lebensmittelverlusten innerhalb der Wertschöpfungskette beitragen. Dabei ist nicht entscheidend, ob es sich um bereits bekannte oder innovative Maßnahmen handelt“, sagt Rewe-Chefeinkäufer Hans-Jürgen Moog.
Projektideen sind willkommen
Eigenmarkenlieferanten können ihre Projektideen einbringen. Die Rewe Group sei hinsichtlich der CO2-reduzierenden Maßnahmen komplett offen, so das Unternehmen. „Je nach Projekt können weitere Partner in der Lieferkette bis hin zur heimischen Landwirtschaft integriert sein. Die Maßnahmen/Projekte müssen zu einer messbaren und anrechenbaren Reduktion von Treibhausgas-Emissionen in den Lieferketten beitragen, etwa in den Bereichen Acker- und Pflanzenbau, Tierhaltung, Verarbeitung, Verpackung und Transport“, erläutert ein Pressesprecher der Rewe Group.
„Die eingereichten Projektideen werden einer entsprechenden Prüfung und Bewertung unterzogen, auf deren Basis über eine mögliche Co-Finanzierung entschieden wird“, so der Pressesprecher weiter. Die Emissionsreduktion werde zum einen nach den Vorgaben des GHG Protocols berechnet, einem international anerkannten Standard mit dem Treibhausgasemissionen in Unternehmen und Organisationen erfasst werden. Zum anderen werde mit der DIN EN ISO 14067 eine Norm berücksichtigt, die Richtlinien für die Quantifizierung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Produkten bereitstellt, so der Sprecher.
Aldi fordert Einsatz der Lieferanten
Die Rewe Group unterstützt darüber hinaus Landwirtinnen und Landwirte, die auf ökologischen Landbau umstellen möchten. Mit seinen Eigenmarken „Rewe Wegbereiter“ und „Naturgut Junior-Helden“ ermöglicht es der Einzelhändler Betrieben, ihre Umstellungsware zu vermarkten und einen Teil der Umstellungskosten von konventionell auf ökologisch refinanzieren zu können.
Auch Aldi Nord nimmt seine Scope-3-Emissionen in den Blick. Ziel des Discounters ist es, dass sich bis Ende 2024 die strategischen Lieferanten, die für 75 Prozent der Emissionen in der Lieferkette verantwortlich sind, wissenschaftsbasierte Reduktionsziele setzen. „Der Stand der Umsetzung wird fortlaufend überprüft. So hatten im Jahr 2021 27 Prozent der Lieferanten ein solches Ziel formuliert“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens.
Lidl-Flaggschiff-Projekt fördert „klimaeffiziente Milch"
Beim Flaggschiff-Projekt von Lidl für eine umweltfreundlichere Landwirtschaft geht es um „klimaeffiziente Milch“. „Im Rahmen des Mehrwertprogramms der Regionalmarke ,Ein gutes Stück Bayern' arbeiten rund 50 Landwirte daran, die Treibhausgasemissionen pro Kilo Milch bis 2026 im Vergleich zum Basisjahr 2021 um mindestens 25 Prozent zu reduzieren“, teilt der Händler auf seiner Webseite mit.
Gemeinsam mit seinem Lieferanten, der Privatmolkerei Bechtel, der Bodensee-Stiftung, der Bioland-Stiftung und dem Thünen-Institut für Betriebswirtschaft hat Lidl einen Klimabeirat gegründet. 2020 ermittelte die Bodensee-Stiftung mit ihrem Klima-Bilanzierungstool Agri Climate Change Tool (ACCT) die Treibhausgas-Emissionen der bayerischen Erzeugerbetriebe. Daraus leitete der Klimabeirat Maßnahmen zur Emissions-Reduktion der Betriebe ab, wie zum Beispiel den effizienteren Einsatz von Wirtschaftsdünger oder die Anpassung der Fütterung und Fruchtfolge.
Für den zusätzlichen Aufwand bekommen die Landwirtinnen und Landwirte pro Liter Milch einen finanziellen Zuschlag. Bislang wurden im Rahmen des Projekts 26,4 Millionen Euro an die Erzeugerbetriebe ausgeschüttet. Laut Lidl-Pressestelle waren zu Beginn rund 250 Landwirte an dem Programm beteiligt. Da die Anforderungen über die Zeit gestiegen seien, habe sich deren Anzahl jedoch verringert.
Handelsketten setzen auf regenerative Landwirtschaft
Die Maßnahmen der Handelshäuser werden häufig unter dem Begriff „regenerative Landwirtschaft“ zusammengefasst. Landwirtschaftliche Betriebe und somit die Lebensmittelkette resilienter zu machen, sind nur einige der Versprechen dieser Art der Bewirtschaftung von Feldern und Äckern (s. Interview am Ende des Artikels).
Die regenerative Landwirtschaft umfasst Maßnahmen, die das Bodenleben auf dem Acker verbessern, die Wasserspeicherkapazität des Bodens steigern, Artenvielfalt erhöhen, Humus aufbauen und somit CO2 aus der Atmosphäre im Boden speichern. Anders als etwa die ökologische Landwirtschaft ist die regenerative Landwirtschaft nicht reguliert, es gibt also (noch) keine gesetzlich verankerten Standards und sie wird als fortschreitender Prozess verstanden, der betriebsindividuell angepasst werden muss.
Start-up Klim unterstützt Lebensmittelhändler
Auch Edeka Südwest und Kaufland haben Klimaprojekte für ihre Wertschöpfungskette entwickelt, bei denen es um regenerative Bewirtschaftung geht. Unterstützt werden sie dabei von Klim, ein Start-up, das 2023 den Deutschen Gründerpreis erhalten hat. Das Unternehmen hat eine Plattform entworfen, die es Landwirten leichter machen soll, auf regenerative Landwirtschaft umzustellen und der Lebensmittelindustrie helfen soll, die Zukunftsfähigkeit ihrer Lieferketten zu sichern.
Das Start-up stellt umstellungswilligen Landwirtinnen und Landwirten einen digitalen Begleiter in Form von Videokursen zur Seite, bietet individuelle Fachberatung und Austausch mit anderen Landwirten an. Zudem zahlt Klim den Betrieben pro Tonne gespeichertem CO2 einen Betrag. Finanziert wird das durch Lebensmittelunternehmen, -Händler und -Hersteller, mit denen Klim kooperiert. Das Start-up arbeitet eigenen Angaben zufolge bereits mit über 3.700 Betrieben zusammen.
„Die Lebensmittelindustrie möchte auf die regenerative Landwirtschaft umstellen, aber weiß oft nicht, wie sie ihre ambitionierten Ziele ohne Unterstützung erreichen kann", sagt Co-Gründer Dr. Robert Gerlach. „Wir ermöglichen die Umstellung der eigenen Lieferkette auf skalierbare Weise.“ Die regenerative Landwirtschaft ist für Klim sowohl mit der konventionellen als auch mit der ökologischen Landwirtschaft kompatibel. „Je mehr Stakeholder mitmachen – ob es die Lebensmittelindustrie ist, ob es die Regierung ist, die die Regulatorik setzt, ob es Konsumenten sind, die ein Bewusstsein dafür erreichen, oder eben Landwirte – desto besser für die gesamte Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft“, sagt Gerlach.
Edeka Südwest mit großen Ambitionen
Kürzlich hat Klim eine Partnerschaft mit der DKB bekanntgegeben, einer der größten Landwirtschaftsbanken Deutschlands. Das Start-up setzt mit den landwirtschaftlichen DKB-Kunden Maßnahmen für Klima- und Biodiversitätsschutz um, welche von der Bank vergütet werden.
Gemeinsam mit Edeka Südwest arbeitet Klim daran, die Erzeugerbetriebe zur CO2-Reduzierung zu animieren. „Am Projekt sind bereits heute 18 Erzeugerbetriebe, die für unsere Regionalmarke ,Unsere Heimat – echt & gut' Obst und Gemüse liefern, […] beteiligt“, teilte eine Pressesprecherin von Edeka Südwest mit. „Durch den Wissensaustausch und die Vernetzung der Projektpartner untereinander sollen bis 2027 einhundert unserer regionalen Erzeugerbetriebe im Bereich Obst und Gemüse dauerhaft in das Projekt integriert werden.”
Im ersten Projektjahr 2022 wurden laut Unternehmenswebseite bereits 672 Tonnen CO2-Emissionen eingespart, was die seinerzeit fünf teilnehmenden Betriebe durch Maßnahmen wie das Anlegen von Blühstreifen, den Einsatz von Pflanzenkohle, die Anwendung regenerativer Methoden wie Untersaaten, die Umstellung auf nachhaltigere Energiequellen oder die Reduktion mineralischer Dünger durch Humusaufbau erreicht haben. Edeka Südwest sieht in diesem Projekt eine Möglichkeit, „den Ausstoß von Treibhausgasen weiter zu reduzieren“, so eine Pressesprecherin.
Drei Fragen zur regenerativen Landwirtschaft
Herr Krämer, worin unterscheiden sich ökologische und regenerative Landwirtschaft?
Die ökologische Landwirtschaft ist heute rechtlich definiert, die regenerative Landwirtschaft hingegen nicht. Einer der weiteren Unterschiede zwischen den beiden Landwirtschaftsweisen liegt darin, dass die ökologische Landwirtschaft beim Ackerbau Pflüge einsetzt und im Weidemanagement die Standweide vorkommen kann. Bei Landnutzerinnen und -nutzern, die sich selbst als regenerativ identifizieren, ist dies nicht mehr der Fall.
Welche Vorteile bietet regenerative Landwirtschaft?
Für Landwirtinnen und Landwirte bietet es die Chance, sich durch die Entdeckung der Bodenbiodiversität als zentralem landwirtschaftlichen Produktionsmittel […] an den Klimawandel anzupassen, zu dessen Abschwächung beizutragen und regionale Stoffkreisläufe zu schließen. Außerdem können so betriebliche Kostenstrukturen verbessert und Abhängigkeiten (z.B. von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden, Kraftstoffen oder Futtermittelsubstituten) abgebaut werden. Gleichzeitig kann so die Wertschätzung der eigenen Arbeit und deren Produkte gesteigert werden.
Die regenerative Landwirtschaft bietet großartige Möglichkeiten, den Öko-Impact und die Resilienz der Landwirtschaft entscheidend zu verbessern. Darüber hinaus bietet sie auch neuartige ergebnisorientierte Fördermöglichkeiten, die sowohl öffentliche als auch private Akteure viel intensiver nutzen sollten, um Landwirtinnen und Landwirte durch Finanzierung, Planungssicherheit und Bürokratieabbau die Transformation zu erleichtern.
Wie weit ist regenerative Landwirtschaft bislang in Deutschland verbreitet?
In Deutschland gibt es beeindruckende Pioniere der regenerativen Landwirtschaft in allen landwirtschaftlichen Betriebstypen und Regionen. Aus diesen Keimzellen der landwirtschaftlichen Innovation verbreitet sich regenerative Landwirtschaft langsam. Nach Roger’s ‚Theory of innovation‘ schätze ich, dass wir im Moment im Feld der ‚early adopters‘ sind – also maximal 16 Prozent der deutschen Landnutzerinnen und -nutzer zurzeit versuchen die regenerative Landwirtschaft integer in ihre agronomische Praxis zu integrieren.
Kommentare
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Lieber Christoph Höfflin,
danke für den Hinweis. Wir haben diesbezüglich noch einmal bei Lidl nachgefragt und folgende Antwort erhalten:
"Zu Beginn des Programms Ein gutes Stück Bayern waren deutlich mehr als die aktuell ca. 50 Landwirte beteiligt (ca. 250). Da die Anforderungen über die Zeit gestiegen sind, hat sich die Anzahl der Landwirte im Laufe der Zeit verringert. Daher stimmt diese vereinfachte Rechnung nicht und der durchschnittliche ausgezahlte Betrag pro Hof ist geringer." Wir haben diese Information auch im Text ergänzt.
Beste Grüße
Die Redaktion
klimaflaggschiff klimaeffiziente milch . 50 betriebe sind dabei ,26,4 millionen€ ausgeschüttet. was stimmt da nicht? oder hat etwa jeder betrieb 500.000,-€ bekommen.