Biohandel

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Herstellerporträt Verrano

Wie ein Start-up das Glück an der Wurzel packt

Das Frankfurter Start-up Verrano will mit seinem geräucherten Wurzelgemüse groß rauskommen. Dabei hilft ihnen ein Öko-Urgestein: Volker Schmidt-Sköries, der Gründer von Biokaiser.

Zufälle gibt es nicht, behaupten manche Leute. Im Fall des Start-ups Verrano müssten sie dann zumindest von Glücksfällen sprechen. Denn die drei Gründer, Manuel Siskowski, Felix Linnenschmidt und Maximilian Bubenheim, haben es nicht nur geschafft, ihr geräuchertes Wurzelgemüse zur Marktreife zu entwickeln. Sie haben auch Menschen gefunden, die wie sie daran glauben, dass man damit groß rauskommen kann.

Der größte Glücksfall von allen ist dabei Volker Schmidt-Sköries. Der Bio-Pionier und Gründer der Bäckereikette Biokaiser steht an diesem Abend in seiner neuen Filiale am Oeder Weg in Frankfurt und begrüßt drei Dutzend geladene Gäste. Er spricht aber nicht – wie sonst auf vielen Podien – über Wirtschafts-Ethik. Stattdessen moderiert er das erste Verrano-Tasting an.

„In den Siebzigerjahren waren wir auch ein Startup. Damals hieß das noch Alternativbewegung“, sagt Schmidt-Sköries. Als „ÖkoUrgestein“, wie er sich selbst nennt, hat er ein großes Herz für Nachwuchs-Unternehmer und deren Bio-Ideen.

Kennengelernt hat er die drei jungen Männer bei der „Impact Week“ 2022 in Frankfurt, einem Treffpunkt für Investoren, Unternehmer und Gründer. Dort hatte das Verrano-Trio spontan fünf Minuten Redezeit auf der Bühne bekommen, um seine Räucher-Gemüse-Idee zu präsentieren. Die war vage, vorzeigbare Produkte gab es längst noch nicht. Der Funke sprang trotzdem über. „Es hat sich so ergeben, dass wir uns mögen“, erinnert sich Schmidt-Sköries. Er steckte dem Verrano-Team seine Visitenkarte zu. „Meldet euch, wenn ihr was habt.“

Überzeugungsarbeit aus der Tupperdose

Als sie Schmidt-Sköries schließlich anriefen, lud er Felix Linnenschmidt ein, ihn auf einer Autofahrt in die Schweiz zu begleiten, wo der Unternehmer einen Vortrag an der Universität St. Gallen halten sollte.

Felix hatte sich auf den Trip vorbereitet. „Unser Produkt erklärt sich am besten beim Probieren“, erzählt der 32-Jährige. Statt des Businessplans hatte er deshalb eine Tupperdose voller Stullen dabei – belegt mit geräucherter, fein aufgeschnittener Roter Bete, Steckrübe und Sellerieknolle. Das schmeckte dem Grandseigneur des Bio-Bäckereiwesens. Sein Fazit am Ende der Reise lautete: „Wir machen was zusammen.“

Schmidt-Sköries bot an, die Verrano-Produkte in seiner damals noch nicht eröffneten Filiale am Oeder Weg in Frankfurt zu verkaufen. Und er ließ den Produktentwickler von Biokaiser, den das Verrano-Team ehrfürchtig „Snack-Papst Pedro“ nennt, Stullen mit geräuchertem Wurzelgemüse kreieren. Diese belegten Backwaren werden seit der Eröffnung der Filiale im September 2023 dort verkauft.

Kein Luxus-, sondern ein Naturprodukt

Bevor es soweit war, hatte der gelernte Koch Maximilian, 32 Jahre alt, schon drei Jahre lang mit Wurzelgemüse experimentiert. Maximilians Idee war es nicht, einen Fleischersatz zu erfinden, sondern ein eigenes Lebensmittel. Kein Luxus-, sondern ein Naturprodukt, das mit fünf Zutaten auskommt. „Die Zeit und das Verfahren bringen den Geschmack“, erklärt Maximilian. „Die Bitterkeit muss raus aus dem Gemüse, das Umami-Aroma rein.“ Geräuchert wird nach dem „Clean Smoke“-Verfahren. Dabei werden unbehandelte Sägespäne verbrannt. Der entstehende Rauch wird mit Trinkwasser und Filtern gereinigt. Das im Wasser verbleibende Rauchkondensat wird dann zum Räuchern verwendet.

Der Räucher-Aufschnitt wird in der Biokaiser-Filiale auch abgepackt verkauft: 80 Gramm zu 2,99 Euro. Ihn aufs Brot zu legen ist aber nur eine von vielen Verwendungsmöglichkeiten. Beim Tasting hobelt Maximilian den Verrano-Sellerie auch über Pasta. Außerdem verwendet er die Würfel, die aus den Endstücken der Gemüse-Knollen hergestellt werden, als Topping für eine Pizza.

Hier sieht das Team seine Chance, die veganen Produkte groß rauszubringen: Gastronomen, Caterer, Hersteller von Tiefkühlpizza – sie alle könnten das Räuchergemüse vielseitig verwenden

Viel Hilfe von den „Bios“

Zum Tasting sind Vertreter dieser Zielgruppen gekommen: Der Leiter einer Schweizer Restaurantkette, die gerade ihre erste Filiale in Deutschland eröffnet hat; ein Frankfurter Caterer; das Team eines benachbarten Pop-up-Restaurant; eine vegane Podcasterin; eine Vertreterin von Followfood und die Leiterin eines Ladens, der zu einem veganen Frankfurter Hotel und Restaurant gehört. Auch Leute aus der BioBranche sind dabei – Freunde von Volker Schmidt-Sköries, die vorbeischauen.

Die Herzlichkeit, Begeisterungsfähigkeit und Hilfsbereitschaft, die die Gründer hier erleben, zieht sich durch die blutjunge Geschichte des Unternehmens. „Die Bios sind echt offen“, sagt Manuel Siskowski. Ihm und seinen Mitgründern wurde viel Vertrauen entgegengebracht. Auch von Michael Spahn, Inhaber der deutschlandweit ersten veganen Metzgerei. Bei ihm hatten die Gründer sich auf der Suche nach einer Produktionsstätte vorgestellt.

„Es läuft einfach zu gut, um nicht weiterzumachen.“

Manuel Siskowski, Verrano-Gründer

Die Verkostung aus der bewährten Verrano-Tupperdose genügte dem Metzgermeister als Referenz. Er gab ihnen den Schlüssel zu seiner Metzgerei in Frankfurt und die Erlaubnis, dort in Randzeiten zu produzieren.

Erfahrung mit dem Zubereiten von Lebensmitteln hatte zu Beginn nur Maximilian. Manuel ist Betriebswirt mit eigener 3-D-Druck-Firma, Felix ist Maschinenbauer, der für einen Ingenieur-Dienstleister arbeitet. Alle haben die Wochenstunden in ihren Jobs zugunsten von Verrano reduziert. „Es läuft einfach zu gut, um nicht weiterzumachen“, sagt Manuel.

Nach dem Angebot von Schmidt-Sköries, Verrano Produkte in der Biokaiser-Filiale anzubieten, kauften die drei Gründer 20 Kilo Gemüse auf dem Wochenmarkt – und merkten schnell, dass sie größer denken müssen. Also auf zum Großmarkt. „Wir hatten absolut keine Ahnung“, gesteht Manuel. Beim ersten Versuch war er um 6.30 Uhr bei den Händlern und damit viel zu spät dran – die Profis kommen Stunden früher.

Der 34-Jährige schildert, wie er sich zum Wurzelgemüse durchfragte. In einer Ecke sortierte er aus Kisten die größten Knollen aus. Denn die sind es, die Verrano braucht. Als der Verkäufer das sah, gab‘s Ärger. Denn die Kisten waren allesamt exakt abgewogen, bereit zum Verkauf.

Inzwischen bezieht das Start-up sein Gemüse vom Familienunternehmen Ackerlei aus dem hessischen Bruchköbel. 200 Kilo Räucher-Gemüse kommen zurzeit im Monat zusammen. 50 Tonnen pro Jahr sollen es bald sein, wenn Verrano die eigene Produktionsstätte bezogen hat. Die Suche danach läuft auf Hochtouren. Ebenso wie die nach einem Partner in der Lebensmittelindustrie, der große Mengen abnimmt und Verrano so eine Grundauslastung ermöglicht.

Die Reaktionen bei den Verkostungen seien überwältigend, berichten die drei Jungunternehmer. Immer montagsnachmittags schneiden sie die geräucherten Knollen in der offenen Küche bei Biokaiser auf, und die Kunden dürfen zuschauen und probieren. Noch so ein Glücksfall: „Das ist wie eine kostenlose Marktforschung. Wir sehen direkt, wie das Produkt ankommt“, sagt Felix. Auch beim Tasting an diesem Abend sind die Gäste begeistert von den vielseitigen Verrano-Kreationen.

Die einzige vernichtende Kritik kam ausgerechnet von Manuels Großmutter. „Ach Junge“, habe sie bedauernd geseufzt, als der Enkel ihr eine Verrano-Spezialität zum Probieren mitbrachte. „Es gibt doch so leckere Sachen mit Wurst!“

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