Eine Zeitlang sah es nicht gut aus für die Naturkornmühle Werz. Gestartet als eine der ersten Vollkornbäckereien hatte sich der Pionier mit glutenfreiem Bio-Gebäck und glutenfreien Bio-Lebensmitteln ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Doch die Übergabe des Familienunternehmens an die Nachfolgegeneration verlief unglücklich.
Nachdem sich Gründer Karl-Otto Werz 2015 mit Mitte 70 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatte, übernahm zunächst Sohn Martin die Verantwortung für das Unternehmen. Als dieser krank wurde, folgten zwei weitere Geschäftsführer, die jeweils nur kurz blieben. Tochter Annette, seinerzeit alleinige Gesellschafterin, unterstützte als Prokuristin.
2021 schließlich musste die Familie aufgrund einer finanziellen Schieflage eine gerichtliche Restrukturierung in Eigenverwaltung beantragen, um sich bei laufendem Geschäftsbetrieb neu aufzustellen. Anders als in einem regulären Insolvenzverfahren bleibt dabei die unternehmerische Verantwortung in den Händen der Geschäftsführung, die die Sanierung selbst steuert. Seither hat sich viel getan.
Aufbruchstimmung nach Restrukturierung
Zwei neue Chefs geben jetzt die Richtung vor. Der Ulmer Anwalt Michael Winterhoff, Spezialist in Sachen Sanierung und Restrukturierung, setzt schon seit Mitte vergangenen Jahres als Geschäftsführer seine Kräfte ein, um das Unternehmen aus der Krise zu führen. Seit Januar teilt er sich die Leitung bei Werz mit Björn Semjan, Geschäftsführer einer Beteiligungsgesellschaft und mehrerer IT-Unternehmen.
Und Björn Semjan tat noch deutlich mehr: Er gründete gemeinsam mit dem Ulmer Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Alexander Grohe eine weitere Beteiligungsgesellschaft, die Bionovum GmbH. Diese hält 80 Prozent der Anteile an der Werz Verwaltungs GmbH, der persönlich haftenden Gesellschafterin der Werz Naturkornmühle GmbH & Co. KG. Annette Werz verfüge noch über 20 Prozent der Anteile, berichtet Semjan. Sie beteilige sich aber nicht mehr am operativen Geschäft.
Der Plan zur Restrukturierung des Unternehmens ist einstimmig von den Gläubigern angenommen worden, das Eigenverwaltungsverfahren ist inzwischen nach gerade mal einem halben Jahr abgeschlossen. Die Geschäftsführer haben sich mit den Gläubigern geeinigt und die dabei vereinbarte Summe bezahlt. Damit ist die Werz Naturkornmühle wieder voll aktionsfähig.
Dass sich etwas bewegt hat bei Werz, zeigt das grundlegend überarbeitete moderne Branding. Neue Farben lassen auf den Verpackungen die jeweiligen Produktkategorien auf einen Blick erkennen. Eine neue Produktbroschüre ist bereits erschienen. Geplant sind außerdem ein zeitgemäßer Web- und Onlineshop-Auftritt, die Einbindung sozialer Medien, ein Imagefilm.
Auch an der Produktpalette wird gearbeitet. „Wir haben das Portfolio auf unter 100 Produkte verkleinert“, berichtet Michael Winterhoff. Nur die beliebtesten durften bleiben. Im Gegenzug steht mit Pops aus 70 Prozent glutenfreiem Maisgrieß, leicht gesüßt mit Reissirup, ein erstes Neuprodukt am Start. „In den nächsten Jahren wollen wir das Portfolio erweitern“, kündigt Björn Semjan an. Er könne sich etwa Fruchtschnitten vorstellen. Oder Kaffee.
Veränderungen beim Personal setzen ebenfalls Zeichen für einen Neustart. Luisa Lindel, die bei der Naturkornmühle Werz als Produktentwicklerin eingestiegen war, leitet nun die Produktion. Darüber hinaus hat die 27-Jährige als Prokuristin zusätzliche Verantwortung übernommen. Mit Marcus Bühler ist zudem ein neuer Vertriebsleiter an Bord.
Internationalisierung im Blick
„Wir werden das Unternehmen digitalisieren und automatisieren“, plant Björn Semjan. Den Manufaktur-Charakter wolle man zwar beibehalten. Aber bei der Verpackung laufe noch zu viel in Handarbeit.
Auch an der Nachhaltigkeit soll
weiter geschraubt werden. Semjan möchte das zum Unternehmen gehörende Wasserkraftwerk
ausbauen und modernisieren. Sein Ziel: „in zwei Jahren eine komplett CO2-freie
Produktion.“
Vor kurzem waren die beiden neuen Werz-Geschäftsführer in Italien unterwegs. Denn auch die Internationalisierung des Unternehmens steht auf dem Plan. Und noch eine Ankündigung präsentiert Björn Semjan: „In den nächsten fünf Jahren wollen wir die Schwelle von zehn Millionen Euro Jahresumsatz überschreiten“.
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