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Was Kunden wollen: Mit Marktforschung die richtigen Entscheidungen treffen

In Krisenzeiten überlegt sich die Kundschaft genau, was sie einkauft. Umso wichtiger ist es da, die richtigen Produkte zu entwickeln und ins Regal zu stellen. Marktforschung kann zwar nicht hellsehen – aber helfen, teure Ladenhüter zu vermeiden.

Fehlentscheidungen können einem Unternehmen teuer zu stehen kommen – sei es, dass ein neues Produkt am Geschmack der Kundschaft vorbeigeht und nicht gekauft wird, sei es, dass die Sortimentsauswahl im Laden nicht so ankommt, wie erhofft. Läuft es ansonsten gut, wie in der Pandemie-Zeit, lässt sich so ein Verlust an anderer Stelle wieder auffangen. Doch wenn in Krisenzeiten mehr aufs Geld geschaut wird und Kunden schwerer von neuen Produkten zu überzeugen sind, kann eine Fehlentscheidung kritisch bis existenzgefährdend sein. Was also tun, um das Risiko möglichst gering zu halten?

Um die Wünsche und Bedürfnisse der Kundschaft möglichst gut einschätzen zu können, bietet die Marktforschung verschiedene Möglichkeiten an – im Großen wie im Kleinen.

Trends und Marktentwicklungen ablesen

„Marktforschung will in die Zukunft schauen, das kann man aus verschiedenen Blickwinkeln tun“, erklärt Fabian Ganz vom Marktforschungs-Unternehmen bioVista, das seit fast zwei Jahrzehnten mit Bio-Herstellern und dem Fachhandel zusammenarbeitet. Die Idee zu bioVista entstand damals aus den sogenannten Erfa-Gruppen von Klaus Braun heraus, „weil man einfach nicht wusste, wie groß der Markt für Bio überhaupt ist“, so Ganz.

Natürlich könne man die Kunden direkt befragen, um herauszufinden, was sie wollen. „Aber man weiß nicht, ob sie danach auch wirklich so handeln“, gibt Ganz zu bedenken. Daher wertet bioVista Daten aus, die auf tatsächlichen Käufen beruhen – blickt also eher zurück als in die Zukunft, denn man kann natürlich nicht vorhersehen, ob das Kaufverhalten morgen immer noch so ist oder sich verändert.

Aus den Daten, die bioVista aus den Warenwirtschaftssystemen der Läden erhebt, lassen sich Trends und Marktentwicklungen ablesen, wie etwa Umsatzentwicklungen zu Sortimenten, Marken, Preisen und so weiter. Wer sehen möchte, wie sich etwa Kaffee im Bio-Fachhandel entwickelt hat, welches die Top-Seller sind und zu welchen Preisen diese angeboten werden, ist bei bioVista richtig.

„Das gute Bauchgefühl eines Einzelhändlers wird man nie ersetzen können.“

Fabian Ganz, bioVista

Die Läden, die bioVista die Zahlen aus ihren Warenwirtschaftssystemen zur Verfügung stellen, haben im Gegenzug freien Zugang zu den daraus erhobenen Daten. „Das gute Bauchgefühl eines Einzelhändlers wird man nie ersetzen können“, so Ganz. Aber die Läden können mit Hilfe der Daten ihr Sortiment besser an aktuelle Entwicklungen anpassen, indem sie ihre Sortimente mit Läden ähnlicher Größe vergleichen und sich Marken und Artikel ins Regal stellen, die von der Kundschaft besonders stark nachgefragt werden.

Für Hersteller liefern die Abverkaufszahlen ebenfalls wichtige Einblicke in aktuelle Trends und dienen der Marktbeobachtung, etwa, wie die Top-Seller der Wettbewerber laufen oder wie sich die Preise in ihrem Segment entwickeln. „Diese Daten werden dann in den Strategie-Meetings genutzt“, weiß Fabian Ganz. Zwar haben die meisten Firmen einen Außendienst, der im engen Austausch mit dem Einzelhandel und dem Großhandel steht und auch hier wichtige Hinweise erhält. Dennoch kann ein Blick auf die nüchternen Zahlen vor Fehleinschätzungen bewahren.

Ganz nennt ein Beispiel aus der Praxis: Ein Hersteller von Tomatensaucen wurde gefragt, warum er denn nicht auch mal einen Ketchup entwickeln würde. Eigentlich keine schlechte Idee. Nachdem sich die Verantwortlichen aber angesehen hatten, wie groß der Markt für einen neuen Ketchup tatsächlich wäre, nahmen sie von der Entwicklung des neuen Produktes Abstand – und wurden so vor einer teuren Fehlentscheidung bewahrt.

Eigene Ressourcen nutzen

Unternehmen nutzen aber auch ihre eigenen Ressourcen und den direkten Draht zu den Verbrauchern, um im Vorfeld einer Produktentwicklung Marktforschung zu betreiben. Ein Beispiel dafür ist Salus. Vor einigen Jahren lud der Hersteller zwölf Kundinnen und Kunden zu einer Tee-Werkstatt ein, einem dreitägigen Workshop, auf dem diese aus 117 verschiedenen Rohstoffen ihre eigenen Lieblings-Tees kreieren konnten.

Bevor es ans Mischen von Kräutern und Gewürzen ging, tauchten die Teilnehmer bei einer Betriebsführung in die Welt der Teeherstellung ein. So erfuhren sie einiges über Anbau und Weiterverarbeitung der Kräuter, Früchte und Gewürze. Am Ende des Workshops waren fünf neue Tee-Sorten nach den verschiedenen Geschmäckern der Kundinnen und Kunden entstanden, die sich sehr begeistert von dem Projekt zeigten: „Die Teewerkstatt hat mir sehr viel Freude bereitet und gerade das Hintergrundwissen über die Kräuter und Heilpflanzen macht das Kaufen und Trinken von verschiedenen Teesorten viel interessanter. Außerdem war auch der Einblick in die Produktion und in den Kräutergarten sehr inspirierend. Insbesondere die Nachhaltigkeit in allen Produktionsschritten hat mich von ganzem Herzen überzeugt, Chapeau!“, so das Resümee einer Teilnehmerin.

Mitarbeitende einbeziehen

Sonja Epp, verantwortlich für das Produktmanagement Tee bei Salus, ist ebenfalls noch immer angetan von dem Projekt: „Das Konzept, die Tees mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern direkt zu entwickeln, war super“, sagt sie. Eine Neuauflage sei im Moment allerdings nicht geplant.

Stattdessen setzt man bei Salus im Rahmen der Produktentwicklung nun auf die Meinung der eigenen Belegschaft. Von den insgesamt rund 400 Salus-Mitarbeitenden gehören den internen Verkostungs-Panels bis zu 60 Personen an. Die Panels setzen sich immer wieder aufs Neue aus unterschiedlichen Teilnehmenden zusammen. „Das sind Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen von Salus – vom Gärtner, über die Buchhaltung bis hin zu Mitarbeitern aus dem Labor“, erklärt Sonja Epp. So spiegeln die hauseigenen Tester eine möglichst breite Geschmacksvielfalt der Endverbraucher wieder.

Regelmäßig treffen sich die Teilnehmenden, um die neuesten Tee-Kreationen zu probieren und ihre Meinung dazu abzugeben. Die Ergebnisse zeigen dann der Produktentwicklung, ob sie mit den geplanten Neuheiten richtig liegt. Doch bei Salus geht man durchaus auch andere Wege, um sich im Vorfeld die Meinung der Kundschaft einzuholen, sagt Sonja Epp: „Bei anderen Produktlinien gibt es auch externe Befragungen“.

Gezielte Kundenbefragungen

Individuelle Marktforschung mit engagierten Bio-Konsumentinnen und -Konsumenten bietet „biopinio“, ein App-basiertes, flexibles Forschungstool des bio verlags, der unter anderem den BioHandel und das Kundenmagazin Schrot&Korn herausgibt. Das biopinio-Panel ermöglicht sowohl standardisierte, vergleichbare oder aber individuell maßgeschneiderte Befragungen“, wie Ansgar Deelmann, Teamleiter Marktwissen beim bio verlag, betont.

Es ist für diverse Fragestellungen geeignet: Etwa, wenn ein Hersteller wissen möchte, wie ein Produkt beim Konsumenten wahrgenommen wird. Oder er möchte mehr Informationen über die Kaufmotive für bestimme Produkte erhalten, oder ein Unternehmen steht vor der Frage, welches Verpackungsdesign die Kundschaft besser anspricht. „Dann kommt biopinio zum Einsatz, und hilft Unternehmen und Verbänden, mehr über den Bio-Markt aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten zu erfahren“, so Deelmann. Und weiter: „Auf diese Weise können Unternehmen Entscheidungen, die beispielsweise im Rahmen eines Marken-Relaunchs oder einer Produkt-Neueinführung stehen, auf eine fundierte Basis stellen“.

Marktforschung beim bio verlag

Seit vielen Jahren bietet der bio verlag Marktforschung für Bio-Händler sowie -Hersteller an und führt selbst eine Reihe von Standard- sowie Ad-hoc-Studien mit eigenen Marktforschungstools durch.

Einmal im Jahr bewertet die Leserschaft von Schrot&Korn die „Besten Bio-Läden“ des Jahres in vier Größenkategorien und anhand von sieben Kriterien. „Das Feedback der Teilnehmenden der Leserwahl soll den Bio-Fachhändlern aufzeigen, was Stamm- und Gelegenheitskäufer an ihren Läden verbessern würden und was sie besonders schätzen“, erklärt Ansgar Deelmann. Hersteller wiederum haben im Rahmen der Leserwahl die Möglichkeit, sich als Unterstützer des Fachhandels zu präsentieren.

Bei „Bestes Bio“ ist ebenfalls die Leserschaft von Schrot&Korn gefragt. In dieser Kundenbefragung probieren die Verbraucherinnen und Verbraucher verschiedenste Bio-Produkte aus und bewerten sie anhand unterschiedlichster Kriterien. Dazu reichen Hersteller ihr Produkt ein und erhalten eine Rückmeldung und wertvolles Feedback zu ihren Produkten direkt aus ihrer Zielgruppe. „100 Bio-Kundinnen und -Kunden pro Produkt beurteilen es nach Kriterien wie beispielsweise bei Lebensmitteln nach Geruch, Geschmack, Zusammensetzung und Verpackung“, so Deelmann.

Schrot&Korn-Kundenumfrage

Via Instagram, E-Mail und ganz persönlich im Hösbacher Bio-Laden „Bio3erlei“ fragte die Schrot&Korn-Redaktion die Kundschaft: Was muss bei Ihnen Bio sein? Es zeigt sich: Bei Lebensmitteln – vor allem bei Obst und Gemüse – gehen die wenigsten Kompromisse ein, einige gehen aber auch noch viel weiter. Hier eine Auswahl der Antworten aus der Dezember-Ausgabe von Schrot&Korn.

  • „Bei mir müssen unbedingt Lebensmittel Bio-Qualität haben. Da finde ich vor allem auch die Backwaren ganz wichtig, für mich am besten in Vollkorn. Auch Gemüse und Obst müssen das Bio-Siegel tragen.“ Inge Kaupp
  • „Lebensmittel auf jeden Fall, Kleidung kaufe ich überwiegend gebraucht. Kerzen und Kosmetik kaufe ich auch Bio. Wo ich nicht auf Bio achte: Wenn ein neues veganes Produkt auf den Markt kommt. Aber selbstverständlich nur, wenn es keine künstlichen Aroma- und Konservierungsmittel enthält.“ karo_elisa.wolf bei Instagram
  • „Im Grunde muss für mich alles Bio oder ökologisch vertretbar sein. Grundsätzlich all meine Lebensmittel (auch im Restaurant) und dabei am besten von einem der glaubwürdigen Anbauverbände (Demeter, Naturland oder Bioland) stammen. Zusätzlich achte ich auf Naturkosmetik. Bei Bekleidung bin ich bestrebt, meine bestehende so lange wie möglich zu tragen und fülle bei Bedarf mit ökologischer Kleidung auf.“ Christopher Fischer, per E-Mail
  • „Bei mir müssen alle Lebensmittel Bio sein. Ansonsten baue ich auch selbst Gemüse zuhause an. Alle restlichen Zutaten hole ich dann im Bioladen.“ Regina Schmitt
  • „Klamotten gehe ich ab und an Bio einkaufen, da gibt es hier einen ganz tollen Laden. Lieber weniger gekauft, aber gute Qualität. Bei Bio-Lebensmitteln lege ich vor allem Wert auf Obst und Gemüse. Beim Reisen ist es auch der Kostenfaktor, auf den ich achte. Natürlich würde ich auch da gerne auf Nachhaltigkeit achten.“ Carolin Riehemann

Anzeigen unter der Lupe

Die Wahl der Lieblingsanzeige wiederum ist ein Werbewirkungstool. Sie macht die Leserinnen und Leser von Schrot&Korn zur Jury, die darüber urteilt, wie eine Anzeigen-Kampagne bei der Zielgruppe ankommt. „Die Ergebnisse der Leserwahl spiegeln, welche Anzeigen in Konzept, Gestaltung und Tonalität die Leserschaft erreichen. Persönliche Statements der Teilnehmenden liefern einen Einblick, wie die Anzeigen wirken und welche Emotionen sie hervorrufen“, erklärt Ansgar Deelmann.

Wie Marken ankommen

Mit dem „marken3klang“ schließlich bietet der bio verlag Akteuren der Biobranche, wie Naturkostherstellern und Verbänden, hersteller- und wettbewerbsorientierte Marktdaten an. Basis ist die Befragung von Bio-Konsumenten im Rahmen einer Leserbefragung. Bewertet werden Marken-Bekanntheit, Marken-Sympathie und Marken-Verwendung.

All diese Beispiele zeigen: Es braucht gar keine Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen. Die Marktforschung bietet für kleine Läden wie auch große Hersteller-Firmen eine große Bandbreite an Möglichkeiten, Entscheidungen von morgen so gut wie möglich abzusichern.

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