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Warnung vor Lieferengpässen

Warum der EU-Bio-Markt für Kleinbauern bald nicht mehr attraktiv sein könnte

Ab 2025 gelten die Regelungen der aktuellen EU-Bio-Verordnung auch für Rohwarenimporte aus Nicht-EU-Ländern. Warum das betroffene Öko-Bauern und -Importeure vor große Herausforderungen stellt und die Branche einen Aufschub fordert.

Die Umsetzung des europäischen Bio-Rechts leidet an einer chronischen Verschlepperitis. Die erste Verordnung aus dem Jahr 1991 wurde 2007 durch eine neue ersetzt und ab 2009 angewendet. Das letzte Upgrade 2018/848 wurde 2018 veröffentlicht, seine Anwendung zunächst für 2021 geplant und dann Corona-bedingt auf 2022 verschoben.

Allerdings: Für Bio-Importe aus Drittländern gilt noch bis Ende 2024 die Vorgängerversion aus 2007 mit ihr konnten Betriebe in Drittländern mit einem als gleichwertig anerkannten Standard durch Kontrollstellen bio-zertifiziert werden. Das bedeutet konkret, dass die EU-Kommission entschieden hat, welche Vorgehensweisen der jeweiligen Drittländer den europäischen Bio-Ansprüchen genügen.

Neue Anforderungen an Erzeugergruppen

2025 soll sich das ändern: Denn dann wird die EU-Bio-Verordnung 2018/848 auch in Drittländern gelten, um Betrugs- und Qualitätsrisiken vorzubeugen.

Besonders Produkte wie Kaffee, Tee, Kakao oder Bananen werden häufig von Erzeugergruppen in Drittländern produziert. Auf viele von ihnen kommen mit den EU-Regelungen teils drastische Veränderungen zu:

  • Die maximale Gruppengröße wird auf 2.000 Mitglieder beschränkt.
  • Jedes Mitglied darf maximal fünf Hektar Land bewirtschaften oder einen Jahresumsatz von höchstens 25.000 Euro haben.
  • Alle Gruppen müssen als juristische Person registriert sein (z.B. als GmbH, Genossenschaft o.ä.).
  • Es dürfen nur noch Bio-Bauern in einer Gruppe sein.
  • Bei externen Kontrollen müssen mindestens fünf Prozent der Bauern besucht werden.

Jochen Neuendorff ist Geschäftsführer der Öko-Kontrollstelle Gesellschaft für Ressourcenschutz mbH (GfRS). Er weiß, wie schwierig diese Anforderungen in einigen Ländern umzusetzen sind: „Besonders in Afrika sind Gruppen mit vielen Tausend Mitgliedern bis heute keine Ausnahme. Diese Strukturen zu ändern ist nicht einfach. Auch wegen historischer Gründe gibt es Probleme: In Drittländern mit sozialistischer Vorgeschichte tun sich Kleinbauern schwer damit, eine „Kooperative“ oder „Genossenschaft“ zu gründen.“

Dass sowohl die Hektar- als auch Umsatzgrenze zu Problemen führen kann, bestätigt Kleber Cruz Garcia, Kaffee-Einkaufsmanager bei Gepa: „Für unseren Handelspartner Asoprosan aus Honduras stellt diese Regelung ein Problem dar, da über 70 Prozent der Mitglieder mehr als fünf Hektar Land haben. Außerdem bewirken höhere Preise auf dem Weltmarkt, dass die 25.000 Euro Grenze schnell überschritten wird.“

Neue EU-Verordnung für Importe ab 2025: Welche Länder sind betroffen?

  • Die Bio-Standards der Länder Argentinien, Australien, Kanada, Costa Rica, Indien, Israel, Japan, Tunesien, Korea, Neuseeland und USA werden aktuell noch von der EU-Kommission als gleichwertig anerkannt. Achtung: Auch diese Regelung läuft nur noch bis Ende 2026.
  • Für Import aus den Ländern Chile, Schweiz und Vereinigtes Königreich, mit denen entsprechende Handelsabkommen bestehen, ändert sich vorerst nichts.
  • Gruppen und Betriebe in Nicht-EU-Ländern, mit denen weder ein Handelsabkommen noch eine gleichwertige Anerkennung der Bio-Standards besteht, müssen sich voraussichtlich bis 15. Oktober 2025 nach den neuen Regeln zertifizieren lassen.

Zertifizierungskosten werden steigen

Hat ein Erzeuger zu viel Fläche, droht die Einzelzertifizierung. Die Kosten dafür belaufen sich laut Angaben von Gepas Handelspartnern auf etwa 5.000 US-Dollar – zuzüglich zum bürokratischen Aufwand einer Zertifizierung.

Ähnliche Zahlen liefert auch das Forschungsinstitut für Ökologischen Landbau (FiBL). In einer Studie hat das Institut die Auswirkungen der aktuellen EU-Bio-Verordnung auf kleinbäuerliche Lieferketten aus Entwicklungs- und Schwellenländern untersucht. Demnach erwartet fast die Hälfte der betroffenen Gruppen, dass die Zertifizierungskosten um 50 bis 200 Prozent steigen werden. 32 Prozent der Befragten gaben an, dass sie interne Kostensteigerungen von 50 bis 100 Prozent erwarten, um künftig weiterhin als EU-Bio-konform zu gelten.

„Große Plantagen werden es leichter haben, die neuen Regelungen umzusetzen.“

Eva Kiene, Rapunzel

In der Konsequenz erwartet Eva Kiene, Pressesprecherin von Rapunzel, dass der europäische Markt für Kleinbauerngruppen zunehmend unattraktiv wird. „Sie werden aus diesem Markt gedrängt. Das stellt eine Gefahr für jahrelang gut etablierte Bio-Lieferketten dar, die unter anderem auch mit Entwicklungsgeldern finanziert wurden. Große Plantagen hingegen werden es leichter haben, die neuen Regelungen umzusetzen“, sagt sie.

Auch für Betriebe, die nicht in Kleinbauerngruppen organisiert sind, ändert sich einiges: Häufigere Analysen, aufwändige Vorsorgekonzepte und umfassende Dokumentationspflichten sollen sicherstellen, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Bio-Lebensmitteln auf ein absolutes Minimum reduziert werden.

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Umsetzung seitens der EU nicht abgesichert

Angesichts dieser Herausforderungen fordern Verbände wie die Assoziation ökologischer Lebensmittel Herstellerinnen und Hersteller (AöL) und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) nun mehr Zeit für die Umstellung. Bisher ist geplant, dass gleichwertige Bio-Zertifikate für Gruppen und Betriebe in Drittländern zum 15. Oktober 2025 ihre Gültigkeit verlieren. Sie müssten sich also bis zu diesem Stichtag neu zertifizieren lassen – durch Drittlands-Öko-Kontrollstellen, die seitens der EU-Kommission für die EU-Bio-Verordnung 2018/848 anerkannt sind.

Bisher hat die EU allerdings erst 17 Kontrollstellen für die Zertifizierung nach den neuen Regeln zugelassen; weitere sollen sukzessiv in die Liste aufgenommen werden. In einer Pressemitteilung konstatiert die AÖL: „Auch sechs Monate vor Beginn der neuen Regelung sind viele EU-Importeure nach wie vor in der Unwissenheit, ob ihre Lieferanten im Drittland noch eine Kontrollstelle zur Verfügung haben, sobald die neuen Vorgaben gelten, und ob die Lieferanten die Regelungen bis dahin umsetzen können.“ Wie auch der BÖLW fordert der Verband daher, dass bestehende Zertifikate nach der alten Verordnung noch bis zum 31. Dezember 2025 gelten sollen.

„Fast niemand die Mühe gemacht, die Änderungen für Drittländer klar und einfach zusammenzufassen.“

Jochen Neuendorff, Öko-Kontrollstelle Gesellschaft für Ressourcenschutz

Jochen Neuendorff bezweifelt allerdings, dass ein Aufschub von nur zweieinhalb Monaten die Situation wesentlich verbessern wird. Das größte Problem sei die Komplexität. „In der EU haben wir für Bio inzwischen zwei EU-Grundverordnungen und fünfzehn Sekundärverordnungen – viele Anforderungen verstehen auch wir hier in Deutschland noch nicht richtig . Die Änderungen für Drittländer sind zwar seit 2018 bekannt. Aber meines Erachtens hat sich fast niemand die Mühe gemacht, diese klar und einfach, für die Lebensrealität von Kleinbauern zusammenzufassen“, bemängelt er.

Auch Hersteller fordern einen Aufschub der Neuregelungen

Gepa geht die Problematik aktiv an. Das Unternehmen hat sich an einem Projekt in Äthiopien beteiligt, um ein Handbuch zur Umsetzung der neuen EU-Bio-Verordnung für Kaffee zu erstellen. Teil des Projektes waren auch Schulungen von Qualitätsverantwortlichen in Betrieben und Mitarbeitenden in Öko-Kontrollstellen.

Dennoch plädiert auch Gepa für den Aufschub. Kaffee-Einkaufsmanagerin Franziska Bringe sagt: „Die Bio-Verordnung muss in einer krisenbelasteten Zeit umgesetzt werden – zusätzlich zu der EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten. Letztere hat gerade höchste Priorität – auch deshalb wäre eine Verschiebung angebracht.“

Eva Kiene von Rapunzel schließt sich der Forderung an: „Jeder Aufschub kann helfen, Kleinbauerngruppen als Marktteilnehmer zu erhalten und Engpässe in den Lieferketten zu minimieren“. Ob es dazu kommen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist: je besser Unternehmen ihre Handelspartner dabei unterstützen, sich im Dschungel des europäischen Bio-Rechts zurecht zu finden, desto stabiler sind ihre Lieferketten – auch in Krisenzeiten.

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