„Wir warten!“ Diese Botschaft wollten am Dienstagvormittag rund 300 Unternehmer, Unternehmerinnen und deren Mitarbeitende der Bundesregierung vor dem Berliner Reichstag überbringen.
Initiator ist die Stiftung Verantwortungseigentum, die gemeinsam mit 27 Verbänden zu der Aktion aufgerufen hatte. Laut der Stiftung warten insbesondere Mittelständler dringend auf die im Koalitionsvertrag angekündigte neue Rechtsform für „Unternehmen mit gebundenem Vermögen“ (bekannt auch als Verantwortungseigentum). Für den Mittelstand sei diese als Nachfolge-Option immens wichtig, heißt es in einer Mitteilung der Stiftung.
Zuletzt haben laut der Stiftung 1.000 Unternehmer eine „Warteliste“ unterzeichnet – darunter auch Götz Rehn, Gründer und Geschäftsführer von Alnatura, der auch Mitglied des Stiftungskuratoriums ist.
Wo normalerweise Touristen auf Einlass warten, bildeten die teilnehmenden Unternehmen eine lange Schlange vor dem Reichstag, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. In der Warteschlange, so hatten es Unternehmer und Mitarbeitende angekündigt, wollten sie ihrem Beruf weiterhin nachgehen – von Telefonkonferenzen bis hin zu handwerklichen Aufgaben.
Politiker wie der Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, FDP-Vizechef Johannes Vogel und SPD-Vize-Fraktionschefin Verena Hubertz besuchten die Wartenden und bekundeten den Umsetzungswillen der Ampel-Koalition, noch in dieser Legislatur eine neue Rechtsform einzuführen.
Verena Hubertz sagte: „Seit 2021 bin ich in der SPD-Fraktion für die Wirtschaftspolitik zuständig, ich bin stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Lars Klingbeil, Kevin Kühnert, egal mit wem man in der SPD redet (...), alle wollen, dass wir diese neue Rechtsform auch in dieser Legislatur noch hinbekommen – und nicht in light!“
„Wir fahren nach Berlin, weil wir die Nase voll haben vom Warten.“
Darauf hoffen auch Eduard und Stefan Appelhans, Vater und Sohn, Familienunternehmer aus dem Sauerland in der 4. und 5. Generation. Sie waren laut dem Veranstalter mit dem Großteil ihrer 80-köpfigen Belegschaft in der Warteschlange dabei. In ihrem Unternehmen Sorpetaler Fensterbau ließen sie dafür zwei Tage lang die Produktion stillstehen, „weil wir die Nase voll haben vom Warten“, sagt Eduard Appelhans.
So verlegte die Sorpetaler Belegschaft ihre Fensterproduktion auf die Straße: „passende Rechts-Rahmen zimmern”, lautete ihr das Motto.
Vater und Sohn Appelhans und ihre Belegschaft fordern die Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen. Die sei eine wichtige Nachfolge-Option für den Mittelstand, wenn die Nachfolge in der Familie nicht möglich sei.
Die Zeit drängt, betont die Stiftung Verantwortungseigentum: Im deutschen Mittelstand klaffe eine riesige Nachfolge-Lücke. 560.000 Nachfolgen stehen laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an, und laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) klappt nur noch jede dritte innerhalb der Familie. Die Stiftung betont: „Es drohen Ausverkauf und Arbeitsplatzverluste. Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, eine solche Rechtsform zu liefern. Das ist drei Jahre her.“
Neue Rechtsform: „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“
Die Stiftung Verantwortungseigentum fordert eine neue Rechtsform für Unternehmen: die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV).
Damit soll das Vermögen, das Unternehmen ansammeln, an diese gebunden werden, um Gewinne und Werte nachhaltig in die Entwicklung des Unternehmens stecken zu können.
So soll die neue Rechtsform verhindern, dass Unternehmen zum Spekulationsgegenstand werden, oder Profite in die Hände einzelner Investoren fallen. Das soll neben mittelständischen Unternehmen auch Startups und Sozialunternehmen helfen. Auch die Nachfolge von Familienunternehmen zu finden, soll so einfacher möglich sein.
Symposium zu möglichem Gesetz enttäuschte die Erwartungen
Am Dienstagnachmittag sprach das Bundesjustizministerium bei einem Symposion im Bundestag erstmals öffentlich über Elemente eines möglichen Gesetzes. Benjamin Strasser, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, betonte, dass „dieses Vorhaben dem Bundesjustizministerium und auch dem Minister persönlich sehr am Herzen liegt – nicht nur auf der Fachebene“.
Das Bundesjustizministerium (BMJ) sei dabei, Eckpunkte in einen Referentenentwurf einzuarbeiten, um das Verfahren zu beschleunigen. Mit dem Ziel, die Wahlfreiheit für Unternehmen zu erweitern, laufe man „bei uns offene Türen ein“, sagte Strasser.
Während Unternehmerschaft, Verbände, Rechtsprofessorinnen und Steuerexperten die eigenständige Rechtsform bevorzugen, weil diese das Anliegen besonders klar und konsequent abbilden könne, arbeitet das BMJ an einer Lösung innerhalb des GmbH-Rechts: einer sogenannten „thesaurierenden Kapitalgesellschaft“, so Strasser.
Der Staatssekretär erklärte, dass das Konzept und insbesondere die Bezeichnung des gebundenen Vermögens in der Debatte oft mit Nachhaltigkeitsaspekten einhergegangen sei, was in die Irre führe. „Wir halten es nicht für erforderlich, das ganze Vorhaben neu aufzusetzen, wie es teilweise gefordert wird. Ein begrifflicher Neuanfang ist jedoch notwendig, um Wettbewerbsverzerrungen und enttäuschte Erwartungen zu vermeiden.“
Die Pläne für eine „thesaurierende Kapitalgesellschaft“ stießen auf Kritik der anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer, da sie ihrer Ansicht nach am Bedarf vorbeigehen. Wie es weitergeht? Bleibt abzuwarten.
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