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Pestizid

Umweltorganisationen gehen gegen Pendimethalin-Verlängerung vor

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München leiten rechtliche Schritte gegen die verlängerte Genehmigung des möglicherweise krebserregenden Ackergifts ein. Vorherige Einwände der Vereine waren nicht erfolgreich.

Im September erhielt der Unkrautvernichter Pendimethalin eine sogenannte „technische Verlängerung“ für zwei weitere Jahre, da die offizielle EU-Genehmigung für das umstrittene Herbizid ausgelaufen war. Die Entscheidung, dem Pestizid eine Verlängerung zu geben, begründeten die EU-Verantwortlichen damit, dass die zuständigen Behörden die vorgeschriebene Risikobewertung nicht rechtzeitig abschließen konnten. 

Gegen die verlängerte Genehmigung gehen das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) und das Umweltinstitut München nun juristisch vor und haben bei der EU-Kommission beantragt, die Entscheidung zu überprüfen. Das geht aus einer Pressemitteilung der beiden Organisationen hervor. Bereits lange vor der Verlängerung hatte das Bündnis die EU-Kommission aufgefordert, die Pendimethalin-Genehmigung aufzuheben. Weiterhin appellierten BEL und Umweltinstitut im Juli mit einem offenen Brief an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke, sich gegen eine erneute Zulassung des Stoffes einzusetzen und kündigten an, bei einer Verlängerung zu klagen. 

Hoher Absatz mit „möglicherweise krebserregendem“ Pestizid

In der konventionellen Landwirtschaft wird Pendimethalin, dessen Genehmigung Ende November 2024 auslaufen sollte, zur Bekämpfung unerwünschter Beikräuter eingesetzt. Dem BEL und dem Umweltinstitut München zufolge verbreitet sich der Wirkstoff unkontrolliert in der Umwelt und steht wegen seiner Gefährlichkeit bereits auf der Liste der Stoffe, die die EU durch weniger giftige Alternativen ersetzen soll. 

In der EU ist Pendimethalin als vermutlich schädlich für das ungeborene Kind während der Schwangerschaft und als sehr giftig für Wasserorganismen eingestuft. In den USA ist das Herbizid zudem als „möglicherweise krebserregend für den Menschen“ anerkannt. Trotzdem zählt das Pendimethalin mit einem Absatz von rund 665 Tonnen im Jahr 2023 pro Jahr zu den meistverkauften Pestiziden in Deutschland.

„Das nehmen wir nicht hin!“

Anja Voß, Geschäftsführerin Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft

„Dass ein so schädliches Ackergift ohne aktuelle Risikobewertung weiterhin angewendet werden darf, ist ein Missstand und zeigt nur einen von vielen Mängeln im Zulassungsprozess von Pestizidwirkstoffen in der EU. Diese Praxis wollen wir durch ein Präzedenzurteil beenden”, sagt Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft am Umweltinstitut.

Die Organisationen verweisen auf eine Vielzahl von Studien, die auf ernsthafte Gefahren für Umwelt und Gesundheit hinweisen und bemängeln die bisherige Risikobewertung und Einstufung des Stoffes. „Unsere 2020 veröffentliche Studie zeigt, dass sich Pendimethalin durch die Luft unkontrolliert über weite Strecken verbreitet“, so Anja Voß, Geschäftsführerin des BEL. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und in der ganzen EU seien dem Stoff laut Voß dadurch potenziell dauerhaft ausgesetzt. „Das nehmen wir nicht hin!“, ergänzt die Geschäftsführerin. 

Hohes Risiko auch für Bio-Landwirtschaft

Der Pressemitteilung zufolge birgt der Einsatz von Pendimethalin auch ein wirtschaftliches Risiko und gefährdet die Koexistenz von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft. Denn Pendimethalin kann über die Luft auch auf Bio-Felder gelangen und so zu Vermarktungsverboten und einer existenziellen Bedrohung von Bio-Betrieben führen. So verlor beispielsweise Bio-Landwirtin Franzi Blind im Jahr 2020 ihre gesamte Körnerfenchel-Ernte durch Pendimethalin. Sie begrüßt die juristischen Schritte des BEL und des Umweltinstituts und plädiert dafür, solche Stoffe vom Markt zu nehmen: „Kontaminationsfälle durch leicht flüchtige Pestizide wie Pendimethalin sind kein Einzelfall, sondern traurige Realität für uns Bio-Landwirt:innen“, so Blind.  

„Technische Verlängerungen sollten nur in Ausnahmefällen gewährt werden, doch die EU-Kommission greift sehr häufig darauf zurück“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Caroline Douhaire, die die Vereine im Verfahren vertritt. Das habe zur Folge, dass potenziell gefährliche Pestizidwirkstoffe oft über lange Zeiträume hinweg weiter eingesetzt werden, ohne dass ihre Risiken für Mensch und Umwelt anhand neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gründlich überprüft wurden. Zudem lege die „Recherche des BEL und des Umweltinstituts nahe, dass es erhebliche Gründe gibt, die Genehmigung von Pendimethalin zu überdenken. Sollte unser Antrag abgelehnt werden, werden wir den Rechtsweg zum Europäischen Gericht beschreiten“, so Douhaire. (dan)

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