Berlin setzt Trends – und gilt, nicht zuletzt aufgrund der hohen Dichte an Naturkostläden, als Bio-Hochburg. Ein gutes Pflaster also, um mehr über das Einkaufsverhalten speziell der Bio-Konsumenten herauszufinden. Die Universität Hohenheim hat gemeinsam mit der Bio Company den dortigen Markt unter die Lupe nehmen lassen. 511 Berliner wurden Ende Januar vom Marktforschungsinstitut Forsa befragt. Basis dafür war ein von der Hochschule entwickelter Fragebogen. Ein zentrales Ergebnis der repräsentativen Umfrage: Vier von fünf Menschen in der Hauptstadt kaufen Bio.
Der Rest der Republik dürfte bald nachziehen, sagt Studienautor Prof. Dr. Jens Vogelgesang. Denn Entwicklungen, die sich in Berlin abspielen, ließen sich in den folgenden Jahren meist bundesweit beobachten, so der Kommunikationswissenschaftler. Untersucht haben Vogelgesang und sein Team auch, welche Kunden welche Einkaufsstätten bevorzugen: „In Discountern und Supermärkten finden wir vor allem Gelegenheits-Biokäufer. Läden mit reinem Biosortiment haben vor allem Kunden, die sich nur oder überwiegend von Bioprodukten ernähren.“
Grenzen verwischen
Die Studie zeige auch: Bio ist nicht mehr exklusiv. „Vor allem bei den überzeugten Biokunden finden wir noch die klassischen Charakteristika: Sie sind überwiegend einkommensstark, gut gebildet mit leicht höherem Frauenanteil.“ Aber: „Die Grenzen verwischen sich: spätestens bei den Gelegenheitskäufern finden wir heute alle Altersgruppen, Bildungs- und Einkommensschichten.“
Andere Faktoren spielten laut Vogelgesang hingegen eine weniger große Rolle bei der Entscheidung zum Biokonsum: „Einschränkungen wie eine vegetarische Ernährung oder Lebensmittelunverträglichkeiten hatten einen weniger großen Einfluss auf das Kaufverhalten als erwartet.“ 28 Prozent der Biokäufer ernähren sich vorwiegend oder komplett vegetarisch. Nur 8 Prozent berichteten, dass sie sich laktose-, gluten- oder fruktosefrei ernähren.
Konkurrenz bekommt der stationäre Handel aus dem Internet. Laut Studie stößt Online-Shopping bei Bio-Kunden auf immer mehr Akzeptanz. „Sowohl häufige als auch gelegentliche Biokonsumenten bestellen bereits online Lebensmittel oder können sich dies zumindest vorstellen“, so Vogelgesang. Besonders Familien mit Kindern fänden dieses Angebot attraktiv: 37 Prozent von ihnen können sich vorstellen, Lebensmittel online zu bestellen. 20 Prozent tun es bereits – im Vergleich zu 25 bzw. 11 Prozent der befragten Biokäufer ohne Kinder. Kein Wunder, dass vor allem Eltern darauf anspringen: „Zeitersparnis ist der insgesamt am häufigsten genannte Grund für den Kauf im Netz“, so Vogelgesang.
Wichtig sei allen befragten Biokunden der Berliner Studie, dass sie
sich ihre Produkte einzeln zusammenstellen können. 84 Prozent der
Biokäufer fänden dies attraktiv, nur jeweils 8 Prozent möchten hingegen
fertige Produktboxen oder ausgewählte Zutaten für ein Gericht nach
Rezept geschickt bekommen.
Online-Handel: Fachhandel macht gute Erfahrungen
Ob Bio oder konventionell: Lebensmittel gehörten lange Zeit nicht zu den Umsatztreibern im Online-Handel. Das könnte sich bald ändern. Die Gesellschaft für Konsumforschung rechnet damit, dass Lebensmittel und Drogerieprodukte bis 2025 den größten Anteilszuwachs am gesamten Online-Handelsvolumen haben werden. Laut ihrer Studie zum E-Commerce dürfte sich das Sortiment von derzeit 8 auf 16 Prozent am Online-Gesamtumsatz verdoppeln.
Die Berliner Bio Company, die die Studie mitfinanziert hat, hat aktuell keine Pläne für einen eigenen Online-Shop. Man werde diesen Vertriebsweg jedoch im Auge behalten, heißt es aus dem Unternehmen. Andere Filialisten setzen hingegen bereits auf das zusätzliche Standbein. Alnatura hat im vorigen April seinen Online-Shop gestartet. Über ihren Partner Gourmondo verschicken die Bickenbacher Alnatura-Produkte und weitere Marken in 19 europäische Länder. Der Filialist zeigte sich zuletzt zufrieden mit der Entwicklung. Ausgehend von 180.000 Euro im April 2015 wachse der Umsatz monatlich um etwa 20 Prozent, hieß es im November. Bei Basic setzt man seit Dezember 2014 auf das Internet-Geschäft. "Insgesamt können wir bei Verbrauchern ein steigendes Interesse für Online-Shopping feststellen", sagt Pressesprecherin Carolin Breul. Die Entwicklung befinde sich jedoch hierzulande im Anfangsstadium. "Noch fehlt eine gewisse Sortimentsbreite und –tiefe, besonderes im Hinblick auf frische und Tiefkühlware". Eine Hürde sieht Breul in der Einhaltung der Kühlkette. Ohnehin sei das Thema „Frische“ für Bio-Händler eine besondere Herausforderung, vor allem aufgrund der unbehandelten Produkte.
Auch bei inhabergeführten Bio-Läden spielt der Verkauf im Netz eine Rolle. Gute Erfahrungen haben Christiane Rost und Bärbel Kalz aus Schwerin gemacht. Neben ihren zwei KaRo Biomärkten betreiben die Gründerinnen auch einen Online-Shop. Und das schon seit rund zehn Jahren. „Wir haben inzwischen eine Reihe von Online-Stammkunden, die regelmäßig bestellen“, sagt Peter Kalz, der für den Internethandel zuständig ist. Rund 4.000 Produkte werden auf der Website vorgestellt, bestellt wird aus allen Teilen der Republik. Die Pflege des Online-Sortiments sei mit einem gewissen Aufwand verbunden. Doch insgesamt lohne sich die Investition. „Der Umsatzanteil des Online-Verkaufs bewegt sich auf stabilem Niveau und liegt bei sieben bis acht Prozent.“ Kalz hat festgestellt, dass die Online-Kundschaft vor allem aus Ballungsgebieten kommt. „Rund 60 bis 70 Prozent der Bestellungen gehen in Großstädte.“ Warum das so ist, kann Kalz nur vermuten: "Vielleicht sind Großstädter einfach online-affiner als andere."
Auch wenn der Online-Handel im Aufwind ist: Ein Großteil der Bio-Kunden geht laut der Hohenheimer Studie nach wie vor lieber in den Laden. Sie vermissen es nämlich laut Studienleiter Vogelgesang, Lebensmittel zu sehen und anzufassen. Um diesem Bedürfnis zumindest teilweise nachzukommen, tüftelt man bei Alnatura derzeit an einem 3-D-Online-Shop. Mit diesem[nbsp]soll ein virtueller Ladenrundgang möglich werden.[nbsp]So wolle man auch dem Internet-Kunden ein Einkaufserlebnis bieten, erklärten die Bickenbacher.
„Regionalität“ erweist sich als dehnbarer Begriff
Aufschlussreich ist auch ein weiteres Studiendetail: Die Definition von Regionalität. „Der Begriff ist nicht geschützt, weswegen die Ansichten darüber, welche Transportwege für Lebensmittel noch als regional gelten, auseinandergehen können“, erklärt Vogelgesang.
Für eine Mehrheit der Befragten sind Produkte aus dem eigenen oder benachbarten Bundesland regional. Weitere Entfernungen werden maximal von einem Drittel der Befragten akzeptiert.
Die befragten Berliner seien sich jedoch weitgehend einig gewesen: Ein Apfel aus dem Berliner Umland in Brandenburg gelte auf jeden Fall als regional. Drei Viertel bis zwei Drittel akzeptieren auch die Herkunft aus angrenzenden Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Sachsen. Das sind Distanzen von immerhin bis zu 300 Kilometern. Ein Apfel aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg oder Hessen hätte es bei zwei Drittel der Befragten dagegen schwer, diese Bezeichnung noch zu verdienen.
Die Münchener sind bei der Begriffauslegung konsequenter, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstituts ICON Added Value im Auftrag der Andechser Molkerei Scheitz aufzeigt. Für regionale Produkte gaben sie einen Herkunftsradius von maximal 101 km an. Die Studie aus dem vergangenen Herbst brachte zudem zutage, dass die Münchener noch bio-affiner sind als die Hauptstädter: 93 Prozent von ihnen entscheiden sich demnach gelegentlich oder regelmäßig für Öko-Lebensmittel.
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