Auf sehr warme Apriltage folgten Frost, zu kühle Frühlings- und Sommermonate und dazu ein immer wiederkehrender, ergiebiger Regen: kein gutes Rezept für erfolgreichen Obstanbau. Nach einigen zu trockenen Jahren schwimmt den Obstbauern in diesem Jahr die Ernte förmlich davon – oder verfault noch auf dem Feld. Das stellt auch Bio-Safthersteller in vielerlei Hinsicht vor große Probleme.
Erst kürzlich berichtete der Verband der Fruchtsaftindustrie (VdF), in dem auch die Bio-Hersteller Haus Rabenhorst und Beutelsbacher Mitglied sind, in einer Pressemitteilung von schlechten Ernten und teilweise Totalausfällen bei jenen Obstsorten, die wichtig sind für die Herstellung von Säften. Wie die Lage insbesondere bei Herstellern von Bio-Säften aussieht, ging daraus nicht hervor. Welche ökologisch angebauten Obstsorten von wetterbedingten Ernteausfällen betroffen sind und wie die Produzenten darauf reagieren, hat BioHandel bei den Bio-Unternehmen Voelkel, Beutelsbacher, Haus Rabenhorst und Ostmost erfragt und zusammengetragen.
Besonders hart getroffen hat es aufgrund der hohen Niederschlagsmengen dieses Jahr die Rhabarber-Ernte. Die Pflanzen seien „mangels Sauerstoff regelrecht ‚abgesoffen‘“, da die Landwirte aufgrund der Nässe nicht zur maschinellen Unkrautbekämpfung auf den Acker gekommen sind, erklärt Boris Voelkel, Geschäftsführer Einkauf bei Voelkel.
Allein der Getränkehersteller aus dem Wendland verzeichnet zirka 70 Prozent Ausfall beim Rhabarber, das Berliner Unternehmen Ostmost beklagt sogar einen Komplettausfall. Auch Beutelsbacher spricht von Engpässen und erwartet hohe Preissteigerungen für das säuerliche Gemüse, das hinsichtlich seiner Verwendung eher an Obst erinnert.
Später Blütenfrost sorgt für Ernteausfälle bei vielen Sorten
Vieles, was von der Nässe verschont geblieben ist, wurde im Frühjahr durch Blütenfrost zerstört. Voelkel, Beutelsbacher und Haus Rabenhorst nennen hier vor allem Schwarze Johannisbeeren und Kirschen als stark betroffene Obstsorten. Bei den Kirschen, die das überstanden haben, führten laut Voelkel schließlich „aufgeplatzte Früchte sowie Pilzbefall durch zu viel Regen im späteren Verlauf der Wachstumsphase“ zum Totalausfall.
Haus Rabenhorst spricht von bereits mehr als doppelt so hohen Preisen für die Rohstoffe; Beutelsbacher erwartet ebenfalls hohe Verteuerungen. Jedoch sei es laut Beutelsbacher-Geschäftsführer Thomas Maier aktuell „noch zu früh, um Qualität und Preis beurteilen zu können“.
Zumindest teilweise seien Boris Voelkel zufolge auch die Bio-Apfelbäume vom Blütenfrost heimgesucht worden, weshalb sowohl Voelkel als auch Ostmost mit einer schlechteren Ernte rechnen. Eine genaue Einschätzung sei momentan allerdings noch nicht möglich, so Voelkel.
Apfelsaft wird in vielen Säften als Basis verwendet, da er geschmacklich sehr mild ist und sich daher gut mit anderen Sorten mischen lässt. Darüber hinaus gehört Apfelsaft pur mit Orangensaft zu den beliebtesten Saftsorten der Deutschen. Laut Statista lag der Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr 2022 bei 5,4 Litern.
Daher ist die Apfelernte für einige Hersteller besonders kritisch. Der Berliner Getränkehersteller Ostmost zum Beispiel verwendet ausschließlich alte Apfelsorten als Grundlage in allen Getränken. Bisher habe Ostmost jedoch selten Probleme gehabt, an die Rohstoffe zu kommen, „weil wir faire – nämlich hohe – Preise für Streuobst-Äpfel zahlen“, heißt seitens des Herstellers.
Darüber hinaus nennen die befragten Hersteller auch Engpässe bei regional und europaweit angebauten Erdbeeren, Himbeeren und Trauben – auch bedingt durch Schimmel und Mehltau aufgrund hoher Niederschlagsmengen. Die Traubenpflanzen waren, beziehungsweise sind in Deutschland und Frankreich außerdem von Frost betroffen sowie in Spanien von Dürre.
Auch die globale Obsternte wackelt
Bei nicht regional angebauten Früchten gibt es laut Beutelsbacher und Voelkel auch weiterhin hohe Einbußen bei der Orangenernte. Die anhaltende Orangenkrise, verursacht durch Extremwetterereignisse wie beispielsweise Hurrikanes, Dürre und zu viel Nässe sowie Pflanzenkrankheiten durch Schädlingsbefall, treibt die Preise für die Zitrusfrucht bereits seit Jahren in die Höhe. „An den Rohstoffbörsen wird Orangensaft derzeit im Vergleich zu Anfang 2022 mit bis zu 150 Prozent Aufpreis gehandelt“, konstatiert der VdF in einer Pressemitteilung und prognostiziert, dass sich die Situation weiter verschärfen wird.
„Insgesamt beobachten wir global deutlich sichtbare Extremwetterereignisse. Zu trocken, zu nass, zu feucht, zu früh warm …“
Beim Ingwer sieht es kaum besser aus: „International wird leider neben der globalen Orangenkrise eine weitere Krise mit Engpässen und Preiserhöhungen beim Ingwer in Peru auf uns zukommen“, sagt Boris Voelkel. „Auch hier gab es durch El Niño zu starke Regenfälle, die eine durch Bakterien verursachte Fäule begünstigt haben. Insgesamt beobachten wir global deutlich sichtbare Extremwetterereignisse. Zu trocken, zu nass, zu feucht, zu früh warm …“ Die Folgen der Klimakrise seien bereits jetzt schmerzhaft spürbar, beklagt Voelkel.
Verschnitt, kleinere Flaschen oder weniger Saft: Auswirkungen der Engpässe auf das Bio-Saftangebot
Die verringerten Erntemengen haben einen großen Einfluss auf die Produktion der jeweiligen Endprodukte. Der VdF, dessen Mitglieder größtenteils konventionelle Anbieter sind, spricht in einer Medienmitteilung beispielsweise von der Möglichkeit, Rezepturen anzupassen – etwa durch weniger Fruchtsaftanteil. Maßnahmen wie diese kommen für Bio-Safthersteller nur bedingt infrage. „Die Rezepturen zu verändern bedeutet nur, die Symptome zu vertuschen und die Folgen (von Missernten, Anm. d. Red.) letztendlich auf die Verbraucher und Verbraucherinnen abzuwälzen“, erklärt Boris Voelkel und distanziert sich von möglichen Rezepturveränderungen.
Rezeptanpassungen in Form von reduziertem Fruchtsaftanteil schließt auch Haus Rabenhorst für seine Produkte aus: „Unser sehr hoher Qualitätsanspruch ist unverrückbar“, so das Unternehmen. Um witterungsbedingte Schwankungen etwa bei Direktsaft bestmöglich ausgleichen zu können, nutze der Hersteller Verschnitt als „gelebte Praxis“.
„Der Handel und insbesondere die Endkonsumenten und -konsumentinnen sind leider zu weit weg von den Ernte-Problemen.“
Beutelsbacher reagiert auf die Orangenkrise unter anderem mit dem Angebot eines „Bio Orangenfruchtsaftcocktails für preisbewusste Kunden“ mit 52 Prozent Orangensaft, Orangenblütentee mit Rohrzucker und Acerolamark neben reinem Bio-Orangensaft in 0,7-Liter-Flaschen. Außerdem bietet das Unternehmen seinen Demeter-Orangensaft dieses Jahr aufgrund der schlechten Verfügbarkeit in kleineren 0,2-Liter-Flaschen. Beutelsbacher kündigt weiterhin an, aufgrund der schlechten Verfügbarkeit von Demeter Schwarzen Johannisbeeren auf Bio Schwarze Johannisbeeren auszuweichen.
Für Ostmost sind etwaige Rezeptanpassungen „auf jeden Fall denkbar und notwendig“. Leider seien „der Handel und insbesondere die Endkonsumenten und -konsumentinnen zu weit weg von den Ernte-Problemen“, heißt es seitens des Herstellers. Lieber passe man das Produkt an, als für eine Saison nicht lieferfähig zu sein.
Langfristige Partnerschaften schaffen mehr Sicherheit bei der Rohstoffbeschaffung
Trotz der aktuellen Herausforderungen hat sich die Vorgehensweise der Bio-Hersteller jedoch auch als sehr nützlich erwiesen. Die Praxis, fair bezahlte und langfristige Partnerschaften mit Bio-Landwirten und -Lieferanten zu pflegen, zahlt sich gerade in Jahren mit teilweise sehr schlechten Ernten aus. Der süddeutsche Getränkehersteller Beutelsbacher hat laut Geschäftsführer Thomas Maier einige Partnerschaften mit Lieferanten in der dritten Familiengeneration.
Darüber hinaus versuche das Unternehmen, „aus verschiedenen Regionen einzukaufen, um bei schwachen Ernten einer Region mit Rohwaren aus einer alternativen Region balancieren zu können“. Durch diese Maßnahmen „gleichen sich Vorteile und Nachteile bei Erntemengen und Erntepreisen über die Jahre aus“, so Maier. Wichtig sei es, damit auch den Anbaupartnern klarzumachen, dass sich langfristige Partnerschaften für sie lohnen.
„In langfristigen Partnerschaften gleichen sich Vorteile und Nachteile bei Erntemengen und Erntepreisen über die Jahre aus.“
Ähnlich macht es auch Haus Rabenhorst. Bei dem Hersteller gibt es „volle Preis- und Abnahmegarantien für die Vertragspartner unabhängig von der Erntesituation“, so das Unternehmen. Umgekehrt bestehe natürlich auch eine Ablieferungsverpflichtung der Vertragspartner bei einem vergleichsweise hohen Marktpreisniveau. „Für die Vertragspartner bedeutet diese (Zusammenarbeit, Anm. d. Red.) genauso wie für uns Sicherheit und Planbarkeit.“ Einige der Partnerschaften des Herstellers hätten so bereits seit über 50 Jahren Bestand, heißt es von Haus Rabenhorst.
„Es zeigt sich überall, dass langfristige, belastbare Beziehungen mit den Lieferanten essentiell sind für resiliente Lieferketten und eine stabile Versorgung“, erklärt Boris Voelkel, dessen Unternehmen durch seinen laut eigenen Aussagen „empathischen Umgang mit Lieferanten“, etwa durch Abnahmen von Übermengen oder gar nicht benötigten Produkten, Vorteile in diesem schwierigen Erntejahr hat. „Teilweise zehren wir von unseren Vorräten in den Tanks, oder aber wir bekommen Ware, die andere gar nicht erst bekommen, auch zum stabileren Preis“, berichtet Voekel. Gerade die erheblichen Unternehmensinvestitionen in Tanklagerkapazität und Energieeffizienz der letzten Jahre hätten sich damit bezahlt gemacht.
Perspektivisch werden langfristige Partnerschaften schwieriger
Jedoch räumt Voelkel auch ein, dass die extremen Wetterereignisse für Landwirtinnen und Landwirte „zu existenzbedrohenden Situationen führen“. Das werde das Angebot perspektivisch noch verknappen und die Preise weiter in die Höhe treiben. Hinzu kommt ab 2025 die Regelung, dass die Anforderungen der EU-Bio-Verordnung 2018/848 auch für Bio-Importe aus Drittländern gelten müssen. „Klar ist, dass es für beide Seiten schwieriger werden wird, langfristige Vereinbarungen einzuhalten. Dies kann nur durch noch mehr Gemeinsamkeit gemeistert werden“, so der Geschäftsführer.
Man dürfe die Marktmechanismen des konventionellen Handels nicht auf Bio übertragen. Daher bietet Voelkel Partnerinnen und Partnern mit starken Einbußen finanzielle Unterstützung an, damit sie mit den langfristigen Verträgen nicht gestraft sind. „In einer derartig großen Krise, in der die ganze Welt öko-sozial angespannt ist, wollen wir auch ein Zeichen des Mitgefühls senden und zu einer wärmevollen Wirtschaft beitragen“, sagt Voelkel.
Ihm zufolge seien aber auch Politik, Handel und die Verbraucherschaft gefragt, damit endlich mehr Fläche auf Bio umgestellt werden könne. „Was wir aktuell erleben, sind nur die ersten Ausläufer einer sich ankündigenden globalen Lebensmittelkrise. Denn neben der Klimakrise gibt es auch noch die Biodiversitätskrise. Für beide Krisen bietet die Bio-Landwirtschaft die nötigen Antworten“, so der Hersteller. Doch beim jetzigen Tempo seien die 30 Prozent Öko-Fläche im Jahr 2030 nicht erreichbar.
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