Rapunzel gibt die Fachhandelstreue auf und weitet seine Vertriebswege aus. Künftig sollen Produkte von Rapunzel Naturkost und Zwergenwiese nicht mehr nur in Bio-Fachhandelsmärkten stehen. Rapunzel begründet den Schritt mit dem sich verändernden Kaufverhalten der Bio-Kunden. Zuletzt kauften Verbraucherinnen und Verbraucher Bio verstärkt im konventionellen Lebensmittelhandel und weniger in Naturkostfachmärkten.
Ob Aufstriche, Trockenfrüchte, Müsli, Tomatenprodukte, Kaffee, Reis oder Pasta – die Markenprodukte von Rapunzel und Zwergenwiese gelten als wichtiger Umsatzbringer für den Bio-Fachhandel. Ab Juni wird ein Ausschnitt des Sortiments erstmals in den Regalen der regionalen Supermarktketten Tegut und Feneberg zu finden sein.
Seine Partner im Bio-Fachhandel habe Rapunzel bereits über die Entscheidung informiert, teilt Pressesprecherin Eva Kiene mit. Dort machen die Produkte von Rapunzel einen Marktanteil von insgesamt 4,8 Prozent aus, im Trockenbereich sind es 16,8 Prozent. Doch Kundinnen und Kunden außerhalb des Fachhandels sind die Produkte noch wenig geläufig.
Rapunzel und Zwergenwiese sollen bekannter werden
Um die Markenbekanntheit und die Präsenz von hochwertigem Bio zu sichern, müssten die Produkte ausreichend breit verfügbar sein, begründet der Bio-Pionier die Neuausrichtung seiner Vertriebspolitik. Gerade jüngere Generationen entdeckten Bio oftmals zunächst im Lebensmitteleinzelhandel, bevor sie den Weg in den Fachhandel fänden.
Firmengründer Joseph Wilhelm teilt mit: „Mit diesem Schritt wird Rapunzel auch seiner wirtschaftlichen und sozialen Verantwortung gegenüber seinen rund 500 Mitarbeitenden am Standort im Allgäu gerecht sowie den Mitarbeitenden von Zwergenwiese und Rapunzel Türkei. Und gleichzeitig auch der Verantwortung gegenüber der gesamten Lieferkette.“
Der Bio-Pionier erhalte immer wieder Anfragen von Handelsketten, die seine bisher dem Fachhandel vorbehaltenen Marken listen wollten, so Kiene. Auch mit Tegut und Feneberg sei das Unternehmen seit geraumer Zeit in Gesprächen gewesen. Dass die beiden Filialisten nun den Zuschlag bekommen haben, hat seine Gründe.
Gemeinsame Werte mit Tegut und Feneberg
„Sowohl Tegut als auch Feneberg vertreten ähnliche Werte wie wir und repräsentieren traditionsbewusste und werteorientierte familiengeführte Unternehmen, die sich für die Produktion und die Vermarktung von Bio einsetzen“, sagt Kiene. Zudem habe die regionale Begrenzung beider Filialisten eine wesentliche Rolle gespielt. Weitere Gespräche führe das Unternehmen derzeit nicht.
Die Brüder Christof und Hannes Feneberg betreiben in dritter Generation 83 Supermärkte in Süddeutschland. Zum regional ausgerichteten Sortiment gehört auch die Bio-Eigenmarke „VonHier“, unter der Feneberg Verbandsware von Herstellern bezieht, die sich im Umkreis von 100 Kilometern um Kempten befinden. Joseph Wilhelm verbindet laut eigenen Angaben eine langjährige Bekanntschaft mit Hannes Feneberg. Beide teilen demnach die Begeisterung für nachhaltiges Wirtschaften und Ökologie.
Weitere Fachhandelsmarken könnten bei Tegut folgen
Tegut unterhält rund 300 Filialen in Hessen, Bayern, Thüringen und einigen Metropolregionen Süddeutschlands. Erst kürzlich hat das Unternehmen mit Sitz in Fulda 19 Märkte des in finanzielle Schieflage geratenen Bio-Filialisten Basic übernommen. Laut Angaben von Tegut sollen die ehemaligen Bio-Filialen als konventionelle Supermärkte mit einem hohen Anteil an Bio-Produkten weitergeführt werden. Zudem wolle Tegut das Fachhandelssortiment weiter ausbauen.
Die Ankündigung von Tegut lässt vermuten, dass neben Rapunzel bald weitere Produkte und Marken ins Regal der Supermarktkette kommen könnten, die für Bio-Kundinnen und -kunden bislang nur im Fachhandel zu bekommen waren. Für Rapunzel bedeutet die Listung auch, den erwarteten Umsatzverlust durch den Wegfall der Basic-Märkte und weitere Ladenschließungen im Fachhandel zumindest teilweise ausgleichen zu können. Dieser wäre als „durchaus schmerzhaft“ empfunden worden. Anderen Herstellern dürfte es ähnlich gehen.
Kommentare
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Diese Entscheidung darf jedes Unternehmen treffen wie es möchte, nur finde ich, dass man sich die recht seltsamen Begründungen sparen sollte. Der Bundesanzeiger zeigt deutlich sehr hohe Gewinnmargen und ausreichend Kapital auf. Wenn das nicht reicht, so darf ein Unternehmen reagieren, aber am besten ohne den Versuch einer Rechtfertigung.
Lutz Größel
Liebe Leserschaft,
letztlich ist dieser schmerzliche Abgang eine unternehmerische Entscheidung der Familie. Diese kann ich sogar nachvollziehen. In einigen Jahren werden sie dann wieder erzählen es war ein Test. So wie der Rückzug aus dem Aktionsgeschäft, die eigene Belieferung der Läden oder die Aktiengesellschaft; alles Projekte die wieder rückgängig gemacht worden oder noch werden.
Denn sie wissen nicht was sie tun. Sie begeben sich in ein Haifischbecken, um ihre Mitarbeiter zu beschützen. Naja, es gibt bessere Möglichkeiten.
Mich bewegt das gebetsmühlenartige Gerede der Fachhandelstreue. Bei jedem Besuch wurde uns erklärt, das Rapunzel quasi auf Ewigkeit dem Fachhandel treu bleibt. Nun ja, ich habe es nie geglaubt. Trotzdem bin ich entsetzt darüber, den Dolch in meinem Rücken zu spüren. Die Entscheidung so bekannt zu geben ist gemein und hinterhältig.
Übrigens, der Fachhandel hat durchaus auch schmerzhafte Umsatzverluste und teilweise starke Kostenanstiege. Wir müssen dies mit Kosteneinsparungen kompensieren, durchaus auch mit Nichtbesetzung von Planstellen. Das könnte ich mir auch bei Herstellern vorstellen.
Eine kurze Meinung von Ralf Schubert
Ich wünsche trotzdem allen gute Umsätze.
Sehr geehrter Leonhard Wilhelm,
"Seine Partner im Bio-Fachhandel habe Rapunzel bereits über die Entscheidung informiert, teilt Pressesprecherin Eva Kiene mit." las ich heute im Biohandel - davon weiß ich nichts! Ist bei mir nicht angekommen.
Statt verschämt und verschwurbelt die "Fachhandelstreue" aufzukündigen, hätte ich einen offenen Diskurs mit den Geschäftspartnern zum Thema erwartet! Warum geht das in dieser verflixten BioBranche nicht, wie Erwachsene auf Augenhöhe - auch streitig - zur Sache zu verhandeln!?
Ich komme direkt auf den Punkt: Wir halten uns nach wie vor strikt an die Rap-VK - tut das Tegut auch? Habt ihr das im Liefervertrag? Das ist das mindeste, was wir nach 45 Jahren Handelsbeziehung verlangen können! Immer habt ihr eure handelspolitischen Schritte damit begründet, dass ihr die Souverenität über eure Produkte und deren Preise behalten wollt ... Ich hoffe sehr, dass ihr genug Charakter habt, das auch Tegut gegenüber durchzusetzen?
Gruß Georg Rieck
bla,bla,bla- das war doch schon immer so, dass Rapunzel immer ganz tolle Argumente gefunden hat um seine Entscheidungen zu begründen. Letztlich geht es ihnen darum, das eigene Wohlbefinden zu sichern. Die vielen kleinen Läden, die sie zu dem gemacht haben, was sie jetzt sind, sind ihnen jetzt, wo sie selbst mal Umsatz Schwierigkeiten haben, egal. Die verlieren einen weiteren Umsatzbringer. Das die Kunden dann wieder zurückkommen um die Waren im Bioladen zu kaufen, ist doch ein Märchen, das sich die Entscheider bei Rapunzel mal erzählen sollten, wenn sie in den Spiegel schauen. Ich vermute, das war ein Eigentor von Rapunzel zuviel. Klaus Pleuler, Regionalwert Biomarkt Waage, Emmendingen
Was wäre für Rapunzel Ihrer Meinung nach die Alternative? Bzw was würden Sie sich erzählen, wenn Sie als Rapunzel-Verantwortlicher in den Spiegel schauen?
Aus meiner Sicht als Ladner war es ein großer Fehler, das Rapunzel Produkte nicht mehr über den regionalen Großhandel bestellt werden können. Wir müssen durch den Einkauf von Trockenwaren bei unseren Großhändlern deren Schwierigkeiten mit frischer Ware ausgleichen. Die Belieferung von Rapunzel-Produkten ist logistisch nicht mit der über den Großhandel zu vergleichen, deswegen weicht man eben auf andere Hersteller aus, weil der Kunde erwartet, dass ein Produkt morgens bei der Eröffnung im Regal steht. Ich würde mir erzählen und habe mir auch schon erzählt- ja, dann muß man eben auch mal mit weniger Umsatz zufrieden sein und eigene Bedürfnisse zurück stellen, auch mit Verantwortlichkeit von "nur" 20 MitarbeiterInnen. Klaus Pleuler
Der Kapitalismus, der mit weniger zufrieden ist, wurde noch nicht erfunden.
Im Übrigen stellt sich doch die Frage, mit wieviel weniger mensch zufrieden ist und für wie lange. Bevor ich Menschen entlasse, Erzeuger auf der Ware sitzen lasse und und und.
Die Frage, wie lange ein Unternehmen so etwas durchhalten kann hat Rapunzel jetzt ja beantwortet. Das Vertrauen, dass sich die Umsätze wieder "erholen" bevor es bitter wird, scheint nicht ausreichend groß zu sein. Und dann ist die Entscheidung für mich absolut nachvollziehbar - auch wenn sie mir selbst natürlich nicht passt! Bin ja auch im Fachhhandel tätig.
In Heilbronn stehen die Produkte sogar im Edeka....