Der Nutri-Score soll strenger kontrolliert werden. Die Bundesregierung hat dafür einen sogenannten „Regulator“ beauftragt, der nach einem EU-weiten Ausschreibungsverfahren bestimmt worden sei, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am Mittwoch mitteilte.
Den Zuschlag erhielt demnach die RAL gGmbH, die bereits für verschiedene staatliche Siegel, wie etwa den Blauen Engel, Aufgaben im Bereich der Lizenzvergabe, Marktüberwachung und Rechtsverfolgung übernimmt. Künftig soll das Unternehmen nun auch überprüfen, ob Hersteller, die den Nutri-Score einsetzen, ihre Produkte ordnungsgemäß registrieren und berechnen. Zudem soll das Unternehmen den Markt überwachen und Missbrauch verfolgen.
Neben dem Regulator bleiben laut BMEL auch weiterhin die Bestimmungen des allgemeinen Lebensmittelkennzeichnungsrechts bestehen, deren Einhaltung von den Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder kontrolliert wird. Einer Untersuchung der Verbraucherzentralen zufolge wurde der Nutri-Score im vergangenen Jahr allerdings nur in drei von 14 angefragten Bundesländern regelmäßig durch die Behörden überprüft.
Der Nutri-Score ist umstritten. Italien etwa sieht darin eine Täuschung der Verbraucher. Im Zuge der Einführung der Kennzeichnung im Jahr 2020 gab es insbesondere Kritik an der Art und Weise, wie der Score berechnet wird. Die Bio-Branche etwa bemängelte, dass das Label viele Vorteile von Bio-Lebensmitteln nicht abbilde.
Bio-Branche findet Gehör bei Weiterentwicklung des Nutri-Score
Der Nutri-Score bewertet Produkte nach der Kalorienzahl und der darin enthaltenen Zusammensetzung von Nährstoffen wie Fett, Zucker, Salz oder Ballaststoffen. Wie ausgewogen das Produkt ist, wird mittels einer fünfstufigen Buchstaben-Ampel angezeigt: Vom grünen A für eine günstige Zusammensetzung bis zum roten E (ungünstig). So wie die Berechnung des Nutri-Score derzeit stattfindet, schneidet eine Diät-Cola mit Zuckeraustauschstoffen besser ab als purer Apfelsaft, der von Natur aus Fruchtzucker enthält.
Neben Deutschland setzen in Europa bislang nur Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Spanien und die Schweiz das Label ein. Diese Länder haben einen Lenkungsausschuss gebildet, um die Verwendung des Nutri-Score europaweit einheitlich zu gestalten. Zusätzlich dazu haben sie einen wissenschaftlichen Ausschuss eingerichtet, um den Nutri-Score weiterzuentwickeln.
Nachdem Unternehmen und Verbände – darunter auch der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) – beim Lenkungsausschuss Stellungnahmen und Vorschläge zur Weiterentwicklung eingereicht hatten, wurde der Algorithmus durch das wissenschaftliche Gremium überarbeitet (siehe Kasten am Ende des Artikels).
Im Juli 2022 legten die Wissenschaftler erste Vorschläge zur Anpassung des Nutri-Score-Algorithmus für feste Lebensmittel sowie Fette und Öle vor, die für eine bessere Aussagekraft sorgen sollen und denen der Lenkungsausschuss bereits zugestimmt hat. Laut BNN-Pressesprecher Hans Kaufmann wurde dabei auch ein Großteil der Forderungen aus der Bio-Branche berücksichtigt, etwa dass ein höherer Vollkorn- und damit Ballaststoffanteil positiver in die Bewertung einfließt. Ein zweiter Ausschuss-Bericht zu Getränken werde laut BMEL derzeit vom Lenkungsausschuss geprüft. Noch ist der neue Algorithmus nicht in Kraft getreten.
Verbraucherzentralen fordern Verpflichtung zum Nutri-Score
Trotz Kritik am Nutri-Score ist die erweiterte Nährwertkennzeichnung für die Bundesregierung ein wichtiger Baustein ihrer Ernährungspolitik. Mit dem Einsatz des Regulators soll die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Lebensmittelampel und damit deren Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht werden, teilte das BMEL mit.
„Immer mehr Lebensmittel tragen den Nutri-Score. Mit einer unabhängigen Stelle zur Marktüberwachung und Missbrauchsverfolgung wird der Nutri-Score als verlässliche Orientierungshilfe für die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Lebensmittelwahl weiter gestärkt“, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin im BMEL, Ophelia Nick.
Dem Ministerium zufolge haben sich aktuell 660 Unternehmen mit rund 1.030 Marken für die Verwendung des Nutri-Score in Deutschland registriert. Ein deutschlandweiter Marktcheck der Verbraucherzentralen im Jahr 2022 hatte ergeben, dass 40 Prozent der untersuchten Lebensmittel den Nutri-Score tragen, eine Steigerung um sieben Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Am häufigsten trugen demnach Pizzen das Ampel-Siegel.
Die Verbraucherzentralen sehen im Nutri-Score eine „verlässliche Hilfe für Verbraucher:innen bei der Auswahl von Produkten mit einer besseren Nährstoffzusammensetzung“. Sie fordern deshalb, das Siegel europaweit verpflichtend einzuführen, statt – wie bislang – auf Freiwilligkeit zu setzen.
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