Mit Kauffmann (66) geht eine innovative Wirtschaftsvisionärin, die 2011 den Weg mitbereitete für die Übernahme des Medienhauses in Mitarbeiterverantwortung. Diesem Thema bleibt sie künftig auch verbunden. Ebenso setzte sie sich seit Beginn engagiert für die Gleichberechtigung von Frauen und Chancengleichheit im Betrieb ein. Dies wurde mehrfach durch Preise gewürdigt.
Zusammenarbeit mit den ersten Bio-Läden
Das Jahr 1980 war die Zeit, in der sich die Bio-Bewegung bildete, und sie war geprägt von großen Umbrüchen: Zwei Ölkrisen sowie die mahnenden Umweltanalysen des Club of Rome führten zu einem starken Ruf nach alternativer und ökologisch-sozial verträglicher Wirtschaft. In diesem Jahr gründete Sabine Kauffmann gemeinsam mit Ronald Steinmeyer und weiteren Mit-Studenten den pala verlag.
Ihr Ziel war es, einen Beitrag für die nötige Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft zu leisten und dazu den Menschen leicht zugängliche Informationen zu bieten. So entstand zunächst die Zeitschrift „Offene und Praktische Nachbarschaft“, auch um Menschen mit ihren ökologischen Experimenten miteinander zu vernetzen und gute Ideen für einen ökologischen Alltag zu liefern. Schon bald intensivierte sich die Zusammenarbeit mit den ersten Bioläden.
Die Geburtsstunde von Schrot&Korn
Damals gab es etwa 300 „grüne Lädchen“ in Deutschland, die oft als kommunikative Treffpunkte fungierten. Durch den Austausch inspirierten und beförderten sich der junge Naturkosthandel und die junge Bio-Szene gegenseitig. In dieser entstandenen Nische prägte sich erstmals der Begriff „Bio“ für nachhaltigen Anbau, ökologisches Wirtschaften und die daraus entstehenden Waren. Die Verbindung zu den Läden war da und die Schubkraft einer neuen, großen Idee war gekommen.
1985 erschien dann erstmals des Naturkost-Magazin „Schrot&Korn“. Bis heute ist es das auflagenstärkste Bio-Kundenmagazin und mit 1,4 Millionen Lesern pro Ausgabe ein vielgelesenes Verbrauchermedium. Gleichzeitig ist Schrot&Korn das Kundenbindungstool der gesamten Branche. Mit dem Erfolg stiegen die Mitarbeiterzahlen, 1999 entstand „bio verlag“ als neuer Verlagsname, 2005 zog man dann ins eigene, neue und ökologisch gebaute Verlagshaus in Aschaffenburg, das bis heute Stammsitz ist.
Einsatz für Chancengleichheit
Teilhabe und Selbstbestimmung in der Arbeitswelt sowie die Unterstützung verschiedener Lebensentwürfe waren für Sabine Kauffmann von Anfang an wichtig. Früh setzte sie sich für die Chancengleichheit im Betrieb ein. Dies führte auch dazu, dass der Anteil von Frauen auf allen Entscheidungsebenen des Verlags überdurchschnittlich gelebt wird. Der Frauenanteil beträgt 80 Prozent, drei der sechs Führungskräfte sind weiblich.
Familienfreundlichkeit und Flexibilität sind seit Jahrzehnten gelebte Werte. Beispielsweise hat Sabine Kauffmann schon früh jungen Müttern ermöglicht, mit einer kleineren Stundenzahl an Arbeitszeit langsam wieder in den Beruf einzusteigen. Das war ein großer Vorteil, um Mitarbeiterinnen zu gewinnen, die diese Möglichkeit in anderen Unternehmen damals noch nicht hatten.
Biografiefreundliche Teilzeitmodelle werden seitdem im Verlag intensiv genutzt – von Männern, Frauen und auch in Führungspositionen. Mitbestimmung der Belegschaft bei Arbeitsort und Arbeitszeiten sind seit Beginn fester Bestandteil der Unternehmenskultur.
New Work – bevor es das Wort gab
Mit dieser konsequenten Ausrichtung auf persönliche Gestaltung und Flexibilität setzte sich Kauffmann früh für die Installation von Homeoffice-Strukturen ein. So entwickelten sich Aspekte von New Work, bevor es den Begriff überhaupt gab. Die Zeitschrift „Brigitte“ zeichnete den bio verlag drei Mal in Folge als eines der „Besten Unternehmen für Frauen“ in Deutschland aus.
2012 war der bio verlag Deutscher Gewinner in der Kategorie „Employer of the Year“ beim nationalen Entscheid der European Business Awards. Für seine familienfreundlichen Arbeitszeitmodelle und viele Frauen in Führungspositionen erhielt der bio verlag 2011 den „SIEgER-Preis“ der bayerischen Staatsregierung für die Region Unterfranken.
„Ich bin überzeugt davon, dass Unternehmen mit gebundenem Vermögen eine wichtige bis notwendige Ergänzung für die deutsche Wirtschaft sind.“
„Unsere Gesellschaft braucht Teilhabe der Mitarbeitenden an Kapital und Erfolg. Dies bindet die Mitarbeitenden ein und macht Lust auf Übernahme von Verantwortung“, davon ist Sabine Kauffmann überzeugt. 2011 wollten Kauffmann und Steinmeyer das Unternehmen unabhängig von sich als Gründern machen und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Beteiligung an den Geschicken des bio verlags sichern. Dazu entwickelten Mitarbeitende und Gründer zusammen ein Doppelstiftungsmodell zugunsten der Beteiligung (siehe Infokasten).
„Ich bin überzeugt davon, dass Unternehmen mit gebundenem Vermögen eine wichtige bis notwendige Ergänzung für die deutsche Wirtschaft sind“, unterstreicht Sabine Kauffmann. „So sichern wir das dauerhafte, nachhaltige Bestehen des bio verlags gemäß unserem Leitbild ‚gemeinsam ökologisch handeln‘. Damit ist auch das Fundament geschaffen für künftige Generationen und Wahlmöglichkeiten im Rahmen von Nachfolge.“
Das Doppelstiftungsmodell
Sabine Kauffmann stiftete 2011 gemeinsam mit dem damals scheidenden Gründer Ronald Steinmeyer ihre Gesellschafteranteile und ermöglichte so Beteiligung an Kapital, Erfolg und Entscheidungen.
Realisiert wurde dies über ein Doppelstiftungsmodell zugunsten der Beteiligung, das Mitarbeitende und Gründer zusammen entwickelten. Dieses Modell war nötig, denn bis heute gibt es immer noch keine einfache rechtliche Gesellschaftsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen, wie im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung aufgenommen und von der „Stiftung Verantwortungseigentum“ vorangetrieben.
Die Geste bedeutete auch, dass Sabine Kauffmann auf ihre Rechte als Gründerin verzichtet hat. Die gelebte Mitarbeiter-Beteiligung ist dadurch auf Gesellschafterebene abgesichert, gleichzeitig bewahrt das Stiftungsmodell den Verlag vor einem Zugriff durch eine Kapitalübernahme von außen.
Die Zukunft
Mit Sabine Kauffmann verlässt eine visionäre Bio-Pionierin die Bühne, die die Bio-Branche nachhaltig mitgeprägt hat. Bereits 2018 wurde sie für ein Jahr von der Stiftung für Ökologie und Demokratie e.V. zur „Ökologia“ berufen. Die Wahl fiel auf sie, da sie „als Botschafterin auf sympathische Art und Weise für die Ökologie wirbt“, so die Begründung.
Dem Bio-Gedanken sowie der innovativen Wirtschaftsweise bleibt Kauffmann auch zukünftig verbunden. Sie unterstützt weiterhin Unternehmen, die eine Mitarbeiterbeteiligung realisieren wollen und hält regelmäßig Vorträge zur Mitarbeiterbeteiligung und nachhaltigem Wirtschaften. Weiterhin wird sie den Verlag aktiv als Vorstand der bio verlag Stiftung begleiten.
Privat ist Kauffmann sportlich sehr aktiv, seit vielen Jahren auch als Aikido-Trainerin. Die studierte Wirtschaftsingenieurin, die ebenso gerne wandert und auch schon von München nach Venedig über die Alpen gelaufen ist, verabschiedet sich zunächst ein halbes Jahr in ein Sabbatical.
„Ich bin sicher, wir werden auch in Zukunft von ihr und ihrer Impulskraft hören“, sagt Geschäftsführer Stefan Reining. „Wir danken Sabine Kauffmann für ihre herausragende Leistung, dafür dass wir ihr Lebenswerk weiter entwickeln dürfen und wünschen ihr für die Zukunft von Herzen alles erdenklich Gute.“
Kommentare
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Gratuliere liebe Sabine, hoch sollst Du leben und nur noch machen, wonach Dir der Sinn steht! Du hast einen einzigartigen, sehr wertvollen Beitrag für die Entwicklung der Gesellschaft geleistet - es gibt nur einen Bioverlag, dank Dir! Susanne von BIOGARTEN