Die Naturland-Fachberatung steht vor einem Umbruch. Der bisherige Geschäftsführer Jens Binder verabschiedet sich vom Verband. Fünf Jahre lang leitete er die Öko-Beratungsgesellschaft mbH (ÖGB) und den Erzeugerring für naturgemäßen Landbau.
Nun will Binder sich nach fast 19 Jahren bei Naturland neuen beruflichen Herausforderungen stellen, teilt Pressesprecher Markus Fadl mit. Weil der Verband stark wachse – und damit auch die Aufgaben in der Fachberatung – sei Binders Doppelposten nun auf zwei Schultern verteilt worden.
Jens Binder arbeitete insgesamt fast 19 Jahre für die Fachberatung. Ab 1994 als Berater für die Oberpfalz, Mittel- und Oberfranken, ab 2002 als Geschäftsführer des Erzeugerrings. 2006 wechselte er für mehrere Jahre in ein Unternehmen außerhalb der Bio-Branche und kehrte 2014 als Geschäftsführer für die Öko-Beratungsgesellschaft mbH (ÖGB) und den Erzeugerring für naturgemäßen Landbau zurück.
An der Spitze der bundesweit tätigen ÖGB steht künftig Martin Bär, Regionalberater und weiterhin Geschäftsführer von Naturland Baden-Württemberg. Den bayerischen Erzeugerring leitet der 32-jährige Fachberater Thomas Neumaier. Stellvertretende Geschäftsführerin beider Organisationen bleibt Gertraud Branner-Hiebl. Sie ist verantwortlich für Finanzen, Controlling, Verwaltung und die Geschäftsstelle der Fachberatung in Hohenkammer.
Bär und Neumaier verbinde laut Naturland-Präsident Hubert Heigl eine „hohe landwirtschaftlich-fachliche Expertise“ und „das Talent zum Netzwerken“. Beide hätten damit „die richtigen Voraussetzungen, um die Arbeit der Fachberatung inhaltlich weiterzuentwickeln und an die Herausforderungen des sich wandelnden Öko-Markts anzupassen“.
Was macht die Beratung für Naturland?
Die Beratung für Naturland besteht aus den beiden von Naturland anerkannten Beratungsorganisationen Öko-Beratungs Gesellschaft mbH (ÖGB) und Erzeugerring für naturgemäßen Landbau e.V. Die über 70 Beraterinnen und Berater der beiden Organisationen unterstützen die 4.700 Naturland Erzeugerbetriebe in Deutschland und Österreich bei der Einhaltung der Naturland Richtlinien – von der Umstellung über Anbau- oder Stallbaufragen bis hin zur Betriebsentwicklung und Vermarktung.
Neuer Name und erweitertes Konzept
Mit dem personellen Wechsel gehen auch eine Erweiterung des Beratungskonzepts und eine Namensänderung einher. Aus der bisherigen „Fachberatung“ wird die „Beratung für Naturland“. So soll das Leistungsspektrum, mit denen die mehr als 70 Berater die Naturland Betriebe unterstützen, deutlicher zum Ausdruck kommen. „Öko-Beratung ist weit mehr als Anbauberatung. Wir müssen in Zukunft noch viel mehr als bisher in kompletten Wertschöpfungsketten denken, vom Acker bis ins Ladenregal“, erläutert Bär.
Wir wollen das Öko-Wachstum nicht nur bewältigen, sondern auch gestalten.
Binder habe neue Strukturen geschaffen, interne Abläufe neu organisiert, die Digitalisierung vorangetrieben und Personal aufgebaut, damit der Verband sein Wachstum überhaupt bewältigen könne. An dieses „starke Fundament“, wie Bär im Gespräch mit BioHandel sagt, wollen die neuen Geschäftsführer anknüpfen. Dabei gehe es nicht mehr nur darum, Öko-Wachstum zu bewältigen, „wir wollen es auch gestalten“, betont der 52-Jährige. Ziel ist es, den Öko-Landbau in die Breite zu bringen. In den vergangenen zehn Jahre sei dieser laut Bär zwar aus der Nische herausgetreten. „Aber er ist noch längst nicht Mainstream.“
Engere Zusammenarbeit mit dem Naturkostfachhandel denkbar
Für das, was er und Neumaier vorhaben, sei der Begriff „Fachberatung“ eigentlich zu eng gefasst, sagt Bär „Wir wollen die Öko-Beratung noch umfassender, ganzheitlicher gestalten.“. Das beinhalte verschiedene Dimensionen:
- Umstellungsberatung
- produktionstechnische Spezialberatung
- Betriebsbetreuung
- Entwicklung und Begleitung von Wertschöpfungsketten
Die Fachberatung steht an der Schnittstelle zwischen den Naturland-Betrieben und dem wachsenden Bio-Markt. Beim Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten würden Bär und Neumaier gerne enger mit dem Naturkosthandel zusammenarbeiten. „Hier wäre noch viel mehr möglich, um die Verbindung von Bio und regional gemeinsam voranzubringen, auf direktem Weg vom Naturland Hof ins Ladenregal“, sagt Bär.
Auch im Verband selbst soll sich die Fachberatung besser verzahnen. In erster Linie mit anderen Naturland-Organisationen. Zum Beispiel in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, wenn es darum geht, die Marke Naturland zu stärken. „Die wichtigsten Markenbotschafter sind unsere Naturland-Betriebe“, sagt Neumaier. „Und niemand ist näher dran als die Fachberatung.“
3 Fragen an Martin Bär
Herr Bär, einer der Gründe, warum Sie sich so gut als Geschäftsführer der ÖGB eignen, ist laut Naturland-Präsident Hubert Heigl Ihre hohe landwirtschaftlich-fachlich Expertise. Woher kommt die?
Ich berate und begleite seit über 18 Jahren landwirtschaftliche Betriebe im Öko-Landbau und auf ihrem Weg dorthin. Die Umstellungsberatung bereitet mir dabei bis heute besonders viel Freude, weil in dieser oft schwierigen betrieblichen Phase ein gehöriges Maß an Sensibilität für die individuelle Situation des Hofs und der Familie wichtig ist. Und wenn das dann alles geklappt hat und ich dazu beitragen konnte, dass ein neuer Öko-Betrieb erfolgreich im Markt steht, ist das einfach ein richtig gutes Gefühl.
Martin Bär ist diplomierter Forstwissenschaftler, hat Landwirtschaft studiert und ein Traineeprogramm für Fach- und Führungskräfte im Ökolandbau des Bundeslandwirtschaftsministeriums absolviert. Den Stallgeruch hat er im elterlichen Nebenerwerbsbetrieb kennengelernt.
Wie Ihr Kollege Thomas Neumaier sollen Sie auch ein Talent zum Netzwerken haben. Wie zeigt sich das?
Zunächst einmal bin ich ein kommunikativer Mensch. Das ist eine wichtige Voraussetzung, denn Öko-Beratung ist weit mehr als nur reine Anbauberatung, bei der man Fragen zur richtigen Düngung, zur Beikrautregulierung oder zum Stallbau beantwortet. Diese Spezialberatung ist ein wichtiger Baustein, aber eben nicht der einzige.
Öko-Betriebe sind grundsätzlich vielfältiger aufgestellt als konventionelle und stehen damit auch vor mehr unterschiedlichen Herausforderungen. Da geht es auch um Dinge wie die richtige Vermarktung, Kontrollen, Hilfe bei der Bürokratie, persönliche Weiterentwicklung, usw. Ich habe meine Arbeit als Öko-Berater deshalb immer schon auch als Netzwerkarbeit für mehr Bio verstanden, indem ich Kontakte herstelle zwischen verschiedenen Öko-Betrieben in der Region, zu Verarbeitungsunternehmen und im Idealfall auch zum regionalen Bio-Handel.
Was fordert Sie in Ihrer Position als ÖGB-Geschäftsführer am meisten heraus?
Die Gleichzeitigkeit vieler Entwicklungen, auf die reagiert werden muss. So bindet das aktuelle Wachstum in Erzeugung und Markt sehr viele Kräfte. Da stehen wir in der Öko-Branche aber wohl alle vor ähnlichen Herausforderungen, egal ob Bio-Ladner oder Öko-Verband. Überall treten die Pioniere zurück, der Übergang auf die neue Generation muss geschafft werden. Zugleich erscheinen neue Akteure sowohl in der Erzeugung als auch im Markt. Auch deshalb gilt es, neue Verbindungen zu schaffen oder alte zu stärken.
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