Alois Rainer soll in der neuen Regierung das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft leiten. Der 60 Jahre alte gelernte Metzgermeister, der nach seiner Ausbildung den elterlichen Metzgerei- und Gastststättenbetrieb übernahm, kam in den 90er-Jahren über das Bürgermeisteramt in seiner Heimatgemeinde Haibach bei Straubing in die Politik. Seit 2013 ist er Mitglied des Bundestages und Vorsitzender des Finanzausschusses. Nun soll er auf den amtierenden Bundesminister Cem Özdemir folgen.
Rainer sagt über sich selbst: „Meine Maxime war und ist immer, Entscheidungen mit gesundem Menschenverstand zu treffen und keine Versprechungen zu machen, die ich nicht einlösen kann.“
Zunächst andere Namen im Gespräch
Dass das Ministerium mit Alois Rainer, dem jüngeren Bruder der ehemaligen Bundesministerin und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, besetzt wird, ist eine Überraschung. Für den Posten des Agrarministers waren zunächst andere Namen im Gespräch gewesen.
Im November hatte CSU-Chef Markus Söder den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner, als seinen Wunschkandidaten für das Amt des Bundes-Agrarministers benannt. Nach einer Protestaktion von Aktivisten auf dem Bauernhof Felßners stand der Bauernpräsident Medienberichten zufolge nicht mehr für das Amt zur Verfügung. Als Kandidatin galt dann die bayerische Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Michaela Kaniber.
Bei der Bekanntgabe der Personalie am Mittag sagte Söder Medienberichten zufolge, er schätze Rainers „Bodenständigkeit und die Verknüpfung zu Bürgermeistern, Bauern, Handwerk und Gastro“. „Jetzt gibt es Leberkäse statt Tofu-Tümelei“, wird der CSU-Chef zitiert.
Was sich die Branche von Alois Rainer erhofft
Alois Rainer gilt nicht als ausgewiesener Agrarexperte, verfügt aber über Erfahrungen als Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Für Anne Baumann, Geschäftsführerin der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AÖL) macht Rainers Expertise im Lebensmittelhandwerk ihn „sehr spannend“, wie sie dem BioHandel gegenüber sagt.
Zwar werde in der Öffentlichkeit zumeist vom „Landwirtschaftsminister“ gesprochen, aber das Amt umfasse auch den Bereich Ernährung. „Wir gratulieren Alois Rainer ganz herzlich zum neuen Amt. Wir hoffen, dass er als Metzgermeister einen Blick für kleine und mittlere Unternehmen in der Lebensmittelbranche hat und weiß, was sie brauchen", sagt Baumann.
Auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begrüßt, „dass Alois Rainer sich nicht nur mit Landwirtschaft, sondern als Metzgermeister auch mit Verarbeitung exzellent auskennt – denn auf die Verarbeiterinnen und Verarbeiter kommt es an“. Von den 380.000 Beschäftigten im Bio-Bereich sind laut BÖLW 170.000 in der Verarbeitung beschäftigt.
„Die rund 55.000 Bio-Unternehmerinnen und -Unternehmer bieten gerade im ländlichen Raum viel und gute, sinnstiftende Arbeit“, betont die BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andrea in einer Stellungnahme. Insgesamt sei die Wertschöpfungskette Bio zwar auf Wachstumskurs, „doch es gibt noch viel Luft nach oben“, sagt Andres und ergänzt: „Als Bayer kennt Alois Rainer die Bio-Ausbauziele von mindestens 30 Prozent, die Bayern und Baden-Württemberg anstreben. Jetzt kann er im Bund dafür sorgen, dass diese in ganz Deutschland erreicht werden. Bayern ist mit seiner Politik in vieler Hinsicht Vorbild für eine Land- und Lebensmittelwirtschaft, die für Mensch, Tier und Natur gesund ist.“
„Als gelernter Metzgermeister kennt Alois Rainer Lebensmittelverarbeitung und ihre vorgelagerte Erzeugung in Deutschland, weiß um ihre Bedeutung für den ländlichen Raum und kennt die aktuellen Herausforderungen. Diese Erfahrung muss er nun nutzen, um sich entschieden für den Erhalt und die Stärkung vielfältiger, handwerklicher Strukturen einzusetzen – insbesondere auch für kleinere Betriebe“, wünscht sich Jörg Hütter, politischer Sprecher von Demeter, vom künftigen Agrarminister.
Bio-Anbauverbände sehen Erfahrungen von Alois Rainer positiv
Bei Demeter betrachtet man Rainers praktische Erfahrungen als Metzgermeister ebenfalls als Pluspunkt. Dadurch kenne er die Lebensmittelverarbeitung und ihre vorgelagerte Erzeugung in Deutschland, wisse um deren Bedeutung für den ländlichen Raum und kenne die aktuellen Herausforderungen, sagt Jörg Hütter, politischer Sprecher von Demeter. „Diese Erfahrung muss er nun nutzen, um sich entschieden für den Erhalt und die Stärkung vielfältiger, handwerklicher Strukturen einzusetzen – insbesondere auch für kleinere Betriebe.“
Naturland-Präsident Hubert Heigl kommentiert, es sei ein positives Signal, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium künftig von einem Minister mit einem direkten Bezug zur Landwirtschaft geleitet werde. „Jetzt kommt es darauf an, dass sich diese persönliche Nähe zur Landwirtschaft auch in einer Politik niederschlägt, die sich an der landwirtschaftlichen Praxis orientiert.“
Im Koalitionsvertrag werde der Öko-Landbau zurecht als wichtiger Innovationsmotor der Landwirtschaft hervorgehoben, „auch wenn ein konkretes Ausbauziel leider fehlt“. „Damit die versprochene Biostrategie zur Stärkung des Öko-Landbaus greifen kann, brauchen wir praxisnahe Regelungen, die den Rahmen setzen, innerhalb dessen Bio-Betriebe frei von unnötigen Dokumentationspflichten und Detailvorschriften wirtschaften können“, so Heigl.
Bioland appelliert an Rainer, den Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit entschieden voranzutreiben und dabei auch Grundlagen zu nutzen, die bereits geschaffen wurden. Bioland-Präsident Jan Plagge betont: „Dem Ökolandbau mit seinen vielfältigen Ökosystemleistungen kommt bei der Transformation des Sektors eine Schlüsselrolle zu, daher sollte der neue Agrarminister in seiner Amtszeit den Bio-Ausbau deutlich beschleunigen. Die Erfahrungen aus seiner bayerischen Heimat kann er dabei gewinnbringend nutzen: Anders als im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot gibt es dort ein Bio-Flächenziel.“
Mit der Bio-Strategie 2030 sei unter dem Vorgänger im Amt eine gute Grundlage geschaffen worden, an die es nun anzuknüpfen gelte. Gleichzeitig sei es wichtig, Hindernisse bei Erhalt und Ausbau des Ökolandbaus zu reduzieren, wie es auch im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot versprochen werde. Beim Thema Deregulierung Neuer Gentechnik könne Rainer auf seine Erfahrungen aus der bayerischen Heimat zurückgreifen – „denn dort war man bislang immer besonders stolz, ohne Gentechnik ausgekommen zu sein“, so Plagge. „Als neuer Agrarminister sollte er sich auf EU-Ebene dafür stark machen, dass gentechnikfreies Wirtschaften weiterhin möglich bleibt.“
Die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ) kommentiert den Koalitionsvertrag so: „Positiv am Koalitionsvertrag zu bewerten ist, dass er mehr Mittel für Ökolandbau-Forschung und -Bildung, die Einführung von Bio-Standards in der Gemeinschaftsverpflegung sowie den Abbau von Hindernissen bei den Düngeauflagen vorsieht. Dies sind die richtigen Hebel für mehr Bio-Landwirtschaft in Deutschland. Wir fordern deshalb vom neuen Landwirtschaftsminister diese Maßnahmen kraftvoll und zügig umzusetzen“, sagt Thomas Lang erster Vorsitzender der LVÖ Bayern. „Was ich jedoch (...) vermisse, ist eine klare Absage an die neuen Gentechniken. Beim Thema Gentechnik wünschen wir uns von Alois Rainer in Berlin eine deutliche Rückenstärkung für den Verbraucherschutz und für den Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft“, so Thomas Lang.
Kritik von Foodwatch
Eine ganz andere Meinung zur Personalie hat Dr. Chris Methmann, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch: „Alois Rainer ist die personifizierte Ambitionslosigkeit des Koalitionsvertrags. Zu gesunder Ernährung, nachhaltiger Landwirtschaft oder besserer Tierhaltung haben Union und SPD keinerlei konkrete Maßnahmen vereinbart. Auf die Inhaltsleere im Koalitionsvertrag passt diese Personalie perfekt", so Methmann.
Alois Rainer habe sich seit Jahren nicht mehr mit Agrar- und Ernährungsthemen beschäftigt. „Was ihn für das Ministeramt qualifiziert – außer seiner CSU-Mitgliedschaft und seiner Herkunft aus Niederbayern – bleibt rätselhaft“, so Methmann. Die Besetzung zeige, dass es Söder und Merz „mehr um Parteiproporz als um Fachkompetenz“ gegangen sei. Foodwatch sieht außerdem einen Interessenkonflikt: „Der Familienbetrieb seiner Söhne – eine Fleischerei mit angeschlossenem Gasthaus – würde direkt von der umstrittenen Gastro-Mehrwertsteuersenkung profitieren“, heißt es im Statement weiter.
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