Mit einer nach eigenen Angaben „europaweit richtungsweisenden Aktionswoche zu den Konsumfolgekosten“ will der Discounter Penny gemeinsam mit der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald die Grundlage für eine gesellschaftliche Diskussion über Lebensmittelpreise schaffen. Vom 31. Juli bis zum 5. August fordern alle 2.150 Penny-Märke für neun ausgewählte Produkte die berechneten „Wahren Kosten“ als Verkaufspreis.
In diese „True Costs“ haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ausgewählte konventionell und ökologisch erzeugte Eigenmarken-Produkte sowie ein veganes Lebensmittel die über die Lieferketten anfallenden Auswirkungen der Faktoren Boden, Klima, Wasser und Gesundheit auf den Verkaufspreis mit eingerechnet.
Anhand der Berechnungen kommt das Team um Professor Tobias Gaugler und Dr. Amelie Michalke zu der Erkenntnis: Die „Wahren Kosten“ sind bei den konventionellen, ökologisch erzeugten und veganen Lebensmitteln in unterschiedlichen Anteilen im Verkaufspreis erfasst. Die erhobenen Bio-Lebensmittel haben Umweltfolgekosten in Höhe von durchschnittlich 1,15 Euro, die konventionellen von durchschnittlich 1,57 Euro und das vegane Food For Future Schnitzel von 14 Cent.
„Müssen uns der unbequemen Botschaft stellen“
Die Differenz zwischen dem aktuellen Marktpreis und dem Wahre-Kosten-Preis spendet der Discounter dem Projekt „Zukunftsbauer“, das Penny mit der Molkerei Berchtesgadener Land betreibt. Ziel ist es, einen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der familiengeführten Bauernhöfe im Alpenraum zu leisten.
„Wir sehen, dass viele unserer Kundinnen und Kunden unter den unverändert hohen Lebensmittelpreisen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten nicht widerspiegeln“, teilt Chief Operating Officer Stefan Görgens von Penny zum Auftakt der Aktionswoche mit.
Aktion soll Grundlage für Preis-Diskussion schaffen
Der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald stellt Penny umfassendes Datenmaterial zur Verfügung. Es gehe darum die Grundlage schaffen, um die Diskussion über Lebensmittelpreise breiter zu fassen. „Wir können damit sicher wertvolle Erkenntnisse über Kaufverhalten und Akzeptanz für das Thema gewinnen", teilt Prof. Tobias Gaugler mit. Daraus ließen sich dann Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Akteure ableiten, um etwa politische Maßnahmen zu gestalten, die zu einer nachhaltigen Transformation des Lebensmittelsektors beitragen.
Es gehe nicht darum, die wahren Kosten unmittelbar für alle Lebensmittel einzuführen, sagt Dr. Amelie Michalke, von der Universität Greifswald. Dazu fehlten die umfassenden wissenschaftlichen Grundlagen ebenso wie Antworten auf zentrale Fragen der sozialen Gerechtigkeit. „Wir erhoffen uns einen starken Impuls, damit wir Preise für Lebensmittel in einer anderen und (verursacher)gerechteren Form diskutieren und betrachten“, so die Nachhaltigkeitswissenschaftlerin.
Penny schreibt sich nicht zum ersten Mal das Thema „Wahre Kosten“ auf die Fahnen. Bereits vor drei Jahren hieß es in einer Pressemitteilung: „Wir müssen dazu kommen, die Folgekosten unseres Konsums sichtbar zu machen.“ Das Unternehmen hatte in Zusammenarbeit mit einem Expertenteam der Uni Augsburg die versteckten Kosten ermittelt. Zum Ladenpreis addiert ergaben sich für diese acht Produkte neue, teurere Verkaufspreise.
Acht Produkte – vom Apfel, über Kartoffeln und Milchprodukte bis zum Hackfleisch (jeweils konventionell und bio) – wurden daraufhin im Nachhaltigkeits-Erlebnismarkt Penny Grüner Weg in Berlin-Spandau doppelt ausgepreist. Penny-Kunden bekamen diese am Regal mitgeteilt, mussten an der Kasse allerdings nur den alten Preis zahlen. Doch schon bald legte der Discounter das Experiment auf Eis.
Auch die Bios treibt das Thema um
Die Bios beschäftigen die „Wahre Kosten“ von Lebensmitteln schon
lange, weil Mehrkosten für Bio-Lebensmittel dadurch entstehen, dass
Öko-Landwirte umweltverträglicher wirtschaften. Oder umgekehrt:
Konventionelle Lebensmittel sind zu billig, weil die Umweltschäden und
die sozialen Kosten, die ihre Herstellung verursacht, von der
Allgemeinheit getragen werden. Das wissenschaftlich mit Zahlen zu
belegen, ist nicht einfach.
Einen ersten Versuch startete der niederländische Bio-Importeur Eosta (Nature and More) bereits 2015 und berechnete für einige seiner Obst-Lieferanten und konventionellen Nachbarbetriebe die externen Kosten. Soil and More und TMG-Thinktank for Sustainability griffen Eostas Erfahrungen auf und initiierten ein groß angelegtes True Cost-Projekt gemeinsam mit Unternehmen der Lebensmittelbranche sowie der GLS Bank und dem Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY). Es soll den ökologischen und sozialen Nutzen und die Kosten von Lebensmitteln in die Jahresabschlüsse von Unternehmen integrieren. Dazu lesen Sie ein exklusives Interview mit dem Mitbegründer von Soil and More Tobias Bandel in unserem 2020 erschienen Artikel Wie die Bio-Branche aus Pennys „Wahre Verkaufspreise“-Studie lernen kann. (juk/kam)
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