Naturkosmetik hat sich im vergangenen Jahr äußerst positiv entwickelt: „Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet sie ein Umsatzwachstum von 5,7 Prozent“, so Mirja Eckert bei der Vorstellung des Naturkosmetik Branchenmonitor 2020. Zum Vergleich: Der naturnahe Bereich entwickelt sich mit einem Zuwachs von 0,4 Prozent zwar ebenfalls positiv, „aber nicht mit der Dynamik, wie wir es ansonsten gewohnt sind“, so die Geschäftsführerin der Agentur für strategische Zukunftsthemen The New und seit Anfang 2020 Inhaberin des Marktforschungstools Naturkosmetik Konzepte. Die konventionelle Kosmetik war 2020 seit langem erstmalig sogar leicht rückläufig. Laut Industrieverband Kosmetik und Waschmittel (IKW) gingen die Umsätze hier um 0,1 Prozent zurück.
1,3 Millionen neue Käufer
Naturkosmetik ist also weiterhin der Treiber der Branche. Untermauert wird dies durch eine weiter Zahl: „Im Wachstumssegment Naturkosmetik haben wir im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Menschen hinzugewonnen, die von konventioneller zur Naturkosmetik gewechselt haben“, so Mirja Eckert. Inzwischen machen naturnaher und Naturkosmetik-Bereich zusammen fast 20 Prozent des Marktes aus.
Verschiebungen hin zu E-Commerce
Allerdings ist der Handel der Marktforscherin zufolge 2020 „komplett umgekrempelt worden.“ Als Beispiele nennt Mirja Eckert die Verschiebungen in den E-Commerce-Bereich und die starken Verwerfungen durch die Lockdown-Schließungen. Zwar hätten systemrelevante Formate weiterhin Körper- und Schönheitspflege verkaufen können. Der traditionelle Kosmetik-Fachhandel, v.a. die Kosmetikinstitute und Parfümerien, habe dagegen lange Schließungen hinnehmen müssen. Dennoch gibt es Eckert zufolge hier auch klare Gewinner, und zwar diejenigen, „die die Omni-Channel-Strategie gut haben umsetzen können und die sich auch Online bewegt haben.“
Keine Wachstumsraten wie bei Bio-Lebensmitteln
Positiv entwickelte sich die Kosmetik zwar auch im Bio-Fachhandel, allerdings längst nicht so stark wie der Lebensmittelbereich. „Während der Gesamtumsatz nach unseren Zahlen pro Laden im Schnitt um 14,4 Prozent zulegte, waren es im Kosmetik-Bereich 0,6 Prozent“, so Fabian Ganz von Biovista. „Das ist sehr schade, denn wir haben die Möglichkeit gehabt, über die Systemrelevanz geöffnet zu bleiben“, so Eckert. „Aber es sieht so aus, als seien die Zielgruppen dem Bio-Fachhandel als Einkaufsstätte für Kosmetik nicht so zugänglich.“
Verbrauchermärkte profitieren am meisten
Profitiert haben im Corona-Jahr vor allem die Verbrauchermärkte. Das zeigen die Zahlen, die das Marktforschungsinstitut Information Resources GmbH (IRi) erhoben hat. Untersucht wurde dafür die Entwicklung ausgewählter Produktgruppen (Gesichtspflege und -reinigung, inkl. Masken, Körper-, Hand- und Nagelpflege, Duschpflege und Badezusätze) in Drogerien, Verbrauchermärkte und Discount. „Das sind die Vertriebswege, die inzwischen 50 Prozent des Gesamtumsatzes mit Naturkosmetik ausmachen“, so Meike Sommer, Director Home & Beauty bei IRi. Das Ergebnis der Studie: „Im traditionellen LEH und in den Verbrauchermärkten wächst Naturkosmetik deutlich, in den Discountern verliert sie. In den Drogeriemärkten, wo neun von zehn Euro umgesetzt werden, bleibt der Umsatz auf Vorjahresniveau.“
Zahl der Naturkosmetik-Käufer steigt
Dass Kunden im vergangenen Jahr verstärkt zu Naturkosmetik gegriffen haben, bestätigt auch Anna Scheepers, Marketing Consult bei der Gesellschaft für Konsumforschung GfK: „Im Verbraucherpanel sehen wir trotz Corona ein starkes Wachstum von acht Prozent.“ Treiber war zum einen die Zahl der Naturkosmetik-Käufer, die 2020 um sieben Prozent gestiegen ist. Zudem legten die Kunden pro Einkauf mehr Produkte in den Einkaufswagen. Geringer war dagegen die Einkaufs-Frequenz (Stichwort One-stop-Shopping) und auch die Preise gingen leicht zurück.
Käuferreichweite bei knapp 30 Prozent
Dagegen konnte die Käuferreichweite weiter gesteigert werden. So haben Scheepers zufolge im vergangenen Jahr 29 Prozent der über 18-Jährigen mindestens einmal ein Naturkosmetik-Produkt gekauft (2019 waren es noch 27 %). Bei konventioneller Kosmetik liegt die Käuferreichweite laut GfK zwar bei 92 Prozent. Das bedeutet aber auch, dass der Markt in Bezug auf die Reichweite ausgeschöpft ist. „Da passiert nicht mehr viel“, so Scheepers.
Anders bei der Naturkosmetik: Im Schnitt gaben die Käufer im vergangenen Jahr rund 30 Euro für naturkosmetische Produkte aus. Laut Anna Scheepers entspricht das einem Anteil von ungefähr 14 Prozent am Gesamtbedarf an Kosmetik: „Wir haben hier also noch viel Luft nach oben!“
Große Unterschiede gab es im Corona-Jahr zwischen den en einzelnen Kategorien: Während die „Outer Categories“ (z.B. dekorative Kosmetik) einen starken Verlust von -16 Prozent zu verzeichnen hatten, sind die „Inner Catogories“ stark gewachsen. So legte etwa naturkosmetische Seife um 55 Prozent zu.
Nachhaltigkeitsthemen seit Pandemie noch wichtiger
Haben Menschen in der Pandemie andere Sorgen und achten nicht so sehr darauf, was sie kaufen? Und steigen sie eventuell sogar etwa wegen Geldsorgen wieder aus Naturkosmetik aus? Diesen Fragen ging die GfK in einer Befragung der Panel-Teilnehmer nach. Das Ergebnis: „Die Bedeutung von Klimaschutz, Artenschutz und zum Beispiel auch das Plastikthema sind, im Gegenteil, für Viele sogar wichtiger geworden“, so Scheepers. Ihr Fazit: „Auch wenn sie vielleicht in Zukunft weniger Geld zur Verfügung haben, werden sie trotzdem darauf achten, wofür sie es ausgeben und eventuell erst recht nachhaltige und qualitativ hochwertige Produkte kaufen.“
„Naturkosmetik wird weiterhin Wachstumstreiber bleiben“, ist sich Mirja Eckert deshalb sicher. Das liegt auch an gesellschaftlichen Mega-Trends wie Gesundheit, Individualisierung und Nachhaltigkeit. Allesamt „Themen, die auf komplette Lebensweisen der Menschen einzahlen“, so Trendforscherin. Allerdings steht für sie auch fest, dass es in einem sich verändernden Markt mit einer wachsenden Verfügbarkeit von Naturkosmetik und verändertem Konsumverhalten nicht mehr ausreicht, einfach so weiter zu machen wie bisher. „Es muss sich jeder fragen, wo sind die Absatzkanäle, in denen ich eine Rolle spielen will und wie soll mein Sortiment aussehen?“
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