So kamen wieder Branchenakteure, aber auch Logistiker, Wissenschaftler und Politiker auf dem Gelände von Bio-Großhändler Terra Naturkost zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie man den Güterverkehr der Bio-Branche emissionsärmer gestalten kann. Im ausgestellten Fuhrpark erfuhr man, wie sich Erdgas- oder Elektroantriebe in der Praxis machen. Fahrer und Inhaber von Unternehmen teilten ihre Erfahrungsberichte aus erster Hand.
Das Forum Grüne Logistik wird seit 2017 vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) in Zusammenarbeit mit Bio-Großhändlern veranstaltet. Mitinitiator war Bodan, an dessen Standorten in Garching bei München und Überlingen am Bodensee die ersten beiden Foren stattfanden. Mit Terra Naturkost als Partner zog die Veranstaltung in die Hauptstadt.
Die Transporter von Terra Naturkost rollen seit 30 Jahren durch den Nordosten Deutschlands. Von Berlin und Rostock aus werden mittlerweile 1.500 Läden und Gastronomen beliefert.
Erfahrung mit Erdgas
Die Transporter von Terra Naturkost rollen seit 30 Jahren durch den Nordosten Deutschlands. Von Berlin und Rostock aus werden mittlerweile 1.500 Läden und Gastronomen beliefert. Fünf der Lkw von Terra Naturkost fahren mit Erdgas-Antrieb (CNG), der in seiner Energiebilanz besser abschneiden soll als Diesel oder Benzin. Ganz sicher ist das aber nicht. Laut Prof. Dr. Gernot Liedtke vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. in Berlin sparten Erdgas-Antriebe bis zu 25 Prozent mehr CO2 ein als Diesel. In der Anschaffung sind sie aber deutlich teurer: Bei Scania Deutschland kosten LNG- oder CNG-Modelle etwa 20 und 35 Prozent mehr.
Terra Naturkost zahlte den Aufpreis für gleich 5 Lkw mit CNG-Antrieb. Die sind seit einigen Wochen im Einsatz, 2020 sollen weitere dazukommen. Geschäftsführer Meinrad Schmitt berichtete beim Forum Grüne Logistik: „Wenn meine Lkw-Fahrer aussteigen, dann sagen die: toll, klasse Auto.“ Jedoch: „Bei der Reichweite sind wir etwas enttäuscht.“ Man schaffe 250 bis 300 Kilometer, so Schmitt, sei aber von 400 bis 500 ausgegangen. Schmitt denkt auch über eine eigene CNG-Tankstelle auf dem Gelände seines Großhandelsunternehmens nach. Denn von den rund 14.500 Tankstellen, die es in Deutschland gibt, führen nur rund 900 CNG. Knapp 90 davon eigenen sich für Lkw, schreibt das Fachmagazin Verkehrsrundschau. Auch die Fahrer von Terra Naturkost seien etwas ängstlich, wenn es darum geht, mit dem CNG-Lkw rechtzeitig tanken fahren zu können. Den gesamten Erfahrungsbericht von Schmitt sehen Sie im Video:
Auch der Göttinger Bio-Großhändler Naturkost Elkershausen hat kürzlich vier neue Lkw mit CNG-Antrieb auf die Straße geschickt, teilte das Unternehmen mit. In Zusammenarbeit mit Scania, Carrier und Karrosseriebau Meyer in Göttingen wurden die Erdgas-Lkw auf die Bedürfnisse des Bio-Großhändlers angepasst. Sechs weitere Lkw der zehn Fahrzeuge starken Flotten sollen in den kommenden zwei bis drei Jahren ebenfalls den Erdgas-Pendants weichen.
Erdgas-Antriebe im Überblick
CNG (Compressed Natural Gas): Komprimiertes gasförmiges Erdgas, gibt es an ca. 900 Tankstellen in Deutschland, ca. 90 eignen sich für LKW.
LNG (Liquid Natural Gas): Flüssiges, reichweitenstarkes und leistungsstarkes, Erdgas mit immer höher werden dem Bio-Anteil (Methan), an sehr wenigen Tankstellen in Deutschland verfügbar.
LPG (Liquified Petroleum Gas): Nebenprodukt der Erdölraffinerie, kaum weniger schädlich als Benzin oder Diesel.
Welcher Antrieb für welche Strecke?
• CNG: Kurz- und Mittelstrecke
• LNG: Langstrecke
• Batterie-Elektro: Kurz- und Mittelstrecke
Herausforderungen von Erdgas- und Elektroantrieb:
• Wenige Tankstellen
• Wenige Werkstätten
• Hohe Anschaffungskosten.
Tipp: Einen Tankstellen-Finder für Erdgas gibt es unter www.erdgas.info, sowie als App für iOS und Android.
Erfahrung mit Elektro
Sven Sauerwein von Transgourmet aus dem hessischen Riedstadt sagt über den Elektro-Lkw von E-Force: „Das Fahrzeug ist top, die Fahrer sind begeistert.“ Einige Kunden möchten gerne nur noch mit diesem Fahrzeug beliefert werden, sind aber nicht bereit, dafür mehr Geld zu zahlen, wie Sauerwein berichtet. Wie bei Erdgas-Lkw sind die Anschaffungskosten auch bei Lkw mit Elektroantrieben vergleichsweise hoch. Mit dem Elektro-Lkw liefert Transgourmet Frische, Trocken- und Tiefkühlware. „Die Multitemperaturanlage zieht viel Energie, so dass wir auf eine tägliche Reichweite von etwa 100 km kommen“, so Sauerwein.
Einen Kleintransporter mit batteriebetriebenem Elektro-Motor brachte die Berliner Bio-Bäckerei Beumer & Lutum mit zur Ausstellung. Fahrer Rainer Matschenz gefällt vor allem, wie leise das Fahrzeug ist. Geschäftsführer Antonius Beumer will noch weitere Elektro-Transporter anschaffen.
Kleine batteriebetriebene Elektrofahrzeuge in die Flotte aufnehmen, ist genau das, was Experte Gernot Liedtke empfiehlt: „Die Technik ist ausgereift, die Kosten sinken von Jahr zu Jahr. Die Risiken sind inzwischen überschaubar.“ Wenn es gelingt, wieder mehr Windkraftanlagen in Betrieb zu nehmen, werde sich der CO2-Gehalt von Strom in den nächsten Jahren deutlich verringern. „Spätestens dann werden kleine Fahrzeuge mit batteriebetriebenem Elektroantrieb wichtig für die Belieferung von Siedlungsgebieten. Kleine Fahrzeuge müssen zwar häufiger fahren, sie sind aber agiler, nehmen weniger Platz weg, sind leiser und einfacher mit Elektro-Antrieb auszustatten. Zwar falle immer noch das meiste CO2 im Güterverkehr auf der Langstrecke an, aber auch die Logistik auf der letzten Meile könne so einen Nachhaltigkeitsbeitrag leisten und helfen, die Lebensqualität in Siedlungsräumen zu verbessern. „Daran müssen wir weiterarbeiten“, so Liedtke.
Wasserstoff als Lösung?
Viele setzen derzeit ihre Hoffnung in Wasserstoff. Eine Antriebsart, die auf den ersten Blick nur Vorteile bringt: leise, emissionsarm und so reichweitenstark wie Diesel. Dennoch: „Die Technik ist noch nicht marktreif“, sagt Liedtke, „sie ist noch zu energieintensiv“. Aufgrund der hohen Umwandlungsverluste von Strom in Wasserstoff und von Wasserstoff wieder in Strom ist die direkte Verwendung von Strom mittels Batterie oder Oberleitungen einer Wasserstofflösung vorzuziehen. Mit Fortschritten in der Batterietechnologie und der Erzeugung regenerativen Stroms ist jedoch bereits heute fest zu rechnen. Eine „1A“-Lösung für grüne Logistik gibt es noch nicht. Liedtke empfiehlt deshalb auf einen Mix aus verschiedenen Antriebsarten zu setzen, abgestimmt auf das jeweilige Fahrzeug. Grundsätzlich laufe es darauf hinaus, Energie zu sparen, so Liedtke.
Das gilt für die Entwicklung neuer Fahrzeuge, die etwa aerodynamischer werden müssen, genauso wie für die gesamte Wertschöpfungskette im Lebensmittelhandel.
Obwohl wir uns als Branche der Verantwortung für den Klimaschutz bewusst sind, sind wir noch weit entfernt von einer Gesamtlösung.
Möglichst wenig Strecke
Terra Naturkost versucht unter anderem Strecken kurz zu halten und Leerfahrten zu vermeiden. Das Unternehmen setzt dabei auf regionale Partnerschaften mit Gärtnereien, Landwirten und Verarbeitern. Die Lkw fahren möglichst ausgelastet. Zum Beispiel wird Leergut mit zurück ins Lager genommen, nachdem die Neuware beim Kunden ausgeladen worden ist.
Dr. Frank Straube ist Professor an der TU Berlin. Sein Fachgebiet Logistik hat Tools entwickelt, die Logistik-Unternehmen dabei helfen sollen, Prozesse Energie-effizienter zu gestalten. Das heißt Nachhaltigkeit umfassend in integrierten Logistiknetzwerken zu verbessern und neben CO2 auch NOx, Feinstaub, Lärm und Flächenbedarf zu bewerten. „Dann sinken auch die Emissionen insgesamt und auch noch die Kosten“, so Straube. Der Bio-Branche bot er beim Forum Grüne Logistik eine Zusammenarbeit an. Interessierte Unternehmen können sich bei ihm melden. Meinrad Schmitt äußerte bereits Interesse. Straube ist erreichbar über die Webseite der TU Berlin.
Es braucht aber auch die Politik, wenn Logistik umweltverträglicher werden soll. Denn sie muss die Rahmenbedingungen schaffen. Elke Röder, Geschäftsführerin des BNN, forderte mehr Engagement in Forschung, Förderung alternativer Mobilitätskonzepte und eine entsprechende Infrastruktur.
3 Fragen an Elke Röder
Die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren über die Herausforderungen an die Branche und welche Bedingungen ökologische Transporte brauchen.
BioHandel: Wie grün ist derzeit die Logistik der Bio-Branche?
Elke Röder: Die ist so grün wie moderne Logistik sein kann. Das heißt, nicht besonders grün und nicht besonders andersfarbig. Was will ich damit sagen? Es werden die modernsten Diesel-Lkw gefahren. Es gibt die ersten Versuche mit Gas-Lkw und es gibt im kleinen lokalen Bereich auch Elektroauslieferung.
Was braucht es, damit die Logistik grüner werden kann?
Da brauchen wir vor allen Dingen eine technische Entwicklung und politische Rahmenbedingungen. Wenn wir auf Elektro-Lkw umsteigen wollten, dann brauchen wir dafür leistungsfähige Lkw und Infrastruktur. Die Gas-Lkw kranken etwas daran, dass die Tankstellen nicht in ausreichender Dichte vorhanden sind, und was die politischen Rahmenbedingungen anbelangt, muss man sich schon auch die Frage stellen, inwieweit das Diesel-Privileg, das heißt die Subventionierung des Diesels durch die Bundesregierung, noch zeitgemäß ist.
Was kann die Bio-Branche tun?
Die Branche selbst kann sich zum Beispiel im Forum Grüne Logistik vernetzen und sich mit Fachleuten, der Wissenschaft und mit den Lkw-Anbietern austauschen, um bei den nächsten Lkw-Anschaffungen die richtigen Schritte zu tun. Die Branche kann darüber nachdenken, Effizienten zu steigern, dadurch dass man in eine intensive Zusammenarbeit kommt. Dazu hatten wir beim Forum Grüne Logistik ein interessantes Angebot von Prof. Dr. Frank Straube aus dem Fachbereich Logistik an der Technischen Universität Berlin bekommen.
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