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Preis-Monitoring

Lebensmittelpreise außer Kontrolle? Verbraucherschützer fordern Beobachtungsstelle

Die Verbraucherzentrale und die Verbraucherorganisation Foodwatch werfen den großen Lebensmittelkonzernen vor, die stark gestiegenen Preise trotz vielfach sinkender Rohstoff- und Energiekosten hoch zu halten. Beide fordern eine Preisbeobachtungsstelle für Transparenz und fairen Wettbewerb.

Seit dem Jahr 2020 sind die Lebensmittelpreise laut dem Statistischen Bundesamt im Durchschnitt um mehr als 34 Prozent gestiegen. Einer aktuellen repräsentativen Forsa-Umfrage zufolge müssen 39 Prozent der Befragten sich aufgrund der gestiegenen Lebensmittelpreise beim Lebensmitteleinkauf einschränken; bei jenen mit einem Haushaltseinkommen bis 2.000 Euro netto sind es sogar 70 Prozent. 61 Prozent der Verbraucher und Verbraucherinnen empfinden die derzeitigen Lebensmittelpreise außerdem als nicht fair. Der Bundesverband der Verbraucherzentrale (VZBV) und die Verbraucherorganisation Foodwatch fordern die künftige Bundesregierung auf, den hohen Lebensmittelpreisen entgegenzuwirken.

VZBV wie auch Foodwatch verlangen, eine Preisbeobachtungsstelle einzurichten, die Kosten und Preise entlang der Wertschöpfungskette erfasst. „So wären Lebensmittelpreise erstmals nachvollziehbar“, sagt Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik im VZBV.

Zusammensetzung von Lebensmittelpreisen nicht nachvollziehbar

Denn: Ob Lebensmittelpreise zwischen Bauern, Verarbeitern und Händlern fair gebildet werden und Verbraucher am Ende einen fairen Preis zahlen, lasse sich laut VZBV derzeit kaum sagen. In Deutschland sei es bislang nicht nachvollziehbar, wie sich Lebensmittelpreise zusammensetzen. 

„Es darf nicht sein, dass eine gesunde Ernährung immer mehr zu einer Frage des Geldbeutels wird“, betont Michaela Schröder. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen sich laut des Ernährungsreports des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gesund ernähren. Dabei ist ihnen auch Tierwohl und Nachhaltigkeit wichtig. Ob sie tatsächlich nach ihren Vorstellungen einkaufen können, hängt dem Report zufolge auch von Preis und Angebot im Supermarktregal ab.

Mit dem Appell wiederholt der VZBV seine eigenen Forderungen: Bereits im August 2024 hatte die VZBV die Machbarkeitsstudie zur Ausgestaltung einer Preisbeobachtungsstelle vorgestellt. Darin verweist die Verbraucherzentrale auch auf Länder wie Spanien und Frankreich, die dieses Instrument bereits etabliert haben.

Wie Verbraucherpreise erhoben werden

Im Vergleich zu Erzeuger- und Großhandelspreisen werden Verbraucherpreise im allgemeinen nicht von allen klassischen Markt- und Preisbeobachtungsstellen erhoben, heißt es in der „Machbarkeitsstudie zur Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette“ der AMI, die im Jahr 2024 im Auftrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale erstellt wurde.

Dies sei vor allem dann der Fall, wenn statistische Ämter diese schon veröffentlichen (wie in Tschechien und Ungarn). Es gebe aber auch Länder, für die nur Indizes der Verbraucherpreise für Lebensmittel von den statistischen Ämtern vorliegen (zum Beispiel Portugal). In solchen Fällen müsse man auf kostenpflichtige Marktforschungsdaten der Panelinstitute (zum Beispiel NielsenIQ oder Consumer Panel Serviсes GfK) zurückgreifen, wenn die Wertschöpfungskette von Einzelprodukten untersucht werden soll.

In Spanien stehen auch diese Daten kostenfrei zur Verfügung, weil sie vom Landwirtschaftsministerium finanziert werden.

In Deutschland bezieht das BMEL Verbraucherpreise von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) für konventionelle und Bio-Lebensmittel. Diese werden auf Grundlage der Einkäufe von Panel-Haushalten der Consumer Panel Serviсes GfK nach eigener Methodik berechnet.

In Frankreich erhebt die Marktbeobachtungsstelle RNM (Réseau des nouvelles des marchés) auch Verbraucherpreise für konventionelle und Bio-Lebensmittel bei den Großflächen des LEH und in Bio-Läden.

„Einzelne Lebensmittelkonzerne bestimmen die Preise, entscheiden über das Angebot und haben entscheidenden Einfluss darauf, was Verbraucher konsumieren.“

Bundesverband der Verbraucherzentrale

„In Deutschland verfügen einzelne Konzerne über eine große Macht im Lebensmittelsektor. Sie bestimmen die Preise, entscheiden über das Angebot im Supermarkt und verantworten große Werbekampagnen. Die großen Lebensmitteleinzelhändler haben so entscheidenden Einfluss darauf, was und wie Verbraucher konsumieren“, heißt es in der jüngsten Pressemitteilung der VZBV. 

„Nicht nachvollziehbare Preise und völlig intransparente Preiserhöhungen beschädigen das Vertrauen der Verbraucher in die Unternehmen der Lebensmittelindustrie und in die Wirtschaft. Damit muss Schluss sein“, fordert Michaela Schröder.

Foodwatch kritisiert fehlenden Wettbewerbsdruck

Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert eine Preisbeobachtungsstelle für fairen Wettbewerb. Seit der Corona-Pandemie hätten Handelskonzerne wie Aldi und Rewe die Preise auch bei einer hohen Anzahl ihrer als günstig beworbenen Eigenmarken kräftig angehoben – und seitdem in vielen Fällen nicht wieder gesenkt, trotz mittlerweile niedrigerer Rohstoff- und Energiekosten. 

Die Europäische Zentralbank nimmt an, so teilt Foodwatch mit, dass gestiegene Löhne in der Landwirtschaft, der Industrie und im Transportgewerbe zu höheren Produktionskosten geführt haben. Vollständig erklären könne sie die anhaltend hohen Lebensmittelpreise damit jedoch nicht. 

Auch die Monopolkommission, ein unabhängiges Gremium, das die Bundesregierung berät, hat die Preissteigerungen im Lebensmittelmarkt 2024 laut Foodwatch unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Schon seit vielen Jahren erhöhe der Einzelhandel zwar die Preise, wenn seine Kosten stiegen. Sinken diese jedoch wieder, würden die Einsparungen nicht in der Breite an die Verbraucher weitergegeben. Dies deute auf einen fehlenden Wettbewerbsdruck und oligopolistisches Verhalten hin.

Vorwurf der Preisabsprachen

„Die Unternehmen passen ihre Preise fast zeitgleich an, was den Verdacht möglicher Preisabsprachen nährt. Eine Preisbeobachtungsstelle sollte den großen Konzernen auf die Finger schauen und Preisentwicklungen leicht verständlich öffentlich machen“, fordert Laura Knauf von Foodwatch.

Dass sich die Preise bei allen Handelsketten nahezu deckungsgleich entwickeln, zeige der Foodwatch-Preisradar. Das Online-Tool bildet laut Foodwatch die Preise ausgewählte Produkte der Preiseinstiegs-Eigenmarken von Aldi, Rewe und Edeka ab Mai 2024 ab. Als Beispiel nennt Foodwatch den Joghurt der Eigenmarken von Gut & Günstig (Edeka), Ja! (Rewe) und Milsani (Aldi Nord): Sie kosteten laut der Verbraucherorganisation im Juni 2024 noch 0,89 Euro. Im Juli sei der Preis bei allen drei Handelsketten um jeweils 6 Cent gestiegen. Zum Januar 2025 seien die Preise aller Produkte nochmals gestiegen, dieses Mal auf 0,99 Euro.

Politik und Behörden bräuchten endlich Klarheit darüber, wie die Lebensmittelpreise im Einzelhandel entstehen, fordert Foodwatch. Nur so ließen sich unfaire Handelspraktiken und Preistreiberei wirksam eindämmen. 

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