Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Neuprodukte

Mit Kreativität durch die Krise

Lieferengpässe und hohe Preise haben es den Herstellern im vergangenen Jahr nicht leicht gemacht, neue Produkte zu entwickeln. Doch auch wenn nicht alles so gelaufen ist, wie geplant – die Ergebnisse können sich sehen lassen.

So geht Resilienz: Hersteller, die seit Jahren langfristige und faire Verträge mit Lieferanten pflegen, haben oft Glück und werden bevorzugt beliefert. Dennoch kämpfen fast alle mit Inflation, fehlenden Zutaten, Materialien oder Gaspreisen. Zudem hält gerade am anderen Ende der Kette eine verunsicherte Kundschaft das Geld zusammen. Dennoch: Die Zeichen stehen gut.

Nach einer Studie des Marktanalysten Deloitte von 2022 legen 63 Prozent der Verbraucher bei Kaufentscheidungen noch immer großen Wert auf Nachhaltigkeit – vor allem bei Frischprodukten wie Obst und Gemüse. Der Haken, das zeigt die Studie ebenfalls: Nachhaltigkeit soll nicht viel kosten. Fabian Ganz von bioVista ist überzeugt, dass an diesem Punkt mehr Kommunikation gefragt ist (siehe auch Interview). Außerdem kritisiert er: „Für eine Preisdifferenz, wie sie der konventionelle LEH mit Bio-Einsteiger- und Bio-Premium-Marken praktiziert, fehlt dem Fachhandel oft der Mut. Das Angebot ist dann weder exklusiv noch preisgünstig, so werden beide Chancen vertan.“

„Nachhaltigkeit ist gefragt“

Fabian Ganz ist Vertriebsleiter beim Marktforscher bioVista

Fabian Ganz von bioVista über geändertes Kaufverhalten und aktuelle Trends.

Herr Ganz, welche Trends bemerken sie aktuell?
Nachhaltigkeit ist gefragt: Zu den Top-Aufsteigermarken gehört Fairfood, ein Unternehmen, das sehr gut und transparent die Nachhaltigkeit seines Angebots kommuniziert. Dann vegetarische oder fleischlose Ernährung. Das ist zwar kein Megatrend, erobert jedoch schleichend immer mehr Bereiche der täglichen Ernährung. Aufsteigermarken in diesem Bereich sind VeLike und COWCOW, die auf Hafer-Milchalternativen setzen; Aufsteigerprodukte etwa „Wie Mettwurst“ von Zwergenwiese oder „Iss mir nicht Wurst“ von Allos. Herzhafte Brotaufstriche und gleichzeitig Substitute für klassische Wurstprodukte.

Wie schätzen sie generell das Kaufverhalten ein?
Die Kundschaft achtet sehr auf die Preise. Wir haben derzeit im Biofachhandel einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen, doch die Handelsmarken sind davon weniger betroffen als Herstellermarken. Sowohl jene, die der Handel selbst in Verkehr bringt, als auch die der Großhändler. Führend sind hier Dennree mit Dennree-Produkten und der Zweitmarke Gustoni sowie Bioladen von Weiling. Auch Die Regionalen haben mit Green eine neue Offensive gestartet.

Kein Wunder, man weiß ja nicht, was noch alles an Kosten auf einen zukommt.
Diese Unsicherheit ist greifbar. Verbraucher versuchen offenbar ihre Kosten über den Einkauf zu reduzieren. Die Antwort der Hersteller lautet „Downsizing“: Bei Neuprodukten sehen wir häufig, dass Verpackungen von vormals 1 Liter auf 900 ml verringert wurden – oder auch Rezepturänderungen, die darauf abzielen das Produkt günstiger zu machen. Verkauft wird es dabei als „noch nachhaltiger“ oder „verbesserte Rezeptur“. Die Hersteller sagen uns, dass sie bei der Produktentwicklung auf weniger Energie-intensive Herstellung achten.

Ressourcenschonendes Produzieren und nachhaltiges Handeln? Das ist Ur-Bio! Wenn hier ein paar zusammenrücken und gemeinsam Aktionen und Initiativen unterstützen, würde das sicher Synergien freisetzen. Als Einstieg bietet sich die von Bioland gegründete Insektenlobby an. Einfach Lobbyistin werden, ein bisschen die Werbetrommel rühren und Hingucker-Material, Infos, geplante Aktionen (www.bioland.de/insektenlobby) weitergeben.

Engagierte Bio-Player gibt es viele. Beispiel Spielberger, die gerade ihre Verpackungsbeutel aus Papier verschlanken – oder Sodasan, die kleine Tutorials zu ihren neuen Produkten mit Zero-Waste-Charakter anbieten. Hier wären laminierte QR-Codes nett, die man zur Aktionsware oder ans Regal heftet.

Neben dem Megatrend Nachhaltigkeit macht Hanni Rützler vom Zukunftsinstitut drei weitere Haupt-Zugpferde aus. Sie spiegeln sich bereits in den Absatzzahlen: „New Glokal“ – so regional wie möglich und so global wie nötig; „Veganisierung“ der Rezepturen, und „Fusion“ – das Mischen von und Experimentieren mit Weltküchenrezepten.

Neuentwicklungen im Krisenmodus

Jammern tun sie nicht, doch alle Hersteller sind an irgendeinem Punkt im Krisen­modus – und arbeiten an Lösungen. Alnavit etwa hätte im Frühjahr gern mehr Neues gebracht, doch Leiterin Stavroula Ekoutsidou betont: „Wir müssen teilweise für ein Jahr die Materialien sichern und frühzeitiger als bisher die Druckdaten für Neuprodukte an die Druckerei schicken.“ Das habe Launch-Termine von Neuprodukten ausgebremst.

Auch Rosengarten kennt das Problem: Wegen Verzögerungen bei Folienlieferungen wurde der Relaunch von Müslis schon zweimal verschoben. Ebenfalls gedulden muss man sich bei La Selva, eine Produkteinführung, wurde mangels „Glas-Spezialformat“ verschoben.

Herbaria prüft aktuell verschiedene Verpackungsoptimierungen, um den Materialeinsatz aufgrund der extrem gestiegenen Preise für Weißblech zu reduzieren. „Zusätzlich prüfen wir alternative Verpackungsmaterialien, die unseren Ansprüchen an Ästhetik, Nachhaltigkeit und Produktschutz gleichermaßen gerecht werden“, erklärt Marketingleiter Daniel Fehling.

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Johannes Ehrnsperger

„Innovationen machen Marken attraktiv“

Der Inhaber und Geschäftsführer der Neumarkter Lammsbräu spricht im BioHandel-Interview über die aktuellen Herausforderungen bei der Produktion und Preisgestaltung – und den Sinn von Neuprodukten.

Spannend sind die aktuellen Neuprodukte daher auch unter dem Gesichtspunkt der Krisenfestigkeit. Manuela Eschment vom Großbäcker Sommer etwa sagt dazu: „Die Energie- und Rohstoffpreise haben sich vervielfacht. Natürlich hat das Auswirkungen auf unsere bestehenden Produkte. Sie werden teurer und diese Teuerungen müssen wir auch weitergeben. Hindert uns das daran Innovationen umzusetzen? Nein. Wir arbeiten weiterhin an neuen Ideen und Innovationen.“

Wenn Inhaltsstoffe bei Naturkosmetika nicht verfügbar sind, bedeutet das für Hersteller einen erheblichen Mehraufwand. Für ein benecos-Lipgloss etwa war im vergangenen Jahr eine Substanz nicht mehr verfügbar. Nachdem daraufhin die Rezeptur verändert wurde, musste an neun verschiedenen Stellen die Zutatenliste aktualisiert, angemeldet oder neu eingepflegt werden: Etwa beim Cosmetic Products Notification Portal (CPNP) sowie bei Portalen wie DataNature. Onlineshops und Großhändler müssen informiert sowie die INCI-Informationen auf Etiketten und Displays erneuert werden.

Auch Tests müssen neu durchgeführt werden, etwa zur Wirksamkeit, Stabilität und Haltbarkeit und ob sich die neue Rezeptur mit der Verpackung verträgt. All diesen Widrigkeiten zum Trotz haben die Hersteller auch in diesem Jahr viele spannende Neuprodukte auf Lager. BioHandel stellt einige Highlights vor:

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