Biohandel

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Missernten und Spekulation

„An Bio-Kakao heranzukommen ist momentan sehr schwierig“

Die Importpreise für Kakaobohnen sind explodiert. Doch unmittelbar vor Ostern macht sich das noch kaum bemerkbar in den Schokoladenregalen der Lebensmittelhändler. Warum die Auswirkungen mit Verzögerungen kommen und wie sich Bio-Hersteller darauf vorbereiten.

Ostern und Schokohasen – das gehört für die meisten Deutschen einfach zusammen. Allgemein ist Deutschland mit einem Pro-Kopf-Absatz von rund sechs Kilo Schokolade jährlich ein Land der Schokoladenliebhaber. Doch nun bahnt sich eine Kakaokrise an.

Noch macht sie sich kaum in den Schokoladenregalen der Lebensmittelhändler bemerkbar. Kakao ist nämlich ein Vorfinanzierungsgeschäft. Das bedeutet: Schokoladenhersteller, die mit ihren Produzenten langfristige Lieferverträge haben, finanzieren ihren Kakao bis zu einem Jahr im voraus. Preisschwankungen bei Schokolade werden erst einige Monate später spürbar.

Während sich die Kundschaft an Ostern also noch über relativ günstige Schokolade freuen kann, sind sich Experten einig, dass die Süßigkeit in Zukunft teurer werden wird. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind die Importpreise für Kakaobohnen und Kakaobohnenbruch im Januar 2024 um 73,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Vor Ostern übersprang der Kakaopreis an der New Yorker Börse erstmals die Marke von 10.000 US-Dollar pro Tonne.

Wie kommt es zur Kakaokrise?

Bio-Schokoladenhersteller wie Ecofinia trifft die Situation hart. Geschäftsführer Gerrit Wiezoreck, dessen Firma für die Marke Vivani bekannt ist, sagt: „Wir sind seit Anfang des Jahres in einer großen Preis- und seit Anfang März diesen Jahres in einer Verfügbarkeitskrise.” Verzögerungen bei der Lieferung von Kakaobohnen bis hin zu Lieferausfällen machen Schokoladenherstellern neben explodierenden Preisen schwer zu schaffen.

Die Gründe für die Kakaoknappheit und hohen Preise sind vielfältig. Schlechte meteorologische Bedingungen, hervorgerufen durch das Wetterphänomen El Niño, Klimawandel und verschiedene Kakaokrankheiten haben gemeinsam zu historisch schlechten Ernten beigetragen. In manchen westafrikanischen Ländern, wo das Gros der weltweiten Kakaoproduktion stattfindet, fällt bis zur Hälfte der Ernten aus. Hinzu kommt, dass manche westafrikanischen Kakaobauern nun auf lukrativere Geschäfte, wie etwa den Handel mit Palmöl oder die Arbeit in Goldminen. Da Kakao auch an der Börse gehandelt wird, treiben Spekulanten die Preise für das knappe Gut weiter in die Höhe.

Dr. Kristy Leissle ist Gründerin und CEO von African Cocoa Marketplace und forscht zum Kakaohandel in Afrika. Sie sagt zur künftigen Preisentwicklung für den Rohstoff: „Wir befinden uns in einem Moment großer Ungewissheit. Längerfristig wird der Kakaopreis jedoch vermutlich hoch bleiben, es sei denn, wir kommen in einen weitern Zyklus mit robusten Lieferungen aus Westafrika.“

„An Bio-Kakao heranzukommen ist momentan sehr schwierig.“

Gerrit Wiezoreck, Geschäftsführer Ecofinia

Kleinere Bio-Schokoladenhersteller wie Ecofinia bringt das in eine angespannten Situation. „An Bio-Kakao heranzukommen ist momentan sehr schwierig“, sagt Gerrit Wiezoreck. Alle versuchten derzeit überall auf der Welt Kakao zu kaufen.

Ecofinia bezieht seine Bohnen von einer Kooperative in der Dominikanischen Republik. Zahlen des FIBL und IFOAM Organics International zufolge gehört der Karibikstaat neben Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo zu den größten Bio-Kakaoproduzenten weltweit. Doch auch sehr gute und langjährige Beziehungen schützten vor Extremsituationen nicht, so Wiezoreck. „Auch direkte Lieferketten sind fragil und unterliegen kommerziellen Zwängen“, sagt er. Bei den Bio-Kooperativen in der Dominikanischen Republik stehe man auf einmal im direkten Wettbewerb mit großen Herstellern, die sonst den günstigeren Kakao aus Westafrika kaufen. Weil dort die Ernten aber schlechter ausgefallen seien, kämen sie nun nach Lateinamerika, um die noch verbliebenen Kakaobohnen aufzukaufen, zum Teil mit fragwürdigen Praktiken, so Wiezoreck

Jan Schubert vom Bio-Schokoladenhersteller Original Beans, der besonders auf seltene Kakaosorten setzt, sagt: „Die Auswirkungen für die [Hersteller], die bisher sehr günstig eingekauft haben, werden deutlich schlimmer sein als für die, die bisher schon gute Preise gezahlt haben.“

Millionen Kakaobauern leben unter der Armutsgrenze

Sind die hohen Kakaopreise gute Nachrichten für die Kakao-Bäuerinnen und -Bauern? In Westafrika sind die Kakaopreise meist staatlich reguliert – und somit wirken sich die Marktturbulenzen dort noch wenig auf die Preise aus. Anders sieht es in Lateinamerika aus, woher auch der meiste Bio-Kakao kommt und die höheren Preise durchaus schon bei den Bauernfamilien ankommen.

„Grundsätzlich sind hohe Preise eine gute Entwicklung für die Kakaoproduzenten”, sagt Oskar Jönsson, Business Development Manager vom Bio-Schokoladenhersteller Gebana. Wenn diese jedoch mit großen Ernteeinbußen einhergehen, reiche das häufig nicht für den Lebensunterhalt.

Millionen von Kakaobauernfamilien leben nach wie vor unter der Armutsgrenze. Verschiedene Label und Initiativen versuchen, Abhilfe zu schaffen. „Das Fairtrade-Label hat Kakaobauern bisher geholfen, finanzielle Stabilität zu erlangen, denn es garantiert ihnen einen Mindestpreis”, erklärt Dr. Leissle. Anders ist es beim Bio-Zertifikat, wo es keinen Mindestpreis gibt, den Produzenten aber eine Prämie pro Tonne Bio-Kakao gezahlt wird.

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Generell ist die Kakao-Lieferkette jedoch sehr komplex. „Mit Millionen von Menschen in einer Lieferkette ist es schwer, irgendetwas zu garantieren”, so Leissle, „doch wenn eine Kooperative oder ein Produzenten-Zusammenschluss gut organisiert ist, könnten die Bauernfamilien eher profitieren.”

Gebana sucht derweil neue Wege, damit mehr Geld bei den Bauernfamilien ankommt: „Von der Schokolade, die wir über unseren Onlineshop verkaufen, gehen zehn Prozent vom Verkaufspreis zurück an die Bauernfamilien – zusätzlich zu Bio- und Fair-Preisen. Zudem wollen wir die Großhändler als unsere Partner davon überzeugen, dass sie langfristig höhere Preise bezahlen”, sagt Oskar Jönsson.

Ecofinia hält trotz der aktuellen Entwicklungen am direkten Handelsmodell fest: „Direktpartnerschaften mit Kooperativen sorgen für transparente Lieferketten – und dafür, dass genug Geld bei den Kakaobauern ankommt”, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung.

Ecofinia reagiert mit mehr Lagerkapazitäten

Um auch in Krisenzeiten den Kakaobedarf decken zu können, müssen Bio-Schokoladenhersteller umrüsten. Ecofinia beispielsweise möchte in größere Lagerkapazitäten investieren. Denn anders als die großen Hersteller, die noch auf volle Lager zurückgreifen können, produzieren die meisten kleinen Player bislang just-in-time. Mehr Pufferkapazitäten zu haben wird aber immer wichtiger.

Gerade aufgrund des Klimawandels und unregelmäßigerer Regenfälle, ist auch zukünftig mit weniger stabilen Ernten zu rechnen. Hier ist der ökologische Landbau besser aufgestellt. Denn Bio-Kakao wird zunehmend in vielfältigen Agroforst-Systemen angebaut. „Unsere biodiversen Kakao-Plantagen in der Dominikanischen Republik sind resistenter gegen Baumkrankheiten und Wetterschäden, das mindert das Risiko von Missernten”, ist Ecofinia überzeugt.

Kakao wird also nicht einfach verschwinden. Aber es stehen Veränderungen an. Möglicherweise werden neue Anbaugebiete in Zukunft wichtiger werden, auch für den Biomarkt. Konsumenten müssen wohl mit höheren Preisen für Schokolade oder mit kleineren Riegeln und Tafeln fürs gleiche Geld rechnen.

Das Ostergeschäft mit Hasen und Eiern aus Schokolade wird voraussichtlich in diesem Jahr noch seinen üblichen Lauf nehmen. Was die großen Umwälzungen am Kakaomarkt für die Bauern, Hersteller und Konsumenten im einzelnen bedeuten werden, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Sicher ist nur eines: Schokolade wird teurer werden.

„Bio-Kakao wird es weiterhin geben!“

Dr. Kristy Leissle, Gründerin und CEO von African Cocoa Marketplace.

Frau Leissle, wie wirkt sich die Kakaokrise auf den Biomarkt aus?
Die Krise trifft uns gerade in einer Zeit, in der Westafrika sich auf Wachstum vorbereitet hat. Einige westafrikanische Produzenten betreten momentan den ökologischen Markt und könnten dadurch zu großen Bio-Kakaobohnen-Lieferanten werden. Zurzeit sind nach wie vor Länder wie die Dominikanische Republik und Peru führend beim Export von Bio-Kakao. Für Bio-Kakao gibt es schon eine Prämie, und diese könnte noch höher werden. Gleichzeitig könnte der konventionelle Preis schneller ansteigen, wodurch sich die Preise für konventionelle und ökologische Schokolade annähern könnten.

Auf was müssen wir uns neben Preiserhöhungen noch einstellen?
Die Schokoladenindustrie wird nicht nur auf Preiserhöhungen setzen. Manche Produkte werden in Zukunft einfach nicht immer verfügbar sein. Oder aber Verpackungsgrößen könnten schrumpfen, um mit dem dramatischen Preisanstieg umzugehen. Beides habe ich schon beobachtet.

Kakao wird immer über Zwischenhändler gehandelt. Wie kommt die Bio-Prämie zu den Produzenten zurück?
Das Ausmaß, in dem die Prämie an die Bauern zurückfließt, ist sehr unterschiedlich. Das liegt an den variierenden Verwaltungskosten, beispielsweise für die Zertifizierung, die Umstellungszeit, die Prüfungsverfahren. Dadurch, dass Kakaobauern immer in Zusammenschlüssen mit anderen arbeiten und alle Kakaobohnen miteinander vermischt werden, hat der einzelne Kakaobauer letztendlich wenig Kontrolle über die Qualität der Bohnen im Schiffscontainer. Verunreinigungen von benachbarten Feldern oder vom Hafen können so leicht die Kakaobohnen verunreinigen, wofür die Bauern nichts können. Die Kontrollen sind hier sehr streng. Wieviel von der Bio-Prämie also bei den einzelnen Bio-Bauern ankommt ist sehr unterschiedlich.

Wie sieht die Zukunft des Bio-Kakaos aus?
Vor uns liegt eine instabile Phase. Die Preise werden aber ziemlich sicher auf einem höheren Niveau bleiben. Es bleibt abzuwarten, welche Kontinente und Länder in den Bio-Markt einsteigen werden. Die Präsenz von Bio nimmt sichtlich zu. Bio-Kakao wird es also auf jeden Fall weiterhin geben!

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