Seit 2022 regelt eine Branchenvereinbarung, wie eine gegenseitige Anerkennung von Rohwaren unter den Anbauverbänden Bioland, Gäa und Naturland ablaufen muss, etwa wenn ein Verarbeiter für ein Produkt zu einem Teil auch Ware von einem anderen Teilnehmer der Branchenvereinbarung einsetzt. Seit 2024 ist auch Biokreis dabei. Nun wollen Bioland und Biokreis über diese Vereinbarung hinaus noch enger miteinander kooperieren.
BioHandel: Jan Plagge, Thorsten Block: Inwieweit geht die Kooperation Eurer Verbände über die Branchenvereinbarung hinaus?
Jan Plagge: Die Branchenvereinbarung soll zum Vorteil für Erzeuger, Hersteller und Verbraucher Prozesse der gegenseitigen Rohwarenanerkennung sichern und vereinheitlichen. Darin steckt noch deutlich mehr Potenzial für Synergien. Wir wollen zum Beispiel gemeinsam die Fach- und Richtlinienarbeit weiterentwickeln und eine effizientere Qualitätssicherung erreichen.
Warum ist Naturland nicht mit dabei?
Thorsten Block: Jemand muss den Anfang machen. Mit Bioland und Biokreis haben sich zwei Verbände und viele Menschen gefunden, die mit einer großen Vorleistung an Vertrauen in dieses Projekt gestartet sind. Es ist aber nicht ausgeschlossen, weitere Verbände in die Kooperation aufzunehmen.
Jan Plagge: Wir reden mit allen Verbänden. Dabei kommt es auch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen, was der Bio-Branche in Deutschland weiterhilft. Biokreis und Bioland sind davon überzeugt, dass es einen engeren Schulterschluss in der Branche braucht. Wenn andere das anders sehen, dann ist das zu respektieren. Wir würden uns freuen, wenn unsere Kooperation nur ein Anfang ist von mehr Arbeitsteilung und Zusammenarbeit zwischen Verbänden, ohne dabei deren jeweilige Identitäten zu schwächen.
Wo besteht insbesondere Kooperationsbedarf?
Thorsten Block: Auf Verarbeitungsebene sind Anerkennungsprozesse immer noch zu aufwendig. Das gilt insbesondere für Verarbeiter, die mit Lieferanten und Abnehmern unterschiedlicher Verbände zusammenarbeiten. Synergien in Qualitätssicherung, Richtlinienarbeit und Aufgabenverteilung zu nutzen, macht die Vermarktung von Verbandsware weniger aufwendig – was vor allem die Erzeuger entlastet und wettbewerbsfähiger macht. Das ist wichtig, zumal wir uns in einer Zeit befinden, in der die Hersteller schon mit vielen bürokratischen Erfordernissen belastet sind – von den kommenden Berichtspflichten bis zu den Unsicherheiten durch die Green-Claims-Regulierung.
Und auf Erzeugerebene?
Jan Plagge: Wir haben aktuell kaum Umstellung, was nicht allein an der Nachfragesituation liegt. In vielen Rohstoffbereichen sind die Erzeugerpreise nicht kostendeckend. Aber es gelingt uns nicht, beispielsweise mit unserem Orientierungspreismodell, wirklich kostendeckende Erzeugerpreise bis hin zum Verbraucher zu transportieren und zu sichern.
2023 haben Bioland und Naturland einen Orientierungspreis für Rohmilch berechnet. Anfang des Jahres lag er bei 69,6 Cent pro kg
Jan Plagge: Ja richtig, aber es braucht eine branchenweite Lösung möglichst über alle Akteure hinweg. Ohne kostendeckende Erzeugerpreise wird die heimische ökologische Erzeugung schrumpfen. Wenn die Erzeugerbetriebe im Vergleich nicht wettbewerbsfähig sind, werden mehr Betriebe aufhören und nicht an die nächste Generation übergeben werden können. Das kann ein Verband nicht allein lösen. Kostendeckende Erzeugerpreise sind Aufgabe der gesamten Branche. Deswegen braucht es auch da einen engen Schulterschluss.
Biokreis und Bioland wollen auch gegenüber der Politik zu einem stärkeren Akteur werden.
Thorsten Block: Bei politischen Themen gibt es gemeinsame Interessen und Ziele. Diese erreichen wir besser mit einer gemeinsamen Stimme. Aber grundsätzlich wollen wir die politische Arbeit in den Strukturen des BÖLW halten. Wir wollen nicht einzeln loslaufen. Auch hier gilt, dass die Identität jedes einzelnen Verbandes beibehalten werden soll. Es ist wichtig, dass wir die Wahlfreiheit jedes einzelnen Mitglieds, zu einem bestimmten Anbauverband zu gehören, erhalten.
Jan Plagge: Wir wollen unsere bestehenden Dachverbände stärken. Dazu gehört, sich die Arbeit besser aufzuteilen. Das Wichtige in einer Interessensvertretung ist, dass Kontakte gepflegt, Themen bearbeitet und gute Positionierungen entwickelt werden. Das funktioniert nur, wenn alle Mitglieder aktiv sind und keine Ressourcen in einem vorgelagerten Wettbewerb verbraucht werden. Ich rechne fest damit, dass Biokreis und Bioland sich gut abstimmen werden und so auch den BÖLW stärken können.
Welchen großen Vorteil sieht Biokreis für seine Mitglieder in der Kooperation?
Thorsten Block: Der große Vorteil liegt in der gemeinsamen Bearbeitung der Märkte, also im Absatz der Rohwaren und der Schaffung von Synergien. Das sind die Kernthemen. Wir werden praxisnah einsteigen und hier relativ schnell Signale setzen und Erfolge schaffen. Damit schaffen wir für unsere Betriebe, Bündler, Verarbeiter und Händler schnell Vertrauen und senden ein sehr positives Signal in den Markt.
Und bei Bioland?
Jan Plagge: Ich sehe das wie Thorsten. Zudem soll durch Arbeitsteilung mehr Zeit im Haupt- und Ehrenamt entstehen, um die wichtigen Zukunftsthemen zu lösen. Zentral ist, dass wir das ganzheitlich gedachte System ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft wettbewerbsfähig halten gegenüber allen Alternativen, die in der Debatte sind – von einer intensivierten und immer künstlicheren Landwirtschaft bis hin zu einer regenerativen, nicht definierten Landwirtschaft. Und natürlich auch in Bezug auf die Frage, wie Klima- und Artenschutz wirksam in den Lieferketten integriert werden.
Eine Mehr-Marken-Strategie soll die Absatzkanäle festigen und ausbauen. Wie?
Thorsten Block: Wir wollen die Marken, die wir haben – also Biokreis, Biokreis regional & fair, Bioland und Gäa – sowie die Eigenmarken der Handelspartner gemeinsam optimal bearbeiten. Das Ziel ist Rohwarensicherheit für Verarbeiter und Handel. Gleichzeitig wollen wir mehr Verbraucher über die Kooperation im Handel und durch die Unterstützung von Herstellermarken erreichen.
Schon heute greift Bioland bei Engpässen auf Biokreis-Ware zurück und umgekehrt.
Jan Plagge: Das würden wir in Zukunft systematisch und dadurch in einem schlankeren Prozess machen, und dabei vor allem die Hersteller besser unterstützen. Auch stärkere regionale Kooperationen sind denkbar. Jeder Händler will kürzere Lieferketten. Das ist logistisch oft herausfordernd. Wenn wir regionale BiolandGäa-Biokreis-Liefergruppen hinbekommen, können wir hier für unsere Vermarktungspartner Mehrwert schaffen.
TB: Es ist wichtig, dass wir Verbände lernen, diese Rohwarenströme zu managen und zu regeln, damit auch unsere Mitglieder davon profitieren und keiner sagen muss, meine Ware fließt nicht mehr ab.
Welche Rolle spielen große Abnehmer wie Lidl für die tiefere Kooperation?
Jan Plagge: Keine. Es waren unsere Delegierten und Mitglieder, die zu mehr Schulterschluss aufgefordert haben. Die Landwirte vor Ort arbeiten oft schon sehr gut zusammen. Die Zeiten sind vorbei, in denen jeder alles separat macht. Die Zukunft des verbandlich organisierten Ökolandbaus steht auf dem Spiel, wenn wir es nicht schaffen, untereinander besser zu kooperieren. Mit unserer Vereinbarung sehen wir uns auf dem richtigen Weg.
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