Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Bio-Pionier Werner Lampert

„Mein Wunsch wäre, mit Naturland zu kooperieren“

Werner Lampert hat in Österreich zwei angesehene Bio-Linien für den LEH und Discount entwickelt. Im Interview spricht der 74-Jährige über Preiskämpfe in Deutschland, Gespräche mit Aldi sowie Naturland und er erklärt, warum seine Bio-Philosophie auch in Deutschland funktioniert.

Werner Lampert ist vor wenigen Tagen 74 Jahre alt geworden, doch ans Aufhören denkt der österreichische Bio-Pionier noch nicht. Mit seinem Beratungsunternehmen entwickelt er Bio-Produkte und ganze Sortimente für Kunden europaweit. Auf die Frage, für wen er als nächstes etwas konzipiere, antwortet er im Interview: „Da reden wir noch nicht drüber. Aber da wird noch einiges kommen. Wahrscheinlich schon im nächsten Jahr.“

Spekuliert wird, dass Lampert sein Bio-Konzept für den österreichischen Discounter Hofer nach Deutschland bringen könnte, zu dessen Muttergesellschaft Aldi. Hofer bietet mit „Zurück zum Ursprung“ eine qualitiativ hochwertige Bio-Eigenmarke an, deren Produkte zum größten Teil direkt aus Österreich stammen und vom Kunden bis zum Erzeugerbetrieb rückverfolgt werden können.

Nachhaltiges und regionales Bio sei flächendeckend auch in Deutschland möglich, sagt Lampert. Wer es schaffe, das anzubieten, „dem wird der Markt gehören“, ist er überzeugt. Naturkostläden sieht er trotz der Kooperationen von LEH und Discount mit Bio-Anbauverbänden nicht als deren Konkurrenten. „Die steigende Nachfrage nach Bio verlangt auch nach unterschiedlichen Anbietern, um diese Bedürfnisse befriedigen zu können“, sagt Lampert.

Herr Lampert, Sie beschäftigen sich seit den 1970er-Jahren intensiv mit dem biologischen Landbau. Wie hat sich der Bio-Markt in ihrem Heimatland Österreich in dieser Zeit verändert?

Noch bis Anfang der 1990er-Jahre war nur ein ganz geringer Teil der Bevölkerung interessiert an biologischen Lebensmitteln. Ende der 90er-Jahre waren es dann über 60 Prozent. Dazwischen hat die Regierung viel Geld in die Umstellung auf biologische Landwirtschaft gesteckt. Es gab anschließend viele Bio-Produkte aber keine Absatzmärkte. Das war einer der Gründe dafür, warum ich mit diesen Lebensmitteln dorthin gehen wollte, wo die Menschen tagtäglich einkaufen.

In Österreich haben Sie 1994 für die Supermarktkette Billa die Bio-Marke „Ja! Natürlich“ entwickelt. 2006 folgte „Zurück zum Ursprung“ für die Aldi-Tochter Hofer. Kern dieser Bio-Linie ist „Prüf Nach!“, ein System, mit dem Konsumenten nachvollziehen können, woher die Produkte kommen.

Das System hatten wir bereits entwickelt, bevor wir zu Hofer gingen. Grob gesagt, hat es zwei Schwerpunkte: Zum einen die Rückverfolgbarkeit: Kunden können sehen, welches Produkt von welchem Bauern kommt. Damit verbunden ist ein Qualitätssicherungssystem, mit dem wir die Warenflüsse- und -mengen genau kontrollieren und steuern können. Und zum anderen ist da die authentische Regionalität. Authentische Regionalität steht für Lebendigkeit, Heimat, Vielfalt, Schönheit, Eigenheit, für einen einzigartigen Geschmack, Tradition, Bezogenheit und verantwortliches Handeln. Gerade in der Coronakrise hat sich gezeigt, wie wichtig sie ist. Wenn wir über Ernährungssouveränität reden, wird es nicht ohne eine authentische Regionalität in der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion gehen.

Ihre Mission lautet hochwertiges Bio für alle. Wie weit sind Sie damit?

Ich bin einst davon ausgegangen, dass zur Jahrtausendwende 60 bis 70 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich auf Bio umgestellt haben werden. Da habe ich natürlich total versagt. Wir sind jetzt bei rund 25 Prozent. Ich bin also noch nicht da, wo ich mich vor 30 Jahren gesehen habe. Aber wir sind auf einem guten Weg. Corona hat gezeigt: Wenn es ernst wird, sind Regionalität und die Qualität der Lebensmittel den Konsumenten wichtig und auch das Wissen, woher diese kommen.

„Eine Schrebergarten-Regionalität wird nicht alle ernähren können“

Wagen wir trotzdem nochmal eine Prognose: Wie geht es mit der biologischen Landwirtschaft weiter?

Wir werden erleben, dass die konventionelle Landwirtschaft, die ja mit viel Geld aus Brüssel und den nationalen Regierungen vor die Wand gefahren wurde, auf digitale Landwirtschaft umstellt. Daneben wird es eine ganz starke biologische Landwirtschaft geben. Denn die wirklichen Probleme, wie schlechte Boden- und Humusqualität, kann die konventionelle Landwirtschaft auch in Zukunft nicht beseitigen. Das allergrößte Problem ist aber die unglaubliche Dynamik, mit der die Artenvielfalt ausradiert wird. Das ist ein existenzielles Problem. All diese Herausforderungen kann nur eine weiterentwickelte biologische Landwirtschaft lösen.

Kann es regionales Bio für alle geben?

Das kommt darauf an, wie man Regionalität definiert. Eine Schrebergarten-Regionalität, bei der Geschäfte ihre Produkte lediglich im Umkreis von 25 Kilometern beziehen, würde zwar Konsumenten und Hersteller erfreuen, aber die wird nicht alle ernähren können. „Prüf Nach!“ hat von Anbeginn geschaut, wo bestimmte Lebensmittel traditionell und qualitativ hochwertig produziert werden können. Dort haben wir Schwerpunkte der Regionalität gegründet und immer darauf geachtet, dass die Wertschöpfung auch in diesen Regionen bleibt, die Rohstoffe nicht abgezogen und irgendwo anders verarbeitet werden. Eine Heumilch von Kitzbüheler Bergbauern wird in der Region, wo die Produktion schon lange Tradition hat verarbeitet, aber in ganz Österreich vertrieben. Das verstehen wir unter authentischer Regionalität.

In Deutschland versuchen sich konventionelle Lebensmittelhändler immer wieder bei den Preisen für Bio-Produkte gegenseitig zu unterbieten. Kennen Sie solche Preiskämpfe auch aus Österreich?

Nein. Als ich 1994 begonnen habe, wollte ich von den Bauern wissen, was sie benötigen, um dauerhaft eine gute Qualität produzieren zu können. Damals gestalteten wir den österreichischen Markt und so waren unsere Preisvorgaben auch branchenübergreifend bindend. Auf dieser Ebene fahren wir weiter, das heißt, wir zahlen den „Zurück zum Ursprung“ Bio-Bauern einen fairen Preis, mit dem sie nachhaltig und langfristig wirtschaften können. Wir haben immer versucht, Preiskämpfen aus dem Weg zu gehen, denn die gehen immer zu Lasten der Tiere, der Natur und der Lebensmittelqualität. Bei Preiskämpfen gibt es keine Gewinner.

Wie teuer darf Bio sein im Vergleich zu konventioneller Ware?

Über den Daumen gepeilt zwischen 20 und 30 Prozent teurer. Bei allem, was darüber hinausgeht, wird es schwierig. Es gibt natürlich Ausnahmen. Bio-Hühnerfleisch beispielsweise ist mehr als 100 Prozent teurer als konventionelles und wird trotzdem sehr stark nachgefragt.

In Deutschland kooperieren Anbauverbände immer stärker mit dem LEH und Discountern. Ist das der richtige Weg hin zu gutem Bio für alle?

Das ist zumindest ein Weg, der eine gewisse Gewährleistung schafft, dass man aus den Preiskämpfen aussteigt. Denn ein Bio-Verband kann es sich nicht leisten, den eigenen Mitgliedern Dumpingpreise abzuverlangen.

„Ich möchte meinen Bio-Traum auch in Deutschland umsetzen“

Mit Aldi kooperiert bislang kein Anbauverband. Was würden Sie als Berater dem Discounter empfehlen?

Ich würde sagen, schaut euch mal an, wie das in Österreich funktioniert. Was hier möglich ist, ist auch in Deutschland möglich. Wenn man Bio in die Zukunft führen will, muss man Wert legen auf Nachhaltigkeit und Regionalität. Wer das in Deutschland umsetzen kann, dem wird der Markt gehören.

Würde das Konzept von „Zurück zum Ursprung“ mit dem Fokus auf Regionalität auch in Deutschland funktionieren?

Ja, das hätte man schon gestern machen können.

Auch wenn bislang nur zehn Prozent der Landwirtschaft hier biologisch ist?

Da braucht es natürlich Aufbauarbeit. Man muss die Bauern dafür interessieren und faszinieren, diesen Weg mit einem mitzugehen. Das bleibt einem nirgendwo erspart. Das wäre in Schweden, Frankreich, Italien und natürlich auch in Deutschland nötig.

Wer sollte das machen?

Ihr habt in Deutschland wunderbar starke Verbände, die können das machen. Und ich denke, es wäre gut, wenn das in Deutschland auch ein Lebensmittelhandelsbetrieb machen würde.

Es wird spekuliert, dass dieser Lebensmittelhandelsbetrieb Aldi sein könnte und Sie ihm dabei helfen. Was ist dran an den Gerüchten?

Da ist dran, dass ich seit 1995 meinen Traum von der biologischen Landwirtschaft auch in Deutschland umsetzen möchte, weil das der wichtigste Markt in Europa ist, vielleicht in der ganzen Welt.

Was heißt das konkret?

Es gibt immer wieder konkrete Gespräche. Wir haben selbstverständlich auch mit Aldi gesprochen. Aber auch mit anderen. Jedoch ist noch nichts wirklich passiert.

Warum nicht?

Das liegt daran, dass unser Modell sehr anspruchsvoll ist und man dafür gewisse Verpflichtungen eingehen muss. Den Bauern über Jahre hinweg Abnahme- und Preisgarantien zu geben ist etwas, das den Handel nervös macht.

Zur Person

Werner Lampert wurde am 7. Oktober 1946 im österreichischen Feldkirch (Vorarlberg) geboren. Seit den 1970er-Jahren beschäftigt er sich mit dem ökologischen Landbau. 1998 gründete er die Werner Lampert Beratungges.m.b.H. mit Sitz in Wien, die sich um die Entwicklung, Erzeugung und Vermarktung nachhaltiger, lebensfördernder und massentauglicher Bioprodukte und Bio-Marken kümmert. Lampert entwickelte für Billa (Rewe) die Bio-Linie Ja! Natürlich und für Hofer (Aldi) Zurück Zum Ursprung. Er hat mehrere Bücher geschrieben und hört gerne klassische Musik.

Sie haben Anfang 2020 die Werner Lampert GmbH in Gräfelfing gegründet, hundert Meter entfernt von Naturland – ein Zufall?

Das ist kein Zufall. Wir haben starke Sympathien für Naturland.

Inwiefern?

Mit Naturland gibt es immer wieder Gespräche. Mein Wunsch wäre, mit Naturland zu kooperieren. Wir sprechen darüber, ob unser Weg ein Weg ist, den Naturland mitgehen könnte. Aber das ist alles noch relativ offen.

Sie konzipieren laut ihrer Webseite Bio-Produkte und -Sortimente für Kunden europaweit. Für wen als nächstes?

Da reden wir noch nicht drüber. Aber da wird noch einiges kommen. Wahrscheinlich schon im nächsten Jahr.

„Naturkostläden können sich viel mobiler und spezifischer aufstellen“

Was bedeuten die Bio-Offensiven der konventionellen Händler in Deutschland für den hiesigen Naturkostfachhandel? Wo geht die Entwicklung dort hin?

Als ich 1994 angefangen habe, für Billa „Ja! Natürlich“ zu entwickeln, bin ich von den Naturkostläden massiv beschimpft worden. Dort wurde mir vorgeworfen, du zerstörst uns. Aber so wurde Bio auch der breiteren Gesellschaft nähergebracht. Davon haben auch die Naturkostläden profitiert, die dadurch mitgewachsen sind. Ich denke, das wird auch in Zukunft so ein. Naturkostläden können sich viel mobiler und spezifischer aufstellen im Vergleich zu großen Lebensmittelhändlern. Die steigende Nachfrage nach Bio verlangt auch nach unterschiedlichen Anbietern, um diese Bedürfnisse befriedigen zu können. Ich sehe Naturkostläden nicht in Konkurrenz zu konventionellen Lebensmittelanbietern. Aber eine Bedingung ist: Keiner darf irgendwelche blöden Preisspielereien treiben.

In Österreich werden 25 Prozent der Ackerbaufläche ökologisch bewirtschaftet, in Deutschland zehn. Ist Österreich Vorreiter oder hinkt Deutschland hinterher?

Der biologische Landbau in Italien, Spanien, teilweise auch Frankreich wäre so gar nicht möglich gewesen, wenn Deutschland nicht so viel Bio-Ware aus diesen Ländern bezogen hätte. So gesehen hat Deutschland zwar große Verdienste an der biologischen Landwirtschaft überall in Europa. Durch die österreichische Brille gesehen, aber geringe Verdienste bei der eigenen biologischen Landwirtschaft. Ich habe schon den Eindruck, dass die Regionalität vernachlässigt wurde. Da sollte meiner Meinung nach umgedacht werden.

Was halten Sie davon, dass die Novellierung der EG-Öko-Verordnung verschoben wird?

Dass die EU bei der Suche nach vernünftigen Lösungen für die Landwirtschaft immer wieder vor den nationalen Bauernverbänden und der Industrie in die Knie gegangen ist, ist ein Verbrechen. Dort werden unsere Steuergelder ausgegeben für eine konventionelle Landwirtschaft, die uns alle zerstört. Wenn die EU sich jetzt Zeit lässt, um etwas Ordentliches auf die Welt zu bringen, dann wäre das gut. Aber Vertrauen habe ich nicht viel.

Wenn dieses Interview erscheint, sind Sie bereits 74 Jahre alt geworden. Wie lange wollen Sie als Bio-Unternehmer noch weitermachen?

So lange meine Mitarbeiter mich aushalten. Bis jetzt haben sie sich noch immer gefreut, wenn ich ins Büro gekommen bin.

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