Geert Pauwels zeigt auf ein Foto: Links staut sich der Straßenverkehr, rechts verlaufen mehrere Gleise, alle unbenutzt. „Mit dem Eisenbahnnetz haben wir ein großes Infrastrukturnetz in Europa, das kaum genutzt wird“, sagt Pauwels. Er will das ändern. Er kann das auch, schließlich ist er der Vorstandsvorsitzende der belgischen Eisenbahngesellschaft Lineas. Geht es nach Pauwels, muss der Eisenbahnverkehr in Europa flexibler und dynamischer werden.
Zahlreiche Unternehmen arbeiten derzeit an Logistikkonzepten für die Zukunft. Sauberer soll der Verkehr werden. Moderne Computertechnik soll zudem vermeiden, dass Güter nicht in Staus stecken bleiben.
Pauwels Ansatz klingt denkbar einfach: Künftig donnern nicht mehr lange Güterzüge durch Europa. Stattdessen rollen die Waggons einzeln über das Schienennetz. Den Weg gibt ihnen eine künstliche Intelligenz vor. Die Waggons umfahren eigenständig Hindernisse auf den Trassen, indem sie eine andere Strecke wählen. Damit das gelingt, reiche es nicht, die Waggons mit modernen Sensoren vollzustopfen, erklärt Pauwels: „Wir wollen mehr, wir wollen Eisenbahn neu denken.“
Sechs bis sieben Mal mehr Fracht kann er mit seinem Ansatz transportieren, prognostiziert er. Denn einzeln fahrende Waggons müssen nicht mehr langwierig zu Zügen zusammengestellt und am Ziel auseinandergenommen werden.
Modulare Waggons
Der Eisenbahnwaggon der Zukunft ist modular aufgebaut. Für alle Anwendungen steht ein Fahrgestell zur Verfügung. Darauf kommt je nach Bedarf ein Container, eine Kabine für den Personentransport oder eine weitere Anwendung.
Künftig wird es nicht mehr allein um den Transport von Menschen und Gütern gehen. Davon ist Michael Meyer zu Hörste, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Geschäftsfeldentwicklung beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum, zuständig für den Bereich Eisenbahn, überzeugt: „Einige Servicedienstleistungen kann man auf die Schiene verlagern, beispielsweise eine Bankfiliale.“ Oder eben einen Naturkostladen. Das würde die Infrastruktur in entlegenen Dörfern und Regionen verbessern und diese Gegenden wieder lebenswerter machen.
Ein weiteres Konzept ist der Paketliefershuttle. In der Nähe bewohnter Gegenden reduziert dieser seine Geschwindigkeit. Drohnen heben vom Waggon ab, liefern Päckchen und Pakete aus und kehren zum Waggon zurück. Dann geht es auf der Schiene weiter zum nächsten Ort. Während große Internet-Versandhäuser bereits heute in den Ballungsräumen mit der Zustellung per Drohne experimentieren, könnte dieser Ansatz das Äquivalent für schwächer besiedelte Regionen werden.
Für den schweren Güterverkehr sind die Drohnen allerdings zu schwach. Doch hier sollen die Waggons automatisch be- und entladen werden. Der besondere Clou daran: Sie rollen dabei mit einer geringen Geschwindigkeit von zwei bis drei Stundenkilometern weiter. „Wenn sie nicht bis zum Stillstand abgebremst werden und danach wieder anfahren, spart das viel Energie“, sagt Meyer zu Hörste.
Transport rund um die Uhr
Oder der Güterverkehr verschwindet unter der Erde. Das plant Cargo Sous Terrain in der Schweiz. Mit 30 Stundenkilometern sollen selbstfahrende Transportfahrzeuge Güter durch die Schweiz bringen, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. 2030 wollen die Betreiber das erste Teilstück eröffnen. Einzelne Paletten sollen dabei von Versandzentrum zu Versandzentrum fahren. Die Betreiber weisen darauf hin, dass LKW im Durchschnitt auch nicht schneller vorankommen, wenn man die Geschwindigkeit in Innenstädten und Nacht- sowie Wochenendfahrverbote mitrechnet.
Soll es dennoch über die Straße gehen, wird das langfristig mit Elektromotoren geschehen. Das ist nicht neu. Auch wenn die großen LKW-Hersteller erst seit ein paar Jahren E-Fahrzeuge verstärkt anbieten: Smith Electric Vehicles machte das schon seit 1920. Anfang dieses Jahrtausends nutzte beispielsweise die Supermarkt-Kette Sainsbury‘s elektrische Lieferwagen des Herstellers. 2017 stellte Smith dann seine Aktivitäten wegen einer finanziellen Schieflage ein.
Lösungsansätze für die letzte Meile kommen aus der Logistikbranche. UPS hat in Deutschland mittlerweile 14 Cargo Cruiser im Einsatz, dreirädrige Elektrofahrräder, die sich nur fortbewegen, wenn der Fahrer auch strampelt. Weitere sollen folgen. Immerhin 2,2 Kubikmeter Ladevolumen haben die E-Trikes.
DHL testet E-Trikes
Deutsche Post DHL hat im Dezember 2014 das Unternehmen Streetscooter übernommen, das unter anderem E-Bikes und E-Trikes entwickelt. Die Trikes testet der Logistiker gerade. Rund 10.000 Pedelecs in Postgelb fahren nach Angaben eines Sprechers bereits durch Deutschlands Städte und Gemeinden. Den meisten Bundesbürgern dürften aber vor allem der Work und der Work L geläufig sein, elektrisch betriebene Lieferwagen mit Kastenaufbau. Das Unternehmen brauche kein Auto, das schneller als 80 Stundenkilometer fahre, mehr als 100 Kilometer Reichweite und eine Klimaanlage habe, erklärte Deutsche Post DHL-Vorstandschef Frank Appel im März in Berlin.
Ein Elektroantrieb geht der schwedischen Firma Einride nicht weit genug. Sie hat den Tpod entwickelt, einen selbstfahrenden Elektro-LKW. Der Mensch als Fahrer hat ausgedient. Bis 2020 wollen die Schweden auf der Strecke von Helsingborg nach Göteborg 200 dieser Fahrzeuge im Einsatz haben. Fernziel ist eine Abdeckung von 20 Prozent in Schweden. Mittlerweile hat Einride Partner gefunden, die das Projekt unterstützen. Der Logistiker DB Schenker gehört ebenso dazu wie die Discounter-Kette Lidl.
Längst keine Utopie mehr
Auch die traditionellen Automobilkonzerne und ihre Zulieferer arbeiten seit Jahren daran, Kraftfahrzeuge automatisiert fahren zu lassen. Bosch-Chef Volkmar Denner hatte bereits 2016 angekün[-]digt, bis Ende des Jahrzehnts sei automatisiertes Fahren auf Autobahnen möglich. Selbst parken können Autos schon. Die vollautomatische Lieferkette vom Erzeuger zum Laden ist keine Utopie mehr.
Roboter sollen die Ernte übernehmen und eigenständig Kisten und Paletten beladen. Die stapelt der automatische Gabelstapler in den LKW, der selbstständig zum Bahnhof fährt. Ein automatischer Kran lädt den Container auf ein Fahrgestell, das sich eigenständig den Weg zum Ziel sucht. Von dort geht die Ware je nach Umfang per LKW, Transporter oder Drohne weiter bis sie beim Ladner vor der Türe steht.
Aber nicht alles, was möglich ist, ist auch erlaubt. Verkehr ist streng reguliert. Noch fehlt das gesetzliche Regelwerk, das den vollautomatisierten Verkehr erlaubt.
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