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Grüne Woche

Zwischen Stolz und Skepsis: Thema Bio bekommt in Berlin die große Bühne

Rund um die Messe Grüne Woche in Berlin sind sich Agrarminister und -ministerinnen ebenso wie Vertreter aus Verbänden und der Wirtschaft einig: Bio ist eine Investition in die Zukunft, Bio hat Potenzial. Hürden und Erschwernisse sehen aber auch sie – genau wie die 9.000 Teilnehmenden an der „Wir haben Agrarindustrie satt“-Demo. 

Bei der Grünen Woche ist das Thema Bio gesetzt. Ob Politiker und Politikerinnen, Verbandsmitglieder oder Demonstrierende: Sie alle bekennen sich zur Bio-Landwirtschaft. Wer optimistisch und wer skeptisch, lesen Sie in diesem Überblick.

„Bio verkauft sich wie geschnitten Brot“ – mit dieser Nachricht begrüßte Tina Andres, Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, die Gäste aus Politik und Wirtschaft zum Bio-Empfang auf der Grünen Woche. 

Der Bio-Spitzenverband präsentierte dort die Erfolgszahlen vom Bio-Arbeitsmarkt: 380.000 Arbeitsplätze bietet die Branche laut aktueller Erhebung, mehr als die Chemieindustrie (310.000). Die Zahl der Arbeitskräfte hat sich seit 2009 mehr als verdoppelt und die Umsatzzahlen verdreifacht auf mehr als 16 Milliarden Euro für das Jahr 2023. Für 2024 rechnet der BÖLW mit einem Zuwachs deutlich oberhalb der Inflationsrate und des Marktdurchschnitts. 

Dass Bio in Deutschland aber durchaus ausbaufähig ist, betonte Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Bündnis 90/Die Grünen): Sie äußerte sich enttäuscht über ihren Gestaltungsfreiraum für Bio. „Unglaublich viel meiner Arbeitszeit geht damit drauf, Probleme zu lösen, die die Bio-Landwirtschaft nicht verursacht hat“, klagte sie. Dazu zähle durch Nitrat und Pestizide gefährdetes Grundwasser, Tierversuche für neue Pestizide, die Antibiotika-Kontrolle oder die Sorge ums Tierwohl. Weil Bio diese Probleme nicht beschere, sei es so wichtig. Staudte: „Bio muss Leitbild bleiben im Bund, Ländern und in Brüssel.“ Die Nachfrage müsse über Außerhausversorgung mit Bio gesteigert werden. Sie setze auf die Wirkung der neuen „Bronze-Silber-Gold“-Auslobungen für Kantinen.

Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner, den die CSU als Bundeslandwirtschaftsminister vorschlägt, erklärte: „Mein Herz hängt an der biologischen Landwirtschaft. Bio ist Zukunft.“ Er habe als konventioneller Rinderhalter vor zehn Jahren eine erfolgreiche Bio-Milch-Erzeugergemeinschaft gegründet. Aus seiner Sicht sind die wichtigsten vier Ziele der Agrarpolitik: die Ernährung in Europa und in Deutschland resilient zu sichern angesichts der geostrategischen Lage. Zweitens regenerative Energie im Kreislauf zu erzeugen und drittens mit diesem „grünen Kohlenstoff“ die Wirtschaft zu rekarbonisieren. All dies diene dem Hauptziel, dem Schutz der Ressourcen Böden, Luft, Wasser, Biodiversität und genetische Vielfalt. Felßner: „Um diese Ziele zu erreichen, ist der ökologische Landbau eine der essentiellen Methoden, die uns zur Verfügung stehen.“ 

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Mackensen-Geis lenkte den Blick auf die Bedeutung der Branche für den Mittelstand. Zentraler Teil der Bio-Wertschöpfungskette sei das Lebensmittelhandwerk. „Akteure wie Mühlen, Bäckereien, Metzgereien, Brauereien oder Weinbaubetriebe verbinden Tradition mit Innovation“, sagte Mackensen-Geis. Sie trügen wirtschaftlich zur Stabilität und zur kulturellen Identität ganzer Regionen bei. Wie identitätsschaffend Lebensmittel aus der Heimat seien, erlebe sie als Pfälzerin jedes Mal, wenn sie einen Riesling trinke. Ihr Fazit: „Jeder Euro, der in die Bio-Branche fließt, investiert in die Zukunft unseres Landes: sozial, ökologisch und wirtschaftlich.“ Sie bekräftigte das Ziel, den Bio-Anteil bis 2030 auf 30 Prozent auszubauen. 

„Wir haben es satt!“-Demo: 9.000 Menschen fordern Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft

Ein Bekenntnis und eine ambitionierte Förderung für eine ökologischere Landwirtschaft forderten auch 9.000 Demonstrierende und rund 60 Organisationen im Rahmen der „Wir haben es satt!“-Demo am vergangenen Samstag von der künftigen Bundesregierung. Gemeinsam forderten Menschen aus Landwirtschaft und Zivilgesellschaft Tier-, Klima- und Umweltschutz, faire Lebensmittelpreise und den Erhalt vielfältiger Höfe. 

„Wir alle wollen gesunde Lebensmittel. Wir alle wollen Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz. Die kommende Bundesregierung muss bäuerliche Betriebe dabei endlich adäquat unterstützen!“, sagt Anne Skambraks, Kampagnenleitung des „Wir haben es satt!“-Bündnisses. Dieses wirft der Bundesregierung vor, dem größten Rollback in der Agrarpolitik seit Jahrzehnten tatenlos zugeschaut zu haben. Dieser beschleunige den Klimawandel und den Verlust von Artenvielfalt. Zudem werde dadurch unter anderem die Planungsunsicherheit auf den Höfen erhöht. Diese und viele weitere Unwägbarkeiten sind laut des Bündnisses Gründe dafür, dass sich immer weniger junge Menschen dafür entscheiden, in der Landwirtschaft zu arbeiten.

„Die Agrarpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte hat es verpasst, einen mutigen Kurs für die Landwirtschaft vorzugeben. Das Ergebnis sind massive Probleme und kaum Perspektiven für bäuerliche Betriebe“, kommentiert Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Forderungen. „Zivilgesellschaft, Agrarsektor und Wissenschaft haben dafür gemeinsame Lösungen entwickelt. Eine neue Bundesregierung muss nach der Wahl Tier-, Klima- und Umweltschutz endlich voranbringen.“ Das ermögliche auch neue Zukunftsperspektiven für unsere heimischen Betriebe, so Bandt. Wichtig sei dafür dem Bündnis zufolge vor allem die Stärkung der Höfe mithilfe von verbindlichen Gesetzen, kostendeckenden Erzeugerpreisen und einer sicheren Finanzierung.

17. Agrarministerkonferenz will nachhaltige Bioökonomie stärken

Erneut bot die Grüne auch den Rahmen für die Berliner Agrarministerkonferenz, bei der sich Agrarministerinnen und -minister aus rund 70 Staaten sowie Vertreterinnen und Vertreter von 14 internationalen Organisationen wie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO) und des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) zum Austausch trafen. 

Unter dem Vorsitz des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, haben sich die Verantwortlichen darauf geeinigt, eine nachhaltige Bioökonomie voranzutreiben. Dabei bekannte sich die Konferenz zu Maßnahmen wie der Stärkung des Beitrags nachhaltiger Bioökonomie zur globalen Ernährungssicherung, dem Erhalt der Biodiversität und dem Klimaschutz. 

Weiterhin unterstützen die Ministerinnen und Minister dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zufolge die Initiative, ein Projekt der FAO zur Ausgestaltung einer globalen Bioökonomie-Partnerschaft zu finanzieren. Innerhalb dieser Partnerschaft mit internationalen Partnern soll bei der FAO Wissen gebündelt und Ansätze koordiniert werden. 

Die wesentlichen Ergebnisse der Agrarministerkonferenz lesen Sie im Abschlusskommuniqué des Global Forum for Food and Agriculture. (dan/juk)

 

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