Im Ständigen Ausschusses für Lebensmittel der EU hat sich am Donnerstag keine qualifizierte Mehrheit gefunden, um die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verlängerung der Verwendung von Glyphosat um zehn Jahre zu genehmigen. 55,3 Prozent der Mitgliedsstaaten haben sich bei der Abstimmung enthalten, drei Prozent lehnten den Vorschlag ab.
Nachdem es wie bereits im Oktober eine Patt-Situation bei der Abstimmung gegeben hat, liegt die Entscheidung nun bei der EU-Kommission. Trotz der Minderheit, die im Berufungsausschuss einer weiteren Zulassung zustimmte, verkündete die Kommission kurz nach dem Votum, dass sie den Einsatz von Glyphosat für weitere zehn erlauben werde. Die aktuelle Zulassung von Glyphosat läuft Mitte Dezember aus.
Wie schon bei der Abstimmung im Oktober enthielt sich Deutschland auch dieses Mal. Nach BioHandel-Informationen pochte das FDP-geführte Verkehrsministerium auf eine Verlängerung der Glyphosatzulassung. Der Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung, Cem Özdemir, sagte am Donnerstag: „Eine Enthaltung ist wie ein Nein.“ Das Votum sei ein klares Signal an Brüssel, dass die Mehrheit der EU kein Glyphosat mehr wolle.
Ähnlich hatte Özdemir schon nach der ersten Abstimmung im Oktober argumentiert und wurde dafür kritisiert. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte dem Minister daraufhin eine „irreführende Kommunikation" vorgeworfen.
„Das Ergebnis ist ein Armutszeugnis politischer Verantwortung."
Die Frage, ob Glyphosat wie geplant Ende des Jahres in Deutschland verboten werde, wollte Özdemir nicht beantworten. Bei der Vorstellung der Bio-Strategie 2030 am Donnerstag, sagte er: „Ich gehe davon aus, dass sich alle drei Koalitionspartner diesem Ziel verpflichtet fühlen.“ Man wolle hierzu den nationalen Spielraum ausnutzen. Wie schwierig das werden wird, zeigt das Beispiel Luxemburg, dass keinen Glyphosat-Einsatz mehr haben wollte. Der Chemiekonzern Bayer klagte dagegen und bekam vom Europäischen Gerichtshof Recht.
Die Reaktionen aus der Bio-Branche zum Abstimmungsergebnis waren eindeutig: „Mit der heutigen Enthaltung hat die deutsche Bundesregierung die Riesenchance vergeben, Glyphosat endlich vom Acker zu bekommen“, teilte Boris Frank, erster Vorsitzender vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL), mit. „Dabei verspricht dieselbe Regierung, dass Produkte aus Ökolandbau – bei denen die Anwendung von Glyphosat nicht erlaubt ist – bis zum Jahr 2030 einen Marktanteil von 30 Prozent erreichen sollen.“
„Das Ergebnis ist ein Armutszeugnis politischer Verantwortung und weder verantwortungsvoll noch nachvollziehbar“, kommentierte Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischem Parlament und Mitglied im Umweltausschuss das Votum. „Die Mitgliedsländer haben das Ruder aus der Hand gegeben und überlassen nun der Kommission die Entscheidung.“
Naturland-Präsident Hubert Heigl nannte das Votum „eine herbe Enttäuschung“, auch weil Deutschland sich auf Druck der FDP erneut nur enthalten habe. „Sollte die EU-Kommission ihre Ankündigung dennoch wahr machen und die Genehmigung für Glyphosat ein weiteres Mal verlängern, dann muss sie diese Entscheidung zumindest mit einem klaren Ausstiegsszenario verbinden. Sonst wird das EU-Ziel einer 50-prozentigen Reduktion des Einsatzes gefährlicher Pestizide endgültig unglaubwürdig.“ Gute Landwirtschaft brauche kein Glyphosat und auch keine anderen Totalherbizide, so Heigl. „Das beweisen zehntausende Bio-Betriebe Tag für Tag.“
BeL will sich an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wenden
Die EU-Kommission kann nach dem erneuten Votum ohne qualifizierte Mehrheit nun verbindlich entscheiden, ob der Einsatz von Glyphosat verlängert wird. Das Gremium spricht sich dafür aus, Glyphosat für weitere zehn Jahre zu erlauben. Sollte die Kommission das Herbizid weiterhin zulassen, wäre das „ein Tiefschlag“ für Europas Konsumenten, Landwirte und eine Ignoranz wissenschaftlicher Evidenz, so Häusling.
Boris Frank kündigte an, nicht locker zu lassen. Man werde sich zusammen mit 105 weiteren Organisationen an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wenden, die Nichtverlängerung der Zulassung vorzuschlagen – im Sinne des europäischen Green Deal.
Erst vor wenigen Woche veröffentlichten Wissenschaftler Ergebnisse einer Langzeitstudie, wonach Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat bei mehreren Tieren Leukämie ausgelöst habe – auch bei Dosierungen, die bisher als unbedenklich eingestuft wurden.
Kommentare
Registrieren oder anmelden, um zu kommentieren.
Eine Enthaltung ist wie ein Nein." - Wie war denn die Fragestellung?
"Wollt ihr, dass Glyphosat weiter zugelassen wird? - Nein." oder "Seid ihr gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat? - Nein"