Mitte Oktober wollen die EU-Mitgliedstaaten über den verlängerten Einsatz des chemisch-synthetischen Herbizids Glyphosat abstimmen. Geht es nach der Europäischen Kommission, soll der umstrittene Unkrautvernichter für weitere zehn Jahre auf Felder und Äcker gespritzt werden dürfen. Einen entsprechenden Vorschlag hat die Kommission am Mittwoch veröffentlicht.
Nur mit einer qualifizierten Mehrheit kann eine erneute Zulassung durchgewunken oder abgelehnt werden. Sollte es zu keiner Entscheidung kommen, könnte die EU-Kommission eigenständig über eine Verlängerung entscheiden.
In der Landwirtschaft werden Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat dazu benutzt, Unkräuter und Ungräser vor oder nach dem Anbau von Feldfrüchten oder in Dauerkulturen zu bekämpfen. Bio-Verbände und Umweltschutzorganisationen kritisieren den Einsatz von Glyphosat vehement, weil das Mittel eine Gefahr für Mensch und Natur darstelle. Bioland zufolge greifen Totalherbizide wie Glyphosat massiv in die Ökosysteme mit ihren Nahrungsketten ein und hätten dadurch einen erheblichen Anteil am Artensterben. „Das ist in zahlreichen Studien immer wieder nachgewiesen worden“, teilte der Verband nach Bekanntwerden der Kommissionsempfehlung am Mittwoch mit.
„Das ist ein umwelt- und gesundheitspolitischer Skandal, die Faktenlage zur Unbedenklichkeit von Glyphosat ist fragwürdig.“
Auf Grundlage von unabhängigen Studien kam die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) im Jahr 2015 zu dem Ergebnis, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend sei. Zuständig für die Zulassung von Glyphosat sind jedoch nationale Behörden und diese verlassen sich fast ausschließlich auf die Angaben der Pestizidhersteller.
Glyphosat-Hersteller Bayer etwa betont immer wieder die Unbedenklichkeit des Unkrautvernichters. Anfang Juli stärkte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dem Chemiekonzern den Rücken: Trotz festgestellter Datenlücken und ungeklärter Fragen habe man „keine kritischen Problembereiche ermittelt, die in Bezug auf das von Glyphosat ausgehende Risiko für Mensch und Tier oder die Umwelt Anlass zu Bedenken geben“, teilte die EFSA mit.
„Das ist ein umwelt- und gesundheitspolitischer Skandal, die Faktenlage zur Unbedenklichkeit von Glyphosat ist fragwürdig“, kritisiert der Grünen-EU-Abgeordnete Martin Häusling den Vorstoß der Kommission. „Die EU-Kommission konterkariert mit dieser Vorlage ihre eigene Glaubwürdigkeit und Kohärenz. Man kann nicht das meistverkaufte, hochtoxische Pestizid Glyphosat weiter im Einsatz lassen, wenn erklärtes EU-Ziel die Nachhaltige Verwendung von Pestiziden und die Wiederherstellung der Natur ist.“
Deutschlands amtierende Regierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass ab 2024 kein Glyphosat mehr auf deutschen Äckern gesprüht werden soll. Dennoch hat sich die Ampel-Koalition bisher nicht klar dazu bekannt, in Brüssel gegen die weitere Zulassung zu stimmen.
Die ökologische Landwirtschaft setzt zwar keine chemisch-synthetischen Pestizide ein, dennoch sind die Mittel nicht nur für die Bio-Erzeugerinnen und -Erzeuger ein großes Problem. Denn die Spritzgifte gelangen durch Verwehungen mitunter auch auf ihre Felder. Laut einer Untersuchung des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BeL) und des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN) muss die Bio-Branche rund 23 Millionen Euro pro Jahr allein für freiwillige Pestizidrückstandsanalysen ihrer Produkte aufbringen.
In einer Stellungnahme forderte Bioland Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zum Handeln auf: Er solle „im Oktober Farbe bekennen, gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat stimmen und mit vollem Einsatz für Mehrheiten gegen eine Wiederzulassung werben.“
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