Weihnachtszeit ist Schokoladenzeit. Statistisch gesehen haben die Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig mehr Schokolade gegessen. 2022 waren es laut des Statista Consumer Market Outlook pro Kopf fast sechs Kilogramm, Tendenz weiter steigend. Demnach gehört Deutschlands Bevölkerung im europäischen Vergleich zu den größten Abnehmern von Schokolade.
Die gute Nachricht: Die Verbraucherinnen und Verbraucher achten immer stärker darauf, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt werden. Das gilt auch für Schokolade. Dem Forum Fairer Handel zufolge steigt der Anteil der Schokolade am gesamten Umsatz mit Fairtrade-Produkten auf dem deutschen Markt seit 2019. Im vergangenen Jahr lag er bei 6,7 Prozent.
Die weniger gute Nachricht kommt vom Schokoladen-Netzwerk Voice Network, einem Zusammenschluss von über 20 Organisationen – in Deutschland vertreten durch die NGOs Südwind, Inkota und Solidaridad. „In den größten Kakao-Anbaugebieten der Welt wie Ghana, Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste) und Indonesien leiden die Familien noch immer unter Kinderarbeit, Geschlechterungleichheit, Unterernährung von Kindern, mangelndem Zugang zu Bildung und unzureichender Gesundheits- und sanitärer Versorgung“, teilte die Organisation bei der Vorstellung ihres aktuellen Kakao-Barometers mit.
Voice Network: Kakao ist zu billig
„Die Familien in den Kakaoanbaugebieten sind mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert, darunter Kinderarbeit, Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, Unterernährung (von Kindern)“, teilte das Netzwerk bei der Vorstellung seines aktuellen Kakao-Barometers mit. Hinzu kämen ein fehlender Zugang zu Bildung, eine unzureichende Gesundheits- und sanitäre Versorgung sowie eine Vielzahl von Verletzungen der Arbeitsrechte von Kleinbauern, Arbeitern und Pächtern.
Das Netzwerk stellt fest, dass es beim Thema Kakaolieferkette kaum positive Entwicklungen gegeben habe. So blieben Entwicklungszusammenarbeits-Programme zur Produktivitätssteigerung und Diversifizierung langfristig wirkungslos. Weder der Politik noch Unternehmen sei es bislang gelungen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren oder die langfristige Einführung guter landwirtschaftlicher Praktiken zu unterstützen. „Stattdessen sehen sich die Bauern weiterhin gezwungen, den Regenwald abzuholzen, um ihre geringen Erträge zu steigern“, teilte das deutsche Voice-Mitglied Inkota mit.
Voice kritisiert insbesondere, dass der Rohstoff zu günstig sei. „Ein höherer Preis für Kakao ist unvermeidlich, wenn existenzsichernde Löhne gewährleistet werden sollen“, erklärt Antonie Fountain, Direktorin des Netzwerks. „Produktivitätssteigerungen oder die Vergrößerung der Farmen werden allein nicht ausreichen, um die zahllosen Probleme in der globalen Kakaolieferkette zu lösen.“ Trotz dieser Erkenntnisse würden die meisten Kakao-Einkäufer ihr Geschäft weiter wie gewohnt betreiben: „Sie unterstützen zwar Programme der Entwicklungszusammenarbeit, weigern sich jedoch, die Preise anzuheben und so existenzsichernde Löhne zu garantieren“, teilte Inkota mit.
Laut des Netzwerks können die Familien von Kakaobauern in der Regel ihre Grundbedürfnisse nicht decken. Auch fair-zertifizierte Projekte von UTZ/Rainforest oder Fair Trade, die heute zwischen einem Drittel und der Hälfte der Kakaoproduktion zertifizierten, lösten das Armutsproblem in den meisten Fällen nicht, so die Organisation.
Das Barometer kommt zu dem Schluss, dass für ein existenzsicherndes Einkommen der Kakaobauern Maßnahmen an drei verschiedenen Fronten erforderlich sind:
- eine verantwortungsvolle Politik öffentlicher Stellen,
- eine faire Einkaufspraxis des Privatsektors
- und eine nachhaltige landwirtschaftliche Praxis der Bauern.
In den letzten zwei Jahrzehnten hätten sich laut Voice alle Bemühungen im Kakaosektor auf die Landwirte selbst konzentriert. „Die notwendigen Änderungen der Regierungspolitik und der Einkaufspraktiken, die für die Bekämpfung von Nachhaltigkeitsproblemen erforderlich sind, wurden von Politik und Unternehmen aktiv vermieden“, so das Netzwerk.
Um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen im globalen Süden zu verbessern, arbeitet die EU an der Einführung einer Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht. In Deutschland tritt ab dem kommenden Jahr das sogenannte „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ in Kraft. Doch inwieweit dieses Lieferkettengesetz, das zunächst deutsche Unternehmen ab 3.000 und später aber 1.000 Mitarbeitenden entlang der eigenen Wertschöpfungskette einhalten müssen, wirkliche Verbesserungen bringt, muss sich erst noch zeigen. Inkota begrüßt die „Schaffung einer transparenteren Lieferkette“. Sie sei ein „begrüßenswerter erster Schritt“.
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