Herr Deppe, die BioMessen werden dieses Jahr 20 Jahre alt. Wie wird gefeiert?
Wolfram Müller und ich werden als Veranstalter auf allen vier Messen die Teilnehmer mit einem Getränk begrüßen. Auf der BioNord im Oktober wird es zudem am Samstagabend vor der Messe ein Fest mit Ausstellern und Wegbegleitern geben. Denn die BioMessen haben vor 20 Jahren mit der BioNord in Hamburg begonnen.
Mit welchen Zahlen rechnen Sie zum Auftakt der BioMessen im Frühjahr?
Wir rechnen mit ähnlichen Zahlen wie vor einem Jahr. Auf der BioWest in Düsseldorf am 7. April erwarten wir 223 Aussteller – lediglich 20 bis 30 weniger als vor Beginn der Coronapandemie. Zur BioOst in Leipzig haben sich bislang 235 Hersteller angemeldet. Dieses Jahr gab es bislang auch keine Absagen. Die Situation scheint sich wieder zu stabilisieren.
Zur Person
Matthias Deppe (56) ist seit 1999 Geschäftsführer des regionalen Bio-Großhändlers Naturkost Nord. Gemeinsam mit Wolfram Müller organisiert er vier Mal im Jahr die BioMessen. Daneben ist Deppe Mitgründer der Brudertier-Initiative sowie von „Hamburg.bio“. Außerdem sitzt er im Aufsichtsrat des Anbauverbands Demeter.
Geburtsstunde der BioMessen war 2004 das zehnjährige Bestehen von Naturkost Nord. Den Geburtstag des Großhändlers wollte Geschäftsführer Matthias Deppe mit so vielen Kunden wie möglich feiern. Die Idee, eine Party auf der Biofach zu schmeißen, wurde verworfen, weil die Messe in Nürnberg für etliche Kunden aus dem Norden zu weit entfernt war. Also entschieden sich Deppe und sein Team dafür, Hersteller und Händler zum Feiern und Netzwerken nach Hamburg, damals noch ins branchenfremde „ModeCentrum“, einzuladen. 112 Aussteller präsentierten rund 700 Besuchern zur Premiere ihre Produkte und Dienstleistungen.
Der Regionalcharakter mit kurzen Wegen verfing nicht nur bei den Teilnehmern und Besuchern. Wolfram Müller, der heute gemeinsam mit Matthias Deppe die BioMessen veranstaltet, nahm sich die Veranstaltung im Norden zum Vorbild und organisierte 2009 die BioSüd. 2014 kamen – auch auf Wunsch großer Hersteller – schließlich noch die BioOst und BioWest hinzu.
Ein Kernanliegen der Veranstalter war es von Anfang an, auf den Messen einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Produkte in der jeweiligen Region hergestellt werden und den Händlern die Möglichkeit zu geben, sich über das Sortiment eine Identität zu geben. Wenn die BioOst am 21. April zu Ende ist, blicken die Veranstalter auf inzwischen 50 BioMessen zurück.
Wo stand Bio im Gründungsjahr der BioMessen 2004?
Es war eine Zeit, in der sich Bio mehr und mehr professionalisierte. Insbesondere die Bio-Supermarktstrukturen entwickelten sich stark weiter. Insgesamt war der Fachhandel 2004 sehr vital. Bei meinem Einstieg bei Naturkost Nord 2019 habe ich in und um Hamburg über 50 selbstständige Bioläden gezählt. Heute sind es noch circa sieben.
Was waren entscheidende Wegmarken in 20 Jahre BioMessen?
Eine wichtige Entscheidung war sicherlich, das Konzept nach der Auftaktveranstaltung weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Sehr wichtig für die Profilierung war außerdem, die BioSüd gemeinsam mit Wolfram Müller zu machen. Und eine weitere wichtige Wegmarke war die Entscheidung, die Messen als Netzwerk zu organisieren und nur bei Bedarf über Dienstleister bestimmte Leistungen abzurufen. Dazu gehört beispielsweise die Werbeagentur Harting & Tovar, die seit über zehn Jahren die gesamte Kommunikation für die BioMessen macht.
Wie lief die Messeorganisation in den Anfangsjahren?
In den ersten fünf Jahren haben im Prinzip zwei, drei Leute alles gemacht und das war sehr viel Arbeit. Besonders in den letzten zwei bis vier Wochen vor dem Messetag müssen unheimlich viele Bälle in der Luft gehalten werden. Das reicht von der verstärkten Kommunikation mit den Ausstellern über die Organisation des Caterings bis hin zum Aufbau der Stände.
Die ganze Logistik, das Zusammenspiel der verschiedenen Dienstleister fühlt sich manchmal ein bisschen wie ein Wanderzirkus an. Gleichzeitig sorgt die Zusammenarbeit mit Dienstleistern für eine schlanke Organisationsstruktur, die uns letztlich auch das Überleben in der Coronapandemie gesichert hat, als Messen ausfallen mussten. Außerdem lassen wir seit 2009 auch reine Reformhausmarkenhersteller auf der Messe zu. Die machen circa zehn Prozent der Aussteller aus.
Wonach entscheiden Sie, welche Aussteller Sie zulassen?
Unsere Kriterien stehen auf unserer Webseite. Für Aussteller gelten die Sortimentsrichtlinien des BNN und von Naturkost Süd. Unternehmen, die wir nicht kennen, fragen wir nach dem Bio-Zertifikat und prüfen ihr Geschäftsmodell. Ein wichtiges Kriterium, um als Aussteller zugelassen zu werden, ist, dass die Produkte für den Handel in Deutschland verfügbar sind, entweder über den Großhandel oder im Direktvertrieb. Unternehmen, die Rohstoffe, Maschinen und so weiter anbieten, verweisen wir an die Biofach.
Nachhaltig von Beginn an
Die Veranstalter der BioMessen haben von Anfang an Wert darauf gelegt, dass ihre Messen so nachhaltig wie möglich ablaufen. Wiederverwendbare Teppiche, ein zentraler Geschirrspüldienst, Mehrweglösungen, Kinderbetreuung – das alles gibt es auf den BioMessen schon teilweise seit der ersten Stunde. Viele Messestandorte beschäftigen Deppe zufolge erst seit Kurzem Nachhaltigkeitsmanager, die den Fußabdruck der Veranstaltungen im Blick haben.
Erinnern Sie sich spontan an ein für Sie persönlich besonderes Erlebnis auf den BioMessen?
Da gab es viele (lacht). Spontan muss ich an den ersten Corona-Lockdown denken. Vier Wochen vor der ersten Frühlingsmesse 2020 war klar, dass die Messen nicht stattfinden können. Doch die Aussteller, die die Treffen finanzieren, haben uns nicht auf den Kosten sitzen lassen. Im Frühjahr 2021 hatten wir noch einmal eine ähnliche Situation. Auch hier zeigte sich die Solidarität innerhalb der Branche.
Welche Relevanz haben die BioMessen im Vergleich zu ihren Anfängen?
Die Relevanzfrage kann man aus zwei Perspektiven betrachten. Zum einen: Wie stark ist die Nachfrage von Ausstellern und Besuchern? Hier sind wir über die Zeit stabil geblieben, mit leichten Aufs und Abs. Für die ersten beiden Messen in diesem Jahr liegen wir nur knapp unter den Zahlen, die wir vor der Corona-Krise hatten. Außerdem holen wir regelmäßig umfangreiches Feedback unserer Aussteller durch Befragungen ein. Die Rücklaufquote liegt hier bei rund 50 Prozent. Das ist ein sehr guter Wert. 94 Prozent der Befragungsteilnehmer melden uns zurück, dass die BioMessen für sie einen sehr wichtigen beziehungsweise wichtigen Stellenwert in der Fachmessen-Landschaft haben.
Andererseits zeigt sich die Relevanz auch im Vergleich zu Veranstaltungen ähnlicher Art. Setzt man beispielsweise die Teilnehmerzahlen der BioMessen, die jeweils eintägig sind, ins Verhältnis zu den Ausstellern aus Deutschland und den Teilnehmern aus der Naturkostbranche, die an vier Tagen auf der Biofach sind, darf man vermuten, dass wir genauso viele Akteure erreichen – und das sehr effektiv mit kurzen Wegen.
Der LEH arbeitet daran, sich beim Thema Bio ein schärferes Profil zu verpassen. Registrieren Sie auf Ihren Messen mehr Interesse aus dieser Richtung?
Ja, die selbstständigen Lebensmitteleinzelhändler sind unter den Besuchern der BioMessen eine wachsende Kundengruppe. Das ist ein Bereich, der stärker wird. Auch bei den großen Handelshäusern wird unser Format aufmerksam verfolgt.
„Wir wollen an einem Tag möglichst viele Menschen erreichen.“
Gibt es heute im Vergleich zu den Anfängen mehr oder weniger innovative Produkte?
Ich nehme die Bio-Branche von den Anfangstagen bis heute als sehr kreativ und innovativ wahr. Auf jeder unserer BioMessen haben wir die Start-up-Fläche „Machermarktplatz“ und wir haben immer jede Menge spannende Bewerbungen.
Was würden Sie auf Ihren Messen gerne verändern?
Handel ist Wandel. In diesem Sinne müssen auch wir uns immer wieder neu erfinden. Wir hatten beispielsweise schon einen Show-Koch, Start-up-Formate und Preisverleihungen. Worüber wir uns natürlich aktuell Gedanken machen, ist, ob es ein geeignetes Format für die wachsende Bio-Gastronomie gibt. Was bleibt, ist unser Fokus auf Effizienz. Wir wollen an einem Tag möglichst viele Menschen erreichen.
Der Fachhandel hat sich zuletzt wieder stabiler gezeigt. Dennoch klagt die Branche weiterhin über zu wenig Kunden. Warum öffnen Sie Ihre Messen nicht auch für Endverbraucher?
Da gibt es viele Argumente dafür und dagegen. Ein entscheidendes Kriterium ist: Die Mehrheit der Aussteller, die die Messe letztlich bezahlen, ist gegen eine Öffnung für Endverbraucher. Nur etwa 25 Prozent sprechen sich dafür aus. Eine zusätzlich Besuchergruppe würde einen deutlich größeren Aufwand hinsichtlich der Organisation und des Personaleinsatzes bedeuten. Die Messe selbst kann das nicht entscheiden. Das muss von den Ausstellenden kommen. Sobald es hier eine Bereitschaft geben sollte, ließe sich auch etwas konzipieren.
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