Neulich im Bundestag. Ein gediegener Anzug, dunkelblau mit passender Krawatte, steht am Redepult und ruft in den Saal: „Ich bin nicht bereit, ein ausbeuterisches System einfach weiter hin zu nehmen, das auf Kosten der Menschen geht, das auf Kosten der Tiere geht, das auf Kosten der Umwelt geht und das auf Kosten des Klimas geht.“
Mit dem ausbeuterischen System meint Cem Özdemir die bisherige Land- und Lebensmittelwirtschaft. Sie will der Schwabe von Grund auf umbauen und dafür definiert er in seiner Antrittsrede im Bundestag drei Ziele: Hochwertige und bezahlbare Lebensmittel für alle, Wertschätzung und Wertschöpfung für die Landwirte, und dabei Klima, Umwelt, Artenvielfalt schonen und die Tiere artgerecht behandeln. „Das ist eine riesige gesellschaftliche Aufgabe“, sagt Özdemir und lässt keinen Zweifel daran, dass er sie anpacken will.
An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. An rhetorischem Geschick auch nicht. Zu Beginn umarmt er die Landwirte und weil er selber keinen Stallgeruch hat, bedient er sich eines rhetorischen Tricks. Er legt den Abgeordneten einen Artikel der Frankfurter Sonntagszeitung ans Herz: „Landwirte am Limit“ heißt er. „Harte Arbeit, Sorgen ums Einkommen, sogar Anfeindungen statt Anerkennung". Und dann der rhetorische Kniefall: „Es geht hier um die Menschen, die dafür sorgen, dass wir täglich unser Essen auf dem Tisch haben. Da darf man gerne auch einmal Danke dafür sagen“. Großes Kino.
Özdemir muss liefern
Die Debatte, dass teurere Lebensmittel unsozial seien oder billiges Fleisch gar ein Grundrecht, serviert der Minister mit deutlichen Worten ab: „Landwirtschaftspolitik muss natürlich sozial sein, aber sie ersetzt doch nicht Sozialpolitik.“ Zum Schluss holt er noch zwei Gutachten auf die Bühne, die es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hatten: Die Zukunftskommission Landwirtschaft und die Borchert-Kommission.
„Ich kann auf großartige Arbeit zurückgreifen, die haben tolle Ideen entwickelt“, lobt Özdemir. Nur seien die tollen Ideen bisher nicht umgesetzt worden. Das zu tun habe er sich vorgenommen. Dass er nach all diesen Ankündigungen zügig liefern muss, hat ihm das Wir haben es satt!-Bündnis mit riesigen Strohbuchstaben ins Stammbuch geschrieben: „Agrarwende jetzt!“.
Bleibt zu hoffen, dass die Demonstrierenden nicht ihre alten Transparente aus Klöckners Zeiten aus dem Keller holen müssen: „Nicht labern, sondern liefern“.
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