Das Interview in voller Länge ist erstmals in der Oktober-Ausgabe der Schrot&Korn und auf schrotundkorn.de erschienen.
Die Ampelkoalition hat als Ziel vorgegeben: 30 Prozent Bio-Landbau bis 2030. Zurzeit sind wir erst bei etwas über elf Prozent.
Damals gab es noch keinen Krieg in der Ukraine mit all seinen schrecklichen Folgen. Jetzt, mit der Inflation und der sehr angespannten Haushaltslage, ist der Weg nicht einfacher geworden, aber das Ziel ist nach wie vor richtig. Die Landwirtschaft muss ihren Beitrag zum Klima-, Arten- und Umweltschutz leisten. Und da spielt der Öko-Landbau eine zentrale Rolle.
Welche Maßnahmen sehen Sie für mehr Bio konkret vor?
Ein wesentlicher Hebel ist für uns die Gemeinschaftsverpflegung. Rund 16 Millionen Menschen essen jeden Tag in Kita, Schule, in der Uni-Mensa oder Fabrikkantine, in Krankenhäusern, Seniorenheimen oder im Restaurant – stellen Sie sich vor, was passiert, wenn wir den Bio-Anteil hier gehoben bekommen. Das muss übrigens nicht mehr kosten. Oft fehlt es an Wissen, wie man nachhaltig und preisbewusst kochen kann, deswegen helfen wir etwa mit Beratung. Mit unserem neuen Bio-Logo für die Außer-Haus-Verpflegung in Gold, Silber und Bronze können die Gäste künftig auf einen Blick erkennen, wie hoch der Bio-Anteil in den angebotenen Gerichten ist.
Können Sie Finanzminister Lindner noch von der Wichtigkeit Ihres Ressorts überzeugen?
Ich arbeite daran (lacht). Was manche nicht wissen: Geld, das wir in die ländlichen Räume investieren, trägt ungemein zur Wertschöpfung bei. Ich kämpfe deshalb etwa dafür, dass wir die Tierhaltung zukunftsfest aufstellen, im ersten Schritt bei den Schweinen, weil die Not der Schweinehalter am größten ist und Schweinefleisch an erster Stelle beim Fleischkonsum steht.
Von 2010 bis 2020 hat sich die Zahl der Betriebe von 60.000 auf 32.000 fast halbiert – bei nahezu gleichbleibenden Tierzahlen. Dem früheren Motto „wachse oder weiche“, dem viele Traditionsbetriebe zum Opfer gefallen sind, während Tierfabriken immer größer wurden, setze ich eine Tierhaltung entgegen, die sich dem zurückgehenden Fleischkonsum in unserem Land anpasst. Also kurz: Weniger Tiere besser halten.
Wie soll das gelingen?
Wir unterstützten den Umbau der Ställe mit einem Bundesprogramm – zunächst ausgestattet mit einer Milliarde und damit mehr als jede Bundesregierung davor für eine tiergerechtere Schweinehaltung ausgegeben hat. Mein Ziel ist, am Ende alle Vertriebswege und sämtliche Nutztierarten mit dem Tierhaltungskennzeichen zu versehen. Aktuell ringen wir in der Koalition um das beste Finanzinstrument dafür.
Damit am Ende nicht ausländisches Fleisch von Tieren mit schlechteren Haltungsbedingungen einheimische Produkte verdrängt, habe ich auch ein Herkunftskennzeichen durchgesetzt, wie von der Landwirtschaft seit Langem gefordert. Vieles ist in den letzten Jahren liegen geblieben. Ich verstehe die Ungeduld, auch ich hätte es gerne schneller.
Beim Thema Gentechnik deutet sich auch ein Konflikt an. Kommt es, wie die EU-Kommission plant, wäre das für die Bio-Branche existenzgefährdend.
Ich gehe das Thema nicht ideologisch an. Aber es kann nicht sein, dass die Pläne aus Brüssel den wirtschaftlich etablierten Zweig der gentechnikfreien Lebensmittel gefährden. Meine Lösung dafür lautet Koexistenz. Wer gentechnikfrei wirtschaften möchte, muss das weiterhin ungehindert tun können. Und es darf keine Einführung von Bio-Patenten durch die Hintertür geben.
Wir haben gerade in Deutschland starke mittelständische Züchtungsunternehmen, die über einen riesigen Werkzeugkoffer verfügen, um an den Pflanzen der Zukunft zu forschen. Denken Sie zum Beispiel an die Kichererbse, die etwa in Brandenburg hervorragend mit der Trockenheit klarkommt. Auch da steckt Forschung dahinter.
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