Die EU-Kommission hat das Pseudogetreide Canihua auf die sogenannte Novel-Food-Liste gesetzt. Darauf sind Lebensmittel und Lebensmittelzutaten zu finden, „die vor dem 15. Mai 1997 in der EU noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden“. Sie müssen zunächst ein Zulassungsverfahren durchlaufen, bei dem die gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft wird. Auf die Liste können auch Lebensmittel gelangen, die es bereits im Handel gibt – wie im Fall von Canihua.
Bio-Hersteller, die das Körnchen im Sortiment haben, gehen mit der Situation unterschiedlich um. Betroffen sind die Unternehmen Schnitzer, Govinda und Davert. Aus Sicht von Schnitzer ist der Rohstoff, der botanisch eng mit dem in der EU zugelassenen Quinoa verwandt ist, aufgrund der Einstufung derzeit nicht verkehrsfähig. Geschäftsführer Matthias Niemann nennt das eine „vollkommen unerwartete Katastrophe“ für sein Unternehmen. Schnitzer verarbeitet Canihua bereits seit 2007, betroffen von der Entscheidung sei auch der Bestseller aus dem glutenfreien Backwarensortiment. [nbsp]
„Wir haben Canihua auf den Markt gebracht, da uns eine Vermarktungsgenehmigung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung aus dem Jahr 2007 vorlag, in der es explizit erwähnt wird“, sagt Niemann. Nach Aussage seines Anwaltes für Lebensmittelrecht darf das Unternehmen den Rohstoff aber nun nicht mehr verarbeiten und muss den Verkauf aller Produkte einzustellen. Auch Govinda hat sich für einen Verkaufsstopp entschieden.[nbsp] „Wir werden Händler, die Canihua bestellen wollen, mit entsprechendem Informationsmaterial versorgen“, sagt Govinda-Qualitätsmanagerin Daniela Mack.
Bei Davert sieht man die juristische Situation anders. Das Unternehmen schreibt in einer Stellungnahme: "Die Aufnahme von Canihua auf der Webseite der Kommission hat keine rechtsbindende Bedeutung. Es gibt keinen von der Behörde veranlassten Verkaufsstopp für Canihua". Daher werde das Unternehmen das Pseudogetreide weiter ausliefern.
Alle drei Unternehmen vertreten die Auffassung, dass es im EU-Recht bereits Regelungen über Canihua als Lebensmittel gibt. Zudem sei das Pseudogetreide in der EU auch schon vor 1997 verzehrt worden. Schnitzer und Davert wollen nun jeweils beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Notifizierungsantrag stellen, der die enge botanische Verwandtschaft von Canihua und Quinoa bestätigen soll. Die EU-Kommission soll so zu einer Richtigstellung bewegt werden – womit das Pseudogetreide wieder von der Novel-Food-Liste rutschen würde.
Um der „Regulierungswut der EU“ entgegenzuwirken, hat Schnitzer zudem eine Online-Petition auf den Weg gebracht, die auch Govinda unterstützt. Darin wird den Kunden nicht nur die Situation erklärt, sie können auch ihren Unmut über die EU-Entscheidung kundtun.
(Foto: Dima_Pics/fotolia.com)
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