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Nährwertampel

Startschuss für den Nutri-Score

Der Nutri-Score ist offiziell in Kraft getreten. Hersteller können die Lebensmittelkennzeichnung rechtssicher verwenden. Die Bio-Branche sieht sich durch das Ampelsystem benachteiligt und mahnt erheblichen Nachbesserungsbedarf an.

Seit Freitag können Unternehmen die zusätzliche Nährwertkennzeichnung Nutri-Score rechtssicher verwenden. Vorausgegangen war eine Verordnung der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner. Ihr hatte der Bundesrat am 9. Oktober letztinstanzlich zugestimmt, wodurch die freiwillige Kennzeichnung von Lebensmitteln mit dem fünffarbigen Ampelsystem gesetzlich geregelt wurde. (Anm.d.Red.: Dieser Artikel vom 9. Oktober wurde am 7. November 2020 aktualisiert.)

„Die Einführung des Nutri-Score ist ein wichtiger Baustein unserer Ernährungspolitik in Deutschland, ein wichtiger Schritt hin zu einem stärkeren Bewusstsein beim Lebensmitteleinkauf und gegen versteckte Dickmacher", teilte Klöckner per Pressemitteilung im Oktober mit. Von den Unternehmen erwarte sie, dass diese ihr Sortiment nun umfassend kennzeichnen. „Sie müssen Transparenz schaffen, es den Verbrauchern so ermöglichen, ihre Erwartungen an ein Produkt mit der zusammenfassenden Nährstoff-Bewertung des Nutri-Score abgleichen zu können.“

Kritik kommt vom Bundesverband für Naturkost Naturwaren (BNN). Dort hält man es zwar für richtig, dass Verbraucher „umfassend und transparent über Zutaten und Nährwerte von Lebensmitteln informiert werden, um eine bewusste Kaufentscheidung treffen zu können“. Den Nutri-Score in seiner jetzigen Form hält der Verband dafür jedoch für ungeeignet. Besonders Bio-Lebensmittel würden durch das System benachteiligt.

Cola gesünder als Bio-Apfelsaft

Für den Nutri-Score werden die Kalorienanzahl und verschiedene Nährwerte eines Produktes miteinander verrechnet. Bestandteile wie Zucker, Fett oder Salz, deren übermäßiger Verzehr sich negativ auf die Gesundheit auswirken könnte, werden dabei mit Inhaltsstoffen ins Verhältnis gesetzt, die eher einen positiven gesundheitlichen Einfluss haben, etwa Ballaststoffe und Eiweiß.

Gänzlich unberücksichtigt bleiben dabei etwa synthetische Ersatzstoffe, die in konventionellen Lebensmitteln mitunter verstärkt verarbeitet werden, in Bio-Produkten jedoch nicht vorkommen. „Beispielsweise wird ein Bio-Apfelsaft mit einem gelben ,C‘ bewertet und eine Cola light mit einem grünen ,B‘. Dabei ist der Bio-Apfelsaft ernährungsphysiologisch deutlich wertvoller als eine Cola light“, teilte der BNN in einer Stellungnahme mit. Die Farbskala des Nutri-Score reicht von einem dunkelgrünen „A“ für die gesundheitlich günstigste Nährwertbilanz bis zu einem roten „E“ für die ungünstigste Zusammensetzung.

„Bio-Lebensmittel sind untrennbar mit einer intakten Umwelt verbunden“, teilte Kathrin Jäckel, BNN-Geschäftsführerin mit. „Sie sind außerdem durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide bei der Erzeugung und mit möglichst naturbelassenen Zutaten auch die gesünderen Lebensmittel. Deswegen kann es nicht angehen, dass ein Label, das zu gesunder Ernährung hinführen soll, diese Tatsachen unberücksichtigt lässt.“

Nutri-Score bereits auf Bio-Produkten

Erste Bio-Produkte tragen indes bereits die Nährwertampel auf ihren Verpackungen, darunter die „Zwergen-Sauce“ des Bio-Herstellers Zwergenwiese. Der Discounter Penny gibt den Nutri-Score für Produkte seiner Bio-Eigenmarke Naturgut an.

Und auch bei vielen Verbrauchern scheint das Label akzeptiert zu sein: 85 Prozent gaben bei einer Befragung im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im vergangenen Jahr an, dass der Nutri-Score „gut beim Vergleich verschiedener Produkte“ helfe.

Klöckner will EU-weite Einführung

Dem federführenden Agrar- und Verbraucherschutzausschuss geht der freiwillige Ansatz indes nicht weit genug. Er empfahl dem Bundesrat deshalb bei der Abstimmung am Freitag, die Bundesregierung darum zu bitten, sich auf EU-Ebene für eine verpflichtende Nährwertdeklaration mit dem Nutri-Score einzusetzen. Dem Ausschuss zufolge könnten Kunden nur so Lebensmittel aus verschiedenen EU-Ländern schnell miteinander vergleichen. Der Bundesrat lehnte diese Empfehlung ab.

Nach geltendem EU-Recht ist die nationale Einführung von erweiterten Nährwertkennzeichen nicht verpflichtend möglich. Um eine Harmonisierung dennoch voranzubringen, hat Klöckner im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft kürzlich Diskussionen zu diesem Thema eingeleitet. Ziel ist es, bei der Sitzung des EU-Agrarrats im Dezember, gemeinsame Schlussfolgerungen der Mitgliedsstaaten zu erreichen, teilte ihr Ministerium mit.

Die Einführung des Nutri-Scores in Deutschland begleitet das Bundesernährungsministerium mit einer Informationskampagne für Verbraucher und Unternehmen. Unter www.nutri-score.de stehen Informationen, Expertenmeinungen, Antworten auf häufig gestellte Fragen, eine Erkläranimation sowie Publikationen zur Verfügung.

BNN-Positionspapier zum Nutri-Score

Welche Nachbesserungen und ergänzenden Maßnahmen die Bio-Branche beim Nutri-Score fordert

Zum BNN-Positionspapier

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