Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) hat seine Vorschläge zur Weiterentwicklung des Nutri-Score-Algorithmus beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eingereicht. Darin fordert der Verband, dass der Nutri-Score künftig alle gesetzlich verpflichtenden Angaben zu verarbeiteten Lebensmitteln in die Bewertung einbezieht.
Für den Nutri-Score werden derzeit die Kalorienanzahl und verschiedene Nährwerte eines Produktes miteinander verrechnet. Bestandteile wie Zucker, Fett oder Salz, deren übermäßiger Verzehr sich negativ auf die Gesundheit auswirken könnte, werden dabei mit Inhaltsstoffen ins Verhältnis gesetzt, die eher einen positiven gesundheitlichen Einfluss haben, etwa Ballaststoffe und Eiweiß.
Bio-Apfelsaft schneidet schlechter ab als Cola
Zwar tragen einige Bio-Produkte die Nährwertampel auf ihren Verpackungen, darunter die „Zwergen-Sauce“ des Bio-Herstellers Zwergenwiese. Dennoch überwiegt in der Bio-Branche die Skepsis, weil das Label viele Vorteile von Bio-Lebensmitteln nicht abbildet. Faktoren wie der Verarbeitungsgrad von Produkten oder Zusatz- und Ersatzstoffe werden in der Nutri-Score-Bewertung nicht berücksichtigt. „Dadurch benachteiligt der Nutri-Score Bio-Lebensmittel erheblich“, kritisiert der BNN seit Einführung der Kennzeichnung.
Beispielsweise wird ein Bio-Apfelsaft mit einem gelben „C“ bewertet und eine Cola light mit einem grünen „B“. „Dabei ist der Bio-Apfelsaft ernährungsphysiologisch deutlich wertvoller als eine Cola light“, so der BNN. Für eine weiterentwickelte Version des Nutri-Scores fordert der Verband deshalb „dass der Algorithmus mindestens die Anzahl der verwendeten Zusatz- und Ersatzstoffe einbezieht.“ Nur so könne Irreführung verhindert werden.
Vorschläge werden geprüft
Weiter fordert der BNN, dass im Nutri-Score-Algorithmus künftig höhere Ballaststoffgehalte positiv in die Bewertung einfließen und weitere hochwertige pflanzliche Öle und alle Fettsäurespektren einbezogen werden. Zudem sollten nach Meinung des Verbands auch Mehle von Hülsenfrüchten, Kerne, Ölsaaten sowie gefriergetrocknete Früchte und gefriergetrocknetes Gemüse dem Obst- und Gemüse-Anteil zugerechnet werden.
Das BMEL hat betroffenen Verbänden die Möglichkeit eingeräumt, Vorschläge zur Weiterentwicklung des Nutri-Score-Algorithmus bis zum 15. September einzureichen. Nach Prüfung durch das Lenkungsgremium sollen die Vorschläge an ein wissenschaftliches Gremium weitergegeben werden, das mögliche Änderungen des Nutri-Score-Algorithmus bewertet.
3 Fragen an Kathrin Jäckel
„Der Nutri-Score belohnt das Schöntricksen von Lebensmitteln“
BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel über die Bedeutung des Nutri-Score für den Naturkostfachhandel und warum der Algorithmus dahinter überarbeitet werden muss.
BioHandel: Kathrin Jäckel, warum ist der Nutri-Score in der Bio-Branche bisher kaum sichtbar?
Kathrin Jäckel: Der Nutri-Score kann aus unserer Sicht zur Verbrauchertäuschung führen. Denn wichtige Faktoren einer gesunden Ernährung wie der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln oder der Verzicht auf künstliche Zusatz- und Ersatzstoffe werden nicht berücksichtigt. Dies benachteiligt insbesondere Bio-Lebensmittel und Bio-Hersteller*innen, die in erster Linie auf natürliche Lebensmittel setzen. Und es belohnt das Schöntricksen von Lebensmitteln mit künstlichen Zusatzstoffen, deren kritische Wirkung auf den Körper noch nicht vollkommen geklärt ist. Aus Sicht der Bio-Branche muss der Algorithmus für den Nutri-Score deshalb überarbeitet werden.
Ist der Nutri-Score für Bio-Kunden wichtig?
Kund*innen im Bio-Fachhandel setzen sich grundsätzlich intensiver mit Lebensmitteln auseinander. Befragungen haben deutlich gezeigt, dass eine Mehrheit die Nährwerttabelle nutzt, um ein Lebensmittel zu bewerten. Nichtsdestotrotz wird der Erwartungsdruck steigen, allein dadurch, dass die großen konventionellen Lebensmittelhersteller und -händler den Nutri-Score verstärkt nutzen.
Erwarten Sie ein Nachjustieren beim Nutri-Score?
Der BNN steht dazu im direkten Austausch mit der Politik. Ziel ist insbesondere, dass die Verwendung von künstlichen Zusatz- und Ersatzstoffen in die Bewertung einfließt und nicht mehr durch Nicht-Anrechnung zu einem besseren Score führt. Zur differenzierteren Betrachtung des Ballaststoffgehalts und der positiven Berücksichtigung weiterer pflanzlicher Öle haben wir bereits Signale erhalten, dass diese in die Diskussion mit dem Markeninhaber des Nutri-Scores eingebracht werden.
Das Interview führte Katja Niedzwezky.
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