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Grüne Gentechnik: So unterschiedlich sehen Bioland und Bayer die Risiken und Potenziale

Beim Thema Grüne Gentechnik liegen Jan Plagge und Matthias Berninger weit auseinander. Während der Bioland-Präsident eher Risiken befürchtet, sieht der Bayer-Lobbyist ausnahmslos Chancen – vor allem in einem bestimmten Bereich.

Für Bayer ist der jüngste Entwurf der EU-Kommission zur Grünen Gentechnik kein Grund, sich zu ärgern. Im Gegenteil. Dass gentechnisch veränderte Lebensmittel womöglich künftig nicht mehr gekennzeichnet werden müssen, ist ganz im Sinne des Leverkusener Chemiekonzerns, der durch den Kauf von Monsanto 2018 zum weltgrößten Saatguthersteller aufgestiegen ist. Schließlich will Bayer vermeiden, dass die per Genschere veränderten Pflanzen diskriminiert werden können. Dies sei derzeit der Fall, weil Hersteller und Handel mit Bezeichnungen wie „ohne Gentechnik“ Werbung gegen transgene Pflanzen machten, sagte Bayer-Cheflobbyist Matthias Berninger bei einer Diskussion der „taz“ mit Bioland-Präsident Jan Plagge am Mittwochabend.

Moderator und „taz“-Redakteur Jost Marin nahm diese Aussage zum Anlass und fragte provokativ nach, ob Bayer den Verbrauchern Gentechnik-Pflanzen auf die Teller schmuggeln wolle? Berninger verneinte dies und verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten solle.

Bereits heute seien Züchtungen, deren Genpools mit Hilfe von Radioaktivität oder genotoxischen Chemikalien erzeugt wurden, auf den Tellern zu finden, so Berninger, der seit 2019 bei Bayer für die Bereiche Politische Kommunikation, Wissenschaft und Nachhaltigkeit zuständig ist. Veränderungen mit der Genschere Crispr/Cas und vergleichbaren Methoden, die sich auf die Gene der jeweiligen Pflanzen beschränken, fügten sich praktisch in diese Verfahrensweisen ein. Mit den neuen Methoden könnten die durch den Klimawandel verursachten Probleme der Pflanzenbauer viel schneller gelöst werden, sagte Berninger.

Berninger: Ökolandbau sollte die Grüne Gentechnik nicht grundsätzlich ausschließen

Bioland-Präsident Jan Plagge, der auch Präsident des europäischen Bio-Dachverbands Ifoam EU ist, verwies auf die Aussage der EU-Kommission, wonach durch die neuen Methoden gentechnisch veränderte Pflanzen entstünden, die für den ökologischen Landbau verboten seien. Solange die Bio-Landwirtschaft weiterhin eigene Züchtungen vornehmen könne und darin nicht durch Patente behindert werde, sei sie die gentechnikfreie Alternative für die Verbraucher. Einkreuzen in Zuchtlinien und Selektionen zur Verbesserung der Eigenschaften von Pflanzen seien auch mit klassischer Pflanzenzüchtung möglich und werde seit Jahrzehnten praktiziert, so Plagge.

Im Labor könne nicht nachgewiesen werden, ob eine Pflanze durch Grüne Gentechnik verändert wurde, räumte Berninger ein. Wie bei der Mutagenese ließen sich die Sorten nicht mehr unterscheiden. Die Landwirte bekämen jedoch eine „klare Kennzeichnung“ von Bayer für das Saatgut. Die Züchtungen hätten viele Vorteile, die am Ende auch für die Verbraucher Vorteile mit sich brächten, zum Beispiel im Hinblick auf Haltbarkeit oder Geschmack, womit auch Hersteller werben würden. Berninger rät, die Grüne Gentechnik auch für den Öko-Landbau nicht grundsätzlich auszuschließen.

Mit Blick auf Zwischenfrüchte, die zur Bodengesundheit beitrügen und Stickstoff sammelten, aber sonst keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen hätten, habe Bayer mit Hilfe der Grünen Gentechnik Pflanzen entwickelt, die wirtschaftlich nutzbare Ölsaaten produzieren, so Berninger weiter. „Man kann dadurch Äcker nutzen, die ansonsten nur brachliegen“, sagte der Bayer-Cheflobbyist, der in diesem Zusammenhang von Cash-Crops sprach. Die Nahrungsmittelproduktion werde nicht behindert, eher verbessert.

„Ich glaube, dass wir durch die neuen Möglichkeiten mehr in den Pflanzen verändern können, um Pilzresistenzen vor allem vor dem Hintergrund eines sich schnell ändernden Klimas erzeugen zu können.“

Matthias Berninger, bei Bayer verantwortlich für Public Affairs, Wissenschaft und Nachhaltigkeit

Jan Plagge spricht sich dagegen aus, ein „Hintertürchen“ für die Grüne Gentechnik offen zu halten. „Wir wollen uns keine neue Pflanze ausdenken, die eine bestimmte Lücke in der Bodenbedeckung füllt“, stellt er klar. Vielmehr gehe es darum, die Fruchtbarkeit des Bodens im System zu verbessern und nicht von außen hineinzutragen. Innovationen in der Pflanzenzüchtung seien unbestreitbar wichtig und daran werde auch im Öko-Landbau permanent gearbeitet. „Aber die Manipulation und die Ausreizung von einzelnen Eigenschaften hat für uns systemische Risiken“, so der Bioland-Präsident. Resistenzen würden schnell zusammenbrechen, wenn man zu sehr auf ein Pferd setze.

Berninger, der lange für die Grünen im Bundestag saß und von 2001 bis 2005 Parlamentarischer Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium war, wies dies zurück und thematisiert das im Ökolandbau angewendete Pflanzenschutzmittel Kupfer, das nur für fünf Jahre zugelassen worden sei. Nach 160 Jahren sei es notwendig, eine bessere Lösung von Pflanzenschutzmitteln zu finden als Schwermetalle.

„Ich glaube, dass wir durch die neuen Möglichkeiten mehr in den Pflanzen verändern können, um Pilzresistenzen vor allem vor dem Hintergrund eines sich schnell ändernden Klimas erzeugen zu können“, so Berninger. Er warnte davor, dass die Schere zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft noch weiter auseinander gehe. Künftig werde man weniger Anbaufläche für eine wachsende Weltbevölkerung zur Verfügung haben.

Öko-Züchter arbeiten schon länger an klimaresistenteren Pflanzen

Gegen Gefahren des Klimawandels habe Bayer zum Beispiel eine Maispflanze mit kürzerem Stiel und tiefer wachsende Wurzeln entwickelt. Bei starken Stürmen und extremer Trockenheit habe eine solche Pflanze größere Überlebenschancen, liefere zudem noch vergleichbare oder sogar höhere Ernten. „Wir sollten die Bremse locker machen und den Landwirten die Dinge in die Hand geben, die sie dringend brauchen“, rät der Bayer-Manager.

Plagge berichtete, dass Öko-Züchter bereits seit längerem Pflanzen mit Blick auf klimatische Veränderungen züchten. Ihn stört, dass Berninger praktisch vermittele, „die Ökos sollen in ihre Nische gehen und weiterspielen“, während Bayer & Co. die Grüne Gentechnik als Standardtechnologie in der Landwirtschaft durchsetzen wollten. Es sei aber nicht Aufgabe der Politik, dem Rechnung zu tragen. Plagge befürchtet, dass es ohne durchgehende Kennzeichnung und Transparenz keine Chance mehr gäbe, eine alternative Genetik aufzubauen. Auch eine nicht von Patenten getriebene Züchtungswirtschaft sei dann kaum noch möglich.

Im Übrigen löse ein speziell gezüchteter Mais die Probleme des Klimawandels nicht, sagte Plagge. Bei langen Trockenphasen und kürzeren Starkregegenereignissen sei die Möglichkeit des Bodens, Wasser zu halten, wichtiger. Der Bio-Landbau habe erwiesenermaßen eine andere Bodenstruktur, die dies leisten könne. Und die Öko-Pflanzen hätten bereits „größere Wurzelbilder“, die sie allein dazu bräuchten, um die knapperen Nährstoffe zu assimilieren. Bioland lege den Fokus auf systemische Lösungen wie Bodenleben und Bodenfruchtbarkeit, sagte deren Präsident.

„Wenn die neuen Systeme so toll sind, dann soll der Verbraucher sie auch erkennen können.“

Bioland-Präsident Jan Plagge

Berninger lobte zwar die Innovationen der Öko-Landwirtschaft, glaubt aber, dass sie angesichts der Klimakrise nicht ausreichen. Er hoffe, dass EU-Kommission und -Parlament sich für die Zulassung der neuen Gentechnik entscheiden. Dann sollen die Innovationen von Bayer auf den europäischen Markt kommen. Kleinere Züchter würden Zugang zu den Patenten haben, versprach er.

Plagge sieht die Patentierung jedoch kritisch. Seine größte Sorge sei, dass Resistenzeigenschaften von Wildpflanzen gegen Pathogene, die sowieso in der Natur vorkommen, zum Patent angemeldet werden. Außerdem macht sich der Bioland-Präsident Sorgen wegen der Resistenzen. Ein großes Risiko sei, dass es zu Resistenzlücken komme wie bei den Antibiotika. Das setze eine Risikoanalyse voraus. Die Anbaumenge müsse gegebenenfalls limitiert werden. Resistenzen seien eine begrenzte Ressource. Deshalb sei auch eine Kennzeichnung notwendig, erklärte Plagge.

Eine Kennzeichnung sei ebenso erforderlich, um eine Alternative anbieten zu können, also den Wettbewerb der Systeme sicherzustellen. „Wenn die neuen Systeme so toll sind, dann soll der Verbraucher sie auch erkennen können“, fordert Plagge. In diesem Sinne solle sich auch die Bundesregierung für die Abstimmung in Brüssel positionieren.

Kommentare

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Gernot Meyer

Super Artikel! Besser Bodenfruchtbarkeit erhöhen als die Rettung bei Pflnzen-Zombies zu suchen.

Ursula Stübner

Grüne Gentechnik ist ein schmeichelnder Begriff für die NGT1. Die Unterscheidung zwischen den NGT1 und den NGT2, die weiterhin als Gentechnik reguliert bleiben sollen, ist nicht qualitativ ( also nicht grün, was immer das sein soll), sondern nur quantitativ (Anzahl der veränderten Basenpaare). Gerade unsere Branche sollte das beim Namen nennen.

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