Für die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ist die Nachhaltigkeit eines Produkts nur ein nachgelagertes Kriterium beim Kauf. Andere Aspekte wie etwa der Preis oder bei Lebensmitteln der Geschmack sind häufig wichtiger.
Dass die Menschen nachhaltigkeitsmüde (geworden) sind, war auf der diesjährigen Biofach in Nürnberg immer wieder zu hören. Im „SustainableFutureLab“, einem neuen Veranstaltungsformat, dass die Biofach 2024 ins Leben gerufen hat, stellten die Veranstalter gar die These auf: „Sustainability is dead“ („Nachhaltigkeit ist tot“). Die Teilnehmenden des interaktiven Diskussionsformats stimmten mehrheitlich für diese These.
Dieser Artikel ist Teil 1 einer dreiteiligen Serie zu den Diskussionen, die im „SustainableFutureLab“ auf der Biofach 2025 geführt worden sind. Die Biofach organisiert dieses Events gemeinsam mit verschiedenen Partnern und ist Co-Host der Veranstaltungsreihe. In dieser Serie schreiben wir über die Veranstaltungen, die von Nora Taleb und Julian Stock vom Good Food Collective (GFC) konzipiert und umgesetzt worden sind.
- Teil 1: Bio zwischen Lifestyle und Planetary Health
- Teil 2: Bio-Wachstumspotenziale ohne Limits
- Teil 3: Die finanzielle Zukunft der Agrar- und Ernährungssysteme
„Nachhaltigkeit ist politisch tot“
Die Journalistin Louisa Schneider führte aus, dass die Mehrheit der Gesellschaft zwar Klimaschutz befürworte, doch die politischen Parteien sich nicht klar genug dazu positionierten. Stattdessen werde von „Ökodiktatur“ gesprochen. „Deshalb sage ich: Nachhaltigkeit ist politisch tot“, so Schneider.
Schneider kritisierte außerdem, dass der Begriff inzwischen zu einem inhaltsleeren Marketing-Buzzword verkommen sei und gar mit Greenwashing assoziiert werde. Was es brauche, seien die richtigen Narrative: „Niemand will von Dystopien hören“, so Schneider. Zwar müsse man auch unbequeme Themen ansprechen, gleichzeitig aber auch hoffnungsvolle Geschichten über eine besseren Zukunft erzählen, „die wir mit einem Produkt unterstützen“, forderte Schneider.
Jannis Meseke, Marketingleiter beim Bio-Safthersteller Voelkel, stimmte zu, dass Nachhaltigkeit als alleinstehendes Verkaufsargument nicht mehr funktioniere. Unternehmen setzten weiterhin auf nachhaltige Maßnahmen, doch die Kommunikation müsse konkreter sein, sagte er.
Bei Voelkel steht „Entertainment-Faktor“ im Vordergrund
„Wir sprechen lieber über samenfeste Sorten, Humusaufbau oder ähnliche Themen“, erklärte Meseke. Nachhaltigkeit sei nach wie vor wichtig, aber nicht das einzige Verkaufsargument. „Im Vordergrund steht für uns der Entertainment-Faktor. Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinger auftreten, sondern mit einer Prise Humor und einer klaren Botschaft.“ Aktuell setzt Voelkel diesen Anspruch mit Bio-Tomatensaft und pfiffigen Slogans in Zügen der Deutschen Bahn um.
Meseke erklärte, dass Voelkel den Ansatz verfolge, nachhaltig zu sein, ohne dies direkt zu thematisieren. „Nach dem Motto: Kaufe ein Produkt, weil es lecker ist, weil du es haben willst, und wir kümmern uns um den Rest.“
Auf dem Marktgespräch der BioHandel-Akademie, dass ebenfalls auf der Biofach stattfand, zog Jan Pechmann, Gründer und Geschäftsführer der Marketingagentur BAM, eine Analogie zum Tandemfahren (siehe Podcast unten): „Setzen Sie den Ich-Nutzen nach vorne.“ Wenn der Kunde alle persönlichen Bedürfnisse abgedeckt habe und dann auch noch sehe, dass hinten die Nachhaltigkeit mitstrampelt, dann sei er glücklich.
Planetary Health Diet: Schwieriges Marketing?
Eine weitere These lautete: „Die Bios wissen nicht, was sie mit der Planetary Health Diet machen sollen.“ Auch dem stimmten die meisten Anwesenden zu. Die Experten waren sich einig, dass der Begriff für Marketingzwecke zu sperrig sei und Endverbraucher nur schwer erreiche. Besonders das englische Wort „Diet“ erinnere an eine Diät und suggeriere Verzicht – dabei müsse Bio Spaß machen.
Als Alternative für „Planetary Health Diet“ schlug die Beraterin und Coachin für klimafreundliches Essen, Estella Schweizer, die Bezeichnung „The Green Plate Movement“ vor. Die Idee: „Basierend auf der Planetary Health Diet setzen wir auf pflanzliche Lebensmittel, die nicht nur Mensch und Umwelt stärken, sondern auch einen ,Zero Waste‘-Ansatz verfolgen, Ressourcen schonen und möglichst gering verarbeitet sind“, schreibt Schweizer auf ihrer Webseite. Auf der Biofach warb sie für Unterstützer dieser Idee. „Lasst uns das mal machen!“
Muss Bio billiger werden?
Die Diskussion drehte sich auch um die Frage, ob Bio-Produkte günstiger werden müssten. Bei der Abfrage im Publikum stimmte die Mehrheit dagegen. Die Experten waren sich ebenfalls einig: Bio ist bereits günstig genug. Jan Niessen, Professor für Strategische Marktbearbeitung in der Ökobranche an Technischen Hochschule Nürnberg wies darauf hin, dass die Marge im Bio-Bereich ohnehin geringer sei als bei konventionellen Produkten.
Auch Jannis Meseke betonte, dass innerhalb der Wertschöpfungskette wenig Spielraum für Preissenkungen bestehe. Dennoch müsse es Einstiegsprodukte geben, die Bio für eine breitere Käuferschaft zugänglich mache. Er sprach sich daher für Bio-Produkte im Discounter und Handelsmarken aus. „Unsere Markenwertigkeit leidet darunter nicht“, erklärte Meseke. Vielmehr sei es entscheidend, dass Bio-Hersteller eine starke, wertebasierte Markenidentität entwickeln, die Verbraucher überzeugt und langfristig bindet.
Dass der Preis für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eines der wichtigsten Kriterien beim Lebensmittelkauf ist, war ebenfalls Thema einiger Diskussionen und Gespräche auf der Biofach. Doch wenn der Bio-Absatz vor allem vom Preis abhängt – wie geht es dann weiter für den Lebensmittelhandel? Wer gewinnt? Wer verliert? Und welche gemeinsamen Strategien aller Händler könnte es geben, um Bio zu Wachstum zu verhelfen? Darum geht es in Teil 2 unserer Berichterstattung über die Diskussionen im „SustainableFutureLab“ auf der Biofach 2025, der am Donnerstag dieser Woche erscheinen wird.
Kommentare
Registrieren oder anmelden, um zu kommentieren.