Die EU-Kommission will noch in diesem Jahr einen Gesetzesvorschlag zu „Neuen Genomischen Techniken“ (NGT) vorlegen. Auf dieser Grundlage soll es künftig möglich sein, Pflanzen, die mit Hilfe Neuer Gentechnik gezüchtet wurden, in Umlauf zu bringen, ohne dass dies durch eine umfassende Vorsorgemaßnahme begleitet wird. Die beiden Bio-Verbände Bioland und Demeter warnen davor, dass der gentechnikfreie Anbau dadurch in Zukunft womöglich nicht mehr möglich sei.
Um Koexistenz verschiedener Anbaumethoden und Wahlfreiheit der Verbrauchenden sicher zu stellen, brauche es weiterhin verbindliche Regelungen, teilten Bioland und Demeter in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit. Diese Regelungen müssten unter anderem dafür sorgen, dass bei Produkten, die mit neuer Gentechnik hergestellt wurden, eine Rückverfolgbarkeit und klare Kennzeichnung für Landwirte und Verbrauchende gewährleistet ist.
Die neuen Gentechnikverfahren werden bisher über das auf dem Vorsorgeprinzip basierenden EU-Gentechnikrecht geregelt und unterliegen damit einer Risikoprüfung, Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht sowie dem Prinzip, dass eine Rückholbarkeit aus der Umwelt gewährleistet sein muss. Die EU-Kommission will die neuen Gentechniken aber nun in einem neuen Gesetz außerhalb des bewährten Gentechnikrechts regeln und eröffne Bioland und Demeter zufolge damit zahlreiche Unsicherheiten. Insbesondere im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung aber auch beim Thema Patente und Koexistenz seien noch viele Fragen offen. Die beiden Verbände fordern die Bundesregierung deshalb auf, „in dieser Diskussion nun klar Position dafür beziehen, dass auch neue Gentechnik streng reguliert bleibt“.
„Das Umweltministerium hat sich zu Recht für eine auf Vorsorge beruhende Regulierung der neuen Gentechniken ausgesprochen. Von der Bundesregierung fehlt diese klare Positionierung, obwohl Kanzler Scholz noch im Wahlkampf versprochen hat, sich gegen eine Deregulierung einzusetzen“, so Bioland-Präsident Jan Plagge. „Je länger Deutschland sich in Brüssel nicht klar positioniert, desto wahrscheinlicher wird ein Freifahrtschein für die Gentech-Industrie, für den sie in Brüssel seit Monaten massiv in allen Institutionen lobbyiert. Der Sekt in den Konzernzentralen dürfte dafür schon kalt gestellt sein“, mahnt Plagge.
Eine Deregulierung neuer Gentechniken würde dem Bioland-Präsidenten dazu führen, dass diese großen Unternehmen Patentrechte auf kleinsten Ebenen verkaufen. „Die unbegründete Angst, vom Weltmarkt abgehängt zu werden, führt also in Wahrheit dazu, noch viel abhängiger zu werden – von Patenten und Technologien, die sich in der Vergangenheit schon als umweltschädlich erwiesen haben und deren vermeintlich einfache und schnelle Lösungen leere Versprechen sind. Langfristige ökologische Risiken werden dabei nicht beachtet“, so Plagge weiter.
Demeter-Vorstand Alexander Gerber bezeichnete eine De-Regulierung von neuen Gentechniken als „Nackenschlag für den Ökolandbau!“. Eine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen ohne Risikobewertung und ohne Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen, bedeute ein hohes Kontaminationsrisiko – und damit wirtschaftliche Risiken und Kosten für die Ökobetriebe. „In der Umweltgesetzgebung der EU gilt das Vorsorgeprinzip – dies muss auch bei den neuen Gentechniken weiterhin angewandt werden“, so Gerber.
Klar sei: „Um die Nachhaltigkeitsziele im Sinne des Green Deal zu erreichen, braucht es den Ökolandbau – denn Ökobetriebe fördern die Biodiversität, den Klimaschutz und sauberes Grundwasser.“ Deshalb habe sich die Bundesregierung 30 Prozent Ökolandbau als Ziel gesetzt – in der EU gilt das 25 Prozent Ziel. Um dies zu erreichen, braucht es einen fairen gesetzlichen Rahmen, so Gerber. Die von der EU-Kommission beabsichtigte Deregulierung jedoch schade den Nachhaltigkeitszielen in der Landwirtschaft.
Im Oktober 2022 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Auftrag der Europäischen Kommission Kriterien für eine Risikobewertung von Pflanzen, die durch Mutagenese oder Cis-Genese gewonnen wurden. Doch die Auswirkungen auf Ökosysteme wurde nur sehr vage betrachtet. Insbesondere im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung bleiben viele Fragen offen. Die EFSA selbst erklärte damals, dass viele Aspekte weiterentwickelt und definiert werden müssen, bevor die Risikobewertungskriterien angewendet werden könnten.
Für die Öko-Anbauverbände Bioland und Demeter ist das keine geeignete Grundlage, um über eine mögliche Deregulierung neuer Gentechniken auf politischer Ebene zu entscheiden. Sie fordern daher eine fundierte Folgenabschätzung darüber, welche Auswirkungen neue Gentechnik auf resiliente Anbausysteme und Ökosysteme haben würden. Zum jetzigen Zeitpunkt seien noch zu viele Fragen ungeklärt: ökologische Risiken sowie Fragen der Patente und Koexistenz. Eine Deregulierung des Gentechnikrechts konterkariere zudem die europäischen und nationalen Ökolandbau-Ausbauziele, so die beiden Verbände. (mis)
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