In dieser Woche kommt der Rat der EU-Agrarminister zusammen, um über die Position zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) abzustimmen. Noch am selben Tag wird auch das Europäische Parlament über seine Änderungsanträge zum Kommissionsentwurf entscheiden. Danach ist wieder die EU-Kommission an der Reihe. Die Bio-Verbände Bioland, Demeter, Naturland und Biopark warnen die europäischen Landwirtschaftsminister nun davor, eine rückwärtsgewandte GAP durchzuwinken und damit einen faulen Kompromiss einzugehen.
Demeter fordert zwei Drittel des Agrarbudgets für Nachhaltigkeit
Demeter-Vorstand Alexander Gerber argumentiert, dass die notwenigen Zielvorgaben im Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt und die Klimakatastrophe mit der Farm-to-Fork-Strategie und dem Europäischen Green Deal bereits klar definiert seien. Der Verbands-Chef fordert, dass diese Ziele nun auch in präzise Maßnahmen umgesetzt und entsprechend budgetiert werden müssen. „Insgesamt, über beide Säulen der Agrarpolitik verteilt, müssen mindestens 70 Prozent der Agrargelder so ausgerichtet werden, dass die Nachhaltigkeitsziele der EU erreicht werden!“, so Gerber. In der Pressemitteilung appelliert er weiterhin an Julia Klöckner, den EU-Parlamentariern klarzumachen, dass die bisher ausgehandelte GAP nicht reicht und sie „gerade dabei sind, rückwärtsgewandte Kompromisse zur Agrarpolitik auszuhandeln.“
Seit Jahren schon kritisiere die Wissenschaft die mangelnde Zielorientierung der europäischen GAP, heißt es in der Mitteilung weiter. Antje Kölling, politische Sprecherin von Demeter, ruft dabei einen der aktuellsten Berichte zur biologischen Artenvielfalt der Leopoldina-Akademie ins Gedächtnis: Die Wissenschaftler „stellen fest: Nur mit einem Umbau der EU-Agrarsubventionen können wir den Artenverlust stoppen. Auch der Europäische Rechnungshof kritisiert, dass die Gemeinsame EU-Agrarpolitik seit 2014 trotz des so genannten Greenings keinen ausreichenden Beitrag gegen den Rückgang der Artenvielfalt geleistet hat. Zudem schließen – trotz der Subventionen – jedes Jahr tausende Bauernhöfe in Europa für immer ihre Hoftore.“
Bioland: GAP muss sich Nachhaltigkeitszielen unterordnen
Auch Bioland-Präsident Jan Plagge meldet sich mit einem Statement zu Wort und zeigt sich enttäuscht von den mangelnden Bestrebungen der verantwortlichen EU-Politiker nach Erreichen der Klima- und Artenschutzziele. Die Vorschläge der Bundesregierung zur neuen GAP lägen zurzeit sogar hinter den Nachhaltigkeitsambitionen der noch aktuellen GAP – trotz zahlloser wissenschaftlicher Gutachten zu deren Wirksamkeit.
Gerade Julia Klöckner als Ratspräsidentin sei es nicht gelungen, ausreichende Lösungsvorschläge für die Honorierung ökologischer Maßnahmen seitens der Landwirte vorzulegen. Im Gegenteil – für die Eco-Schemes (siehe Infobox unten) etwa, habe Klöckner jüngst vorgeschlagen, den Mindestanteil in der Ersten Säule von 30 auf 20 Prozent herabzusetzen.
„Wir appellieren nachdrücklich an alle Parlamentarier und Minister in EP und Rat, sich in den kommenden Abstimmungen an die richtigen Ziele des Green Deals zu erinnern und die Politik für die nächsten sieben Jahre GAP genau diesen unterzuordnen. Denn wenn Rat und EP sich diesem wichtigen Fortschritt in der Agrarpolitik erneut verweigern, hat auch die EU-Kommission kaum noch Handlungsspielraum in den Trilog-Verhandlungen, um im Bereich von Ernährung und Landwirtschaft die Klima- und Umweltziele zu erreichen. Erneut geht dann ein Jahrzehnt, das wohl entscheidende, verloren“, mahnt Plagge.
Naturland will Stufenmodell für Eco-Schemes mit eigener Öko-Stufe
In seiner Stellungnahme schließt sich Naturland-Präsident Hubert Heigl den Standpunkten der anderen Anbauverbände an: „Der Umbau [der Landwirtschaft] wird nicht gelingen, wenn die GAP nicht wirklich an den Zielen des Green Deals ausgerichtet ist.“ Auch beim Thema Budget fordern Heigl und Demeter-Vorstand Gerber gleichermaßen, dass mindestens 70 Prozent der EU-Agrarfördergelder in Umwelt-, Klima- und Tierschutz investiert werden sollten.
An Klöckners Vorstoß zugunsten einer so genannten „Lernphase“ für die Eco-Schemes, in der die Mitgliedsstaaten nicht einmal zur Finanzierung verpflichtet werden sollen, zeige sich aus Heigls Sicht, wie schwach die Ambitionen der Pläne seien. Der Naturland-Präsident schlägt vor, „praktikable und unbürokratische Regelungen“ auszuarbeiten, „die den Betrieben Klarheit geben und der Umwelt wirklich nachhaltig nutzen. In einem prozessorientierten Stufenmodell für die erste Säule wäre das einfach umsetzbar. Der Öko-Landbau als nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung muss sich dabei in einer eigenen Stufe wiederfinden.“ In der zweiten Säule solle es dann ein spezifisches Angebot an Einzelmaßnahmen geben, die zu den einzelnen Stufen kombiniert werden können.
Biopark: Agrargelder müssen in Richtung Nachhaltigkeit steuern
Der regionale Öko-Anbauverband Biopark fordert den EU-Rat in einem Statement auf, bei der GAP-Reform dringend nachzubessern und zeigt sich enttäuscht über die bisherigen Vorschläge zur Neugestaltung der europäischen Agrarpolitik. Der Ökolandbau müsse im Strategieplan der GAP verankert werden, da das Ziel von 25 Prozent Ökolandbau bis 2030 sonst kaum erreichbar sei. Biopark zufolge sollten Landwirte zudem Agrargelder nicht mehr nur für ihren Flächenbesitz, sondern auch für ihre ökologischen und gesellschaftlichen Leistungen, wie Artenschutz und artgerechte Tierhaltung, bekommen. „Jeder Euro Steuergeld muss deutlich steuern – und zwar in Richtung Nachhaltigkeit“, heißt es in der Pressemitteilung zur geplanten GAP-Reform.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 19.10.2020 aktualisiert.
Eco Schemes oder "Öko-Regelungen" sollen mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik das so genannte Greening* ersetzen. Im Rahmen dieser Regelungen ist vorgegeben, dass Gelder der ersten Säule der GAP für den Umweltschutz einzusetzen sind. Für Landwirte sind die Eco Schemes freiwillig, EU-Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen anbieten - können diese allerdings frei ausgestalten.
*Beim Greening erhalten Landwirte Direktzahlungen der EU, wenn sie konkrete Umweltleistungen erbringen. Das können etwa bestimmte Landbewirtschaftungsmethoden sein, die den Klima- und Umweltschutz fördern.
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