"Wir sind kein Klebepärchen, aber wir mögen uns schon sehr“, so beschreibt Swen Straßberger die Verbindung zu seiner Partnerin Maja Gérard. Besser ist es, denn nicht nur privat sind die beiden Wahlberliner seit 2010 ein Team. Gleich zu Beginn ihres Studiums der Lebensmitteltechnologie an der Berliner Hochschule für Technik verloren die beiden ihre Herzen nicht nur aneinander, sondern auch an ihre Leidenschaft für gute Lebensmittel. Auch wenn sie es damals noch nicht ahnten, so Straßberger, war das der Anfang der Geschichte ihres gemeinsamen Unternehmens namens Swema – übrigens ein Kofferwort aus Teilen der Vornamen des Gründerpaares.
Instantbrühe mit Zusätzen
„Im Studium haben wir gelernt, welche Zusatzstoffe wir einsetzen können, um Lebensmittel an die Bedürfnisse der Industrie anzupassen“, erzählt Gérard rückblickend. Kein Wunder also, dass viele Produkte durch das Qualitätsraster des jungen Paares fielen. Vor allem Instantbrühen waren Straßberger als gelerntem Koch ein Dorn im Auge. „Wir haben festgestellt, dass es im Handel nur Brühpulver mit vielen Zusätzen und einem hohen Salzgehalt gibt. Damit wollte ich nicht kochen“, erinnert sich der Gründer. Da ihm fertige Flüssigbrühen fürs tägliche Kochen zu teuer waren, bereitete er seine Brühe in der eigenen Küche selbst vor.
„Ständig hat Swen unseren Tiefkühler blockiert“, erzählt Gérard darüber, wie es zu der Idee kam, selbst Brühe herzustellen. „Irgendwann war Maja so genervt von dem vollen Gefrierschrank, dass wir uns was überlegen mussten“, lacht Straßberger. Die Herausforderung: Er wollte eine gute Brühe, sie mehr Platz im Tiefkühler. Kurzerhand machte das Duo seine Heim-Challenge zum Schwerpunkt des Lebensmitteltechnologie-Studiums.
Zahlen, Daten, Fakten
Firma: Swema GmbH | Standort: Berlin
Geschäftsführer: Swen Straßberger und Maja Linda Gérard
Gründung: 2016 | Mitarbeitende: 8
Sortiment: Frischgemüsebrühen, Tomatensaucen
Umsatz: < 1 Million | www.swema-lebensmittel.de
Zwei Jahre Entwicklung
Ziel der beiden war es, eine Brühe-Rezeptur zu entwickeln, die ohne Zusätze und viel Salz auskommt, viel frisches Gemüse enthält und lang haltbar ist – natürlich in Bio-Qualität, denn das sei für sie der Lebensmittelstandard. Zwei Jahre hat das Paar an seinem ersten Produkt gearbeitet. „Das Rezept stand an sich schnell“, sagt Straßberger.
Als Basis für den würzigen Grundgeschmack der Brühe dienen dem Geschäftsführer zufolge die fünf Geschmacksarten süß, sauer, bitter, salzig und umami. „Eine eher süßliche Note bringt zum Beispiel die Pastinake in die Brühpaste und getrocknete Tomaten sorgen für Säure und Umami-Geschmack“, so der Koch. Eine wichtige Zutat für den typischen Würzcharakter, aber vor allem für die Haltbarkeit der Brühe ist Steinsalz, dessen Anteil bei Swema genau so hoch ist, dass ein bakterieller Verderb ausgeschlossen ist.
„Wir haben schrittweise gelernt, Unternehmer zu werden.“
Oxidation vermeiden
Nicht nur auf zeitlicher Ebene deutlich herausfordernder als das Thema Haltbarkeit, waren für die Lebensmitteltechnologen Merkmale wie etwa das Aussehen der Paste. „Der Chlorophyll-Anteil im Gemüse kann durch Sauerstoff oxidieren oder durch zu viel Lichteinstrahlung verblassen“, erklärt Gérard. Das beeinträchtige zwar nicht, wie lange das Lebensmittel essbar ist, gibt aber Abzüge beim Mindesthaltbarkeitsdatum, so die Geschäftsführerin.
Auf Inhaltsstoffe wie Rosmarinextrakt, die oft auch bei Bio-Lebensmitteln als Antioxidationsmittel verwendet werden, haben Gérard und Straßberger von Anfang an verzichtet. „Wir wollten keine Zusatzstoffe in unserem Rohkost-Produkt verwenden. Also war klar, dass wir den Sauerstoff irgendwie aus dem Glas holen müssen, damit die Paste nicht oxidiert“, so der gebürtige Erfurter. Um genau das umzusetzen, hat das Paar lange getüftelt und eigens eine Maschine entworfen, die ein Vakuum erzeugt und der Brühe damit den Sauerstoff entzieht, noch bevor der Deckel verschlossen wird.
Produktion in Nordberlin
Gut zehn Jahre später stehen Gérard, die gerade mit der zehn Monate alten gemeinsamen Tochter in Elternzeit ist, und Straßberger in ihrem 2021 bezogenen, rund 1.000 Quadratmeter großen Betrieb in einem Gewerbegebiet im Norden Berlins, der neben der Produktion mit selbst entwickelter Maschine auch die Büroräume und das Lager des Unternehmens beherbergt. Hier arbeitet das derzeit insgesamt zehnköpfige Swema-Team täglich an allem, was rund um das bundesweit im Naturkost-Fachhandel gelistete Bio-Produktportfolio aus fünf Sorten Brühe und den sechs, im April 2025 gelaunchten, Tomatensaucen anfällt.
Dabei packt Straßberger auch selbst mit an – etwa wenn zwölf Tonnen Natur-Steinsalz ausgerechnet beim Besuch der BioHandel-Redaktion eine Woche früher als ankündigt geliefert werden und flugs ins Lager müssen.
Wachstum ohne Investoren
Bis hierhin ist das Unternehmen Swema langsam und stetig, aber vor allem ohne die Hilfe von Fremdinvestitionen gewachsen. Mit dem Masterabschluss und einem fertig entwickelten Produkt in der Tasche haben die Lebensmitteltechnologen 2016 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. „Wir haben schrittweise gelernt, Unternehmer zu werden“, berichtet Gérard. „Anfangs haben wir wöchentlich rund 45 Kilogramm Brühe produziert und sie auf dem Wochenmarkt verkauft“, so die Geschäftsführerin. Was früher per Hand erledigt wurde, läuft heute am Fließband: Seit 2018 produziert Swema in eigenen Produktionsräumen. Nach der Brühe kam die Sauce: Im April dieses Jahres hat der Bio-Hersteller erstmals Pasta-Saucen gelauncht. Unverhofft kommt oft – so auch der Jahresvorrat Salz, den Swen Straßberger (unten rechts) eigentlich erst eine Woche später erwartet hatte.
Irgendwann, so erinnert sich das Paar, hätten mehr und mehr Stammkunden geäußert, dass sie „nicht extra aus Spandau auf den Wochenmarkt kommen und Swema gern im Laden ums Eck kaufen“ wollen. Also stellten Gérard und Straßberger Swema ersten Bio-Großhändlern vor, darunter Terra Naturkost, Weiling und Dennree, die die ökologische Rohkost-Brühe direkt listeten. Schnell folgten bundesweite Partnerschaften mit weiteren Naturkost-Großhändlern. „Ich hab‘ dort das Gleiche erzählt, wie auf dem Wochenmarkt und hatte nie das Gefühl, verkaufen zu müssen. Der Bio-Fachhandel war unser Geburtshelfer“, sagt Straßberger rückblickend.
Marketing dank TV-Koch Nelson Müller
„Quasi verdreifacht“ habe sich Swema im Jahr 2020 durch die ZDF-Sendung „Besseresser“, in der TV-Koch Nelson Müller die klassische Gemüsebrühe des damalig noch dreiköpfigen Unternehmens im Vergleich mit herkömmlichen Instantbrühen vorstellte.
Neben neuer Endverbraucherkundschaft, seien damals auch viele bio-affine Kaufleute aus dem Lebensmitteleinzelhandel auf Swema aufmerksam geworden. Das ihr Produkt im Laufe der Zeit durch Lieferungen verschiedener Bio-Großhändler längst auch in ausgewählten Edeka-Märkten erhältlich war, haben Gérard und Straßberger damals eher zufällig durch eine Kundin erfahren. „Unsere Produkte sind nicht nur auf den Bio-Fachhandel beschränkt“, sagt Straßberger. „Wenn nun LEH-Kaufleute auf uns zukommen, bestehen wir zum Beispiel auf unserer Preisempfehlung, damit der Bio-Fachhandel keinen Nachteil bekommt.“ Für das mittelgroße Glas klassische Gemüsebrühe etwa, sieht das Unternehmen eine UVP von 6,69 Euro vor.
Neue Saucenlinie schnell flächendeckend gelistet
Bis 2024 ist der jährliche Produktionsumfang von ehemals rund einer Tonne auf 75 Tonnen Brühe gestiegen. Dank dieser Entwicklungen konnte Swema der Geschäftsführung zufolge im Jahr 2025 aus seiner „Monoproduktstrategie“ ausbrechen und „mit den neuen Tomatensaucen endlich eine der vielen Ideen-Schubladen aufmachen“, freut sich Straßberger, der diesbezüglich noch viel mit Swema vorhat.
Dass ihre neue Bio-Saucenlinie schon kurz nach dem Launch flächendeckend im Bio-Fachhandel gelistet war, sei dabei kein reines Glück, sagt Gérard. „Das verdanken wir dem Vertrauen der Bio-Großhändler, das wir uns durch unsere Zuverlässigkeit, was Qualität, Kommunikation und Lieferfähigkeit anbelangt, erarbeitet haben“, so die 34-Jährige.
Drei Fragen an Swen Straßberger
Was ist die größte Herausforderung als Hersteller im Bio-Fachhandel?
Unsere Qualität in einem Markt sichtbar zu machen, der zunehmend von „Bio light“, Handelsmarken und Preisdruck geprägt ist.
Warum?
Unsere Produkte sprechen zwar für sich – aber nicht immer von selbst. In einem Markt mit vielen Versprechen und wenig Zeit pro Kaufentscheidung wird es zur Kunst, das „Warum“ hinter einem Produkt sichtbar zu machen. Rohkostqualität, handwerkliche Verarbeitung, kurze Zutatenlisten – all das lässt sich nicht in einem Wort erklären. Umso wichtiger ist es, gemeinsam mit dem Handel kreative Wege zu finden, um Qualität erlebbar zu machen – im Gespräch, im Regal, online und auf dem Teller.
Was schätzt ihr an der Bio-Branche?
Die Bio-Branche ist eine Gemeinschaft mit Haltung. Wir schätzen die vielen engagierten Menschen, die sich mit Herz, Wissen und Verantwortung für gesunde Ernährung, ökologische Landwirtschaft und faire Wertschöpfung einsetzen. Gerade im Fachhandel erleben wir ein Miteinander, das über den reinen Produktverkauf hinausgeht. Dieser Geist motiviert uns jeden Tag – und bestärkt uns darin, konsequent und mit Freude unseren Weg zu gehen.
Gut aufgestellt für die Zukunft
Für das laufende Jahr rechnet das Swema-Team mit einer Gesamtproduktionsmenge von zirka 90 Tonnen ökologischer Gemüsebrühe und Tomatensauce. Auch in Hinblick auf einen wachsenden Kapazitätsbedarf und seine Ziele sieht sich das Unternehmerpaar mit seinem Betrieb gut aufgestellt. „Wir pflegen eine enge Partnerschaft mit einem Schälbetrieb, der mit einem Regionalverbund vieler Öko-Landwirte innerhalb der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg zusammenarbeitet“, erzählt Gérard. „Dadurch können wir große Mengen an Gemüse regional beziehen.“
„Perspektivisch wollen wir noch mehr bestehende Produkte unter die Lupe nehmen und besser machen.“
Tausend kulinarische Ideen in der Schublade
„Perspektivisch wollen wir gern noch mehr bestehende Produkte unter die Lupe nehmen und besser machen – also ohne hohe Verarbeitung und ohne Zusätze“, plant Straßberger. Dafür seien beispielsweise Investitionen im Personal- und Produktionsbereich geplant. Bis 2027 könnte die Mitarbeiterzahl laut des 35-jährigen Gründers auf 15 bis 20 anwachsen. Die Rollen des Unternehmerduos im Kurs auf die Zukunft sind dabei laut Straßberger klar verteilt: „Maja und ich sind ein Wechselspiel aus zwei Charakteren. Als gelernter Koch habe ich Tausend kulinarische Ideen in der Schublade, die ich mit Swema umsetzen möchte. Maja hat dabei den Blick auf die Finanzen und das Qualitätsmanagement. Sie macht es möglich, dass ich weiterrennen kann.“ Dabei hat das Paar einen wichtigen Grundsatz: „Ein hartes ‚Nein‘ bei großen Entscheidungen und der Weg wird nicht gegangen.“
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