Manche Rezepte sind verblüffend simpel. So wie das des italienischen Pasta-Herstellers Girolomoni: Verarbeitet werden Quellwasser aus den Apenninen und Grieß aus frisch gemahlenem Hartweizen – das war's. Dass sich hinter dieser vermeintlichen Einfachheit eine bemerkenswerte Leistung verbirgt, zeigt die Geschichte des Familienunternehmens.
Mühle und Nudelfabrik liegen auf dem auf dem Montebello-Hügel in der Nähe von Urbino in den italienischen Marken. Hier gründete Gino Girolomoni 1977 die Kooperative.
Gründer Gino Girolomoni stammte aus einer Bauernfamilie und wollte in den 70er-Jahren die Landflucht stoppen. 1977 gründete er eine Kooperative – an einem besonderen Ort, dem Kloster Montebello. Schon als Kind faszinierte ihn das verfallene Benediktinerkloster. Als junger Mann, frisch verheiratet, zog er mit seiner Frau in den einzigen bewohnbaren Raum der Ruine ein. Das sprach sich herum und allmählich wurde das Kloster zum Treffpunkt für philosophisch, kulturell und spirituell interessierte junge Leute. Heute ist das Gebäude komplett restauriert und bewohnbar.
Zur Kooperative gehören inzwischen rund 200 Bio-Landwirtinnen und -Landwirte. Sie bauen Getreide an, auch alte Sorten wie Emmer (siehe Kasten „Die Geschichte von Girolomoni“). Auch 200 Vertragsbauern liefern Weizen ab. Girolomoni bietet ihnen nach eigener Aussage faire Preise und Garantien für die Abnahme der Ernten.
Vier Agraringenieure betreuen die Bauern in Fragen zum ökologischen Landbau. Im Mittelpunkt stehe ein hoher Qualitätsanspruch, die stetige Verbesserung des Getreides und die Initiative für samenfesten, also nachbaufähigen Hartweizen, heißt es aus dem Unternehmen.
Die Pastificio, die Nudelfabrik, liegt gleich neben der Mühle. „Kurze Lagerzeiten, direkte Wege – alles liegt in einer Hand“, sagt Giovanni, Ginos jüngster Sohn und Geschäftsführer der Kooperative.
Die Verbindung zwischen „Märkten und Menschen“, die Gino Girolomoni am Herzen lag, einte ihn mit dem Rapunzel-Gründer Joseph Wilhelm. Beide trafen sich Anfang der 80er-Jahre, als Wilhelm nach Partnern für die noch neue Bio-Idee suchte. Aus dem Kontakt entstand eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die bis heute besteht – und die Girolomoni in einer schwierigen Situation das Überleben sicherte: Vollkornpasta war in Italien eine Zeit lang verboten.
Vollkorn galt als ungesund, sogar als giftig, da in den Randschichten des Korns so viele Pestizide steckten. Vollkornnudeln der Kooperative wurden sogar von staatlicher Seite beschlagnahmt. Erfolglos wehrte sich Girolomoni vor Gericht. In Deutschland aber war der Verkauf erlaubt, und Rapunzel brachte die Pasta in die Bio-Läden. Diese Zusammenarbeit sicherte das Überleben der Kooperative. Als ein findiger Anwalt eines Tages den Tipp gab, nicht „Pasta aus Vollkorn“ auf die Verpackungen zu schreiben, sondern Fussili, Spaghetti oder Rigatoni „aus Vollkorn“, war das Problem gelöst.
Auszeichnung mit dem „EU-Bio-Award“
Die Kinder von Gino Girolomoni: Maria, Samuele und Giovanni
Nach Gino Girolomanis Tod im Jahr 2012 übernahmen seine Kinder die Geschäfte. Seither leitet Sohn Giovanni die Kooperative und die Fabrik. Tochter Maria leitet den „Agriturismo“ auf Montebello, ein touristisches Angebot, das Urlauber in Kontakt bringt mit der Landwirtschaft.
Im Jahr 2023 wurde der Landwirtschaftsbetrieb Gino Girolomoni Cooperativa Agricola als erstes italienisches Unternehmen mit der renommierten Auszeichnung „EU-Bio-Award“ in der Kategorie „Kleine und mittlere Unternehmen in der Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln“ ausgezeichnet.
Was jetzt noch kommen kann? Von Girolomoni heißt es dazu: eine CO2-neutrale Pasta-Produktion.
Girolomonis Erfolgsrezepte
Girolomonis Pasta wird aus Hartweizengrieß hergestellt. Der enthält viel Eiweiß und Gluten, weshalb aufs Ei verzichtet werden kann.
- Mühle und Nudelfabrik der Kooperative verarbeiten jährlich etwa 12.000 Tonnen Getreide zu rund 9.000 Tonnen Pasta, die in mehr als 30 Länder exportiert werden. In Mühle und Nudelfabrik sind etwa 60 Menschen beschäftigt.
- Girolomoni engagiert sich nach eigenen Angaben um eine stetige Verbesserung des Getreides, etwa um samenfesten, also nachbaufähigen Hartweizen sowie den Anbau alter Sorten wie Emmer.
- Das Unternehmen exportiert in 30 Länder, darunter in die USA und nach Japan. In Deutschland ist Rapunzel der einzige Bio-Anbieter, der die Pasta vertreibt. Erhältlich sind die Produkte außerdem über die Girolomoni-Website, Bio-Online-Handelsportale, Weltläden sowie bei Amazon und beim Lieferdienst Knuspr.
- Eine langsame Trocknungszeit bei höchstens 60 Grad Celsius erhält Nährstoffe und gibt dem Teig Zeit, schwer verdauliche Bestandteile des Korns abzubauen. Die Pasta soll deshalb besonders bekömmlich sein. Industriell gefertigte Pasta trocknet nur drei bis vier Stunden lang bei 100 Grad.
- Bronzeformen geben Nudeln eine raue Oberfläche, damit die Soße gut haftet.
Die Geschichte von Girolomoni
- 1977 Gründung der Kooperative
- 1978 Verkauf der ersten Vollkornpasta
- 1989 Einweihung der Nudelfabrik
- 1994-2005 Einführung der alten Getreidesorten Emmer, Kamut und Senatore Cappelli
- 2012 Tod des Gründers Gino Girolomoni
- 2023 Beitritt zur World Fair Trade Organization
- 2024 Auszeichnung mit dem „EU Organic Award“
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