Sechs Uhr früh, noch ist es kühl an diesem Sommermorgen. Das Jagsttal liegt im Nebel wie in Schafswolle gehüllt. Auf einmal blitzt ein Fahrradlicht durch die Dämmerung und man hört leises Blöken: Die Schafe kommen! Ein vorwitziger Trupp erklimmt den Hang, immer dicht hinter Norbert Fischer und Ed, dem Hütehund.
Kleine Pause, bis auch die trödelnden Nachzügler da sind, dann die letzte Steigung und hoch zum Hof, der sich im Halbrund an die Kuppe schmiegt. Als der Schäfer vom Rad steigt, drängelt die Vorhut schon an der Tür zum Melkstall. Er stellt noch einen mobilen Zaun auf, damit die Träumer der Herde nicht ausbüxen, und zieht den schwarzen Schäferkittel über. Nun startet in der Langenburger Schafkäserei der Hof-Alltag mit dem Melken – so wie jeden Morgen, außer in den Wintermonaten Dezember und Januar.
Die ersten 20 Schafe habe er noch von Hand gemolken, sagt Norbert Fischer. Als die Tiere dann mehr wurden, schaffte er sich eine Melkmaschine an. Nacheinander trippeln jetzt immer zwölf Schafe rechts, zwölf links in den Melkstand. Mit Lappen und weicher Holzwolle reinigen Norbert Fischer und sein Sohn Wendelin die Euter, und legen den Schafen die Melkgeschirre an. Die nächsten in der Reihe warten schon und schauen neugierig über die Absperrung, während sich der milde aromatische Duft der Milch ausbreitet.
Robuste Schafe
Besonders markant sind jene Tiere mit den geschwungenen Hörnern. Es sind Basco-Béarnaise-Schafe, die der Senior liebevoll „meine Basken“ nennt: „In die hab‘ ich mich auf den ersten Blick verliebt.“ 2018 holte Norbert Fischer die ersten Basken auf den Hof. Seitdem kreuzen sie sich mit den ostfrischen Milchschafen, mit denen er 1984 anfing – „das gibt dann das Hohenloher Milchschaf“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Besonders gefällt ihm an ihnen die runde Charakternase, dass weibliche wie männliche Tiere Hörner tragen und dass sie so robust sind. Damit „passen sie wunderbar zum Demeter-Gedanken“, sagt er. An die Anfänge zurückdenkend fasst Norbert Fischer zusammen: „Mein Ziel war nie, viel Geld zu verdienen, sondern im Einklang mit der Natur zu leben und zu arbeiten. Dabei war mir der Bio-Gedanke immer wichtig.“
Betriebsgelände mit kurzen Wegen
Kikeriki! Der bunte Zwerghahn, der mit den Hühnern und Küken kreuz und quer über den Hof stolziert, kräht, als staune er, was daraus geworden ist: Ein Bauernhaus und Betriebsgebäude in moderner Holzbauweise, die Käserei, ein Maschinenpark. Schaut man im Hofladen durchs Fenster nach unten in die Käserei, fallen sofort zwei Kupferkessel auf. Der große fasst 800 Liter und ist der Stolz des Käsers: „Der ist aus der Schweiz von einer Alp. Dort hab ich ihn auf 2000 Meter selbst ausgebaut. Hergestellt wurde der Kessi 1952.“ Wie kommt man denn an sowas? „Na ja“, er freut sich und grinst über beide Backen, „wir Käser sind schon eine Community“.
Der Weg zwischen Melkstall und Käserei ist kurz. Das ist wichtig, denn die Langenburger verarbeiten schließlich Rohmilch. Je kürzer der Weg, desto besser die Qualität. Zwischen den Arbeitsräumen liegt eine Art Schmutzschleuse. Schon vor Corona gab es hier Haarnetze, Handschuhe, Desinfektionsmittel und weiße Kleidung. Fliegen und Keime müssen draußen bleiben.
Vielfalt von Weich- bis Hartkäse
Die Luft im Verarbeitungsraum ist feuchtwarm. Auf dem Arbeitstisch liegen frisch angesetzte Pecorino-Laibe. Norbert Fischer hobelt bei jedem die überstehenden Ränder ab, und reibt die Käse dann von Hand mit Salz ein. „Trockensalzen nennt man das“, erklärt er. „Andere legen den Käse ins Salzbad. Wir machen das nicht. So entsprechen Reife und natürliches Aroma eher unseren Vorstellungen.“
Mit Sorgfalt widmet er sich jedem Laib. Ob klein oder groß. Ob er sie einreibt oder wendet. Und auch wenn er sie in den eigens für die Produktion gebauten Gewölbekellern samt den Fichtenbrettern, auf denen sie reifen, umsetzt. Als gäbe er jedem Laib einen eigenen Zuspruch mit auf den Weg in die Reifezeit. Für ihren Blauschimmelkäse, Roggen blau, ist die Käserei bekannt. Auch Graukäse reift hier. Der ist erst von ockerfarbenen, anschließend von grauen Pilzkulturen besetzt, die wie kleine Blüten anmuten.
Von Weich- bis Hartkäse wird hier alles hergestellt. Damit sie dann auch beim Händler in der Theke Hingucker sind, experimentiert das Käser-Team mit Körben oder Furchungen von Hand, damit auf der Rinde schöne Muster und Strukturen entstehen. Mitarbeiterin Natascha Wurst hat heute die kleinen Pfefferkäse mit Herzen dekoriert.
Beim Thema Rohmilch scheiden sich die Geister. Fans schätzen das regionale Wildkräuter-Aroma, das die naturbelassene, nicht pasteurisierte Milch prägt. Zudem zeichnet sich Rohmilchkäse durch mikrobiologische und geschmackliche Vielfalt aus. Manche fahren kilometerweit, um Käse wie diesen zu bekommen. Skeptiker fürchten die Gefahr von Listeriose. Diese grippeähnliche Krankheit wird durch Listerien-Bakterien hervorgerufen. Rohmilchbetriebe werden jedoch penibel geprüft und Norbert Fischer betont: „Listerien hatten wir in all den 35 Jahren nicht.“
Rettung des Hofs durch Genussrechte
Der Seniorchef nimmt einen Schluck Wasser, schaut zum Horizont, Richtung Langenburger Schloss, und erzählt aus der Betriebsgeschichte. Als der alte Pachthof aus privaten Gründen nicht mehr zur Verfügung stand, suchte er ein neues Gelände. Fand schließlich diese Wiese, auf der jetzt sein Hof steht, und träumte vom Neubau: „Ein Freund hat mir damals einen Architekten vermittelt. Der kam dann zu uns, zeichnete bei Käse und Wein dieses Ensemble hier. Bis er merkte, wir hatten wirklich kein Geld. Da ist er dann ausgestiegen.“
Aber die Pläne hat er ihm dagelassen. Wohl ohne zu ahnen, wie viel Kraft ein Traum entwickeln kann. Ein bisschen bodenständige Sturheit kam wohl auch dazu. Norbert Fischer grinst und erzählt dann von der Rettung des Hofs durch Genussrechte: „Damals war ich der Erste, der das angeboten hat und wurde gleich auf die internationale Anlegermesse nach Düsseldorf eingeladen.“ Und? „Es war zwar seltsam für mich, aber ein voller Erfolg. N-TV hat uns gefilmt, unsere Website lief über den Ticker – und ich stand da in meinem Wollpullover zwischen all den Geschäftsleuten in Nadelstreifen und habe Käseproben verteilt.“
Ich stand da in meinem Wollpullover zwischen all den Geschäftsleuten in Nadelstreifen und habe Käseproben verteilt.
Dieser Auftritt brachte ihm sofort 20.000 Euro ein. Kurze Zeit später waren es 100.000. „Damit konnten wir diese Wiese kaufen, den Neubau des Hofs finanzieren und uns weiterentwickeln.“ Heute sind etwa 100 Kunden mit rund 200.000 Euro am Hof beteiligt. Jedes Jahr steht ihnen drei Prozent ihrer Einlage in Form von Käse zu. Auch die Nürnberger Umweltbank hat Geld in den Hof investiert und erhält jährlich ein Käse-Paket fürs Mitarbeiterfest.
Wird das immer abgerufen? Der Senior schüttelt den Kopf: „Für viele ist die Hauptsache, dass sie durch uns ein ökologisches Investment haben. Wir schützen durch unsere extensive Wirtschaftsweise das Jagst- und das Brettachtal – und wir machen besondere Produkte, die auch ein Pluspunkt für die Region sind.“
Gleichgesinnte gesucht
Neben dem Hahn sind rund um den Hof Goldammer und Turmfalke, Grünspecht und Rotmilan zu hören, denn Demeter-Betriebe wie die Langenburger Schafkäserei legen Hecken an, senken durch ihren Kreislaufbetrieb den Nitratgehalt im Boden und lassen Bodenlebewesen Luft zum Atmen.
Nach seinem Wunsch für die Zukunft gefragt antwortet Norbert Fischer: „Von Anfang an war mein Ziel, eine Gemeinschaft aufzubauen – das wird in den nächsten Jahren unsere Aufgabe sein. Menschen zu finden, die Verantwortung übernehmen und Teilhaber sein wollen.“ Sein Vorbild ist die Hofgemeinschaft Heggelbach, die aus sechs Familien besteht. „In Strukturen wie diesen liegt nach meiner Einschätzung die Zukunft der vielfältigen Bio-Landwirtschaft“, sagt Norbert Fischer.
Gemeinsam mit Sohn Wendelin sucht er deshalb Menschen mit Natur-Mumm für eine Betriebsgemeinschaft – damit der Hof auch dann noch da ist, wenn seine Enkelin längst den Kindergarten verlassen hat.
Drei Fragen an Norbert Fischer
Welches Ihrer Produkte ist besonders beliebt?
Unsere besondere Spezialität ist der Roggen blau, ein Blauschimmelkäse. Prinzipiell aber merken wir, dass Vielfalt gefragt ist. Wir stellen vom Streich- bis zum Hartkäse alles aus Rohmilch selber her. Wer zu uns aufs Land kommt, will nicht nur einen Feta, sondern verschiedene Käsesorten einkaufen.
Dieses Jahr ist Ihr Sohn Wendelin mit in den Hof eingestiegen – was hat sich verändert?
Er schaut viel mehr auf die Wirtschaftlichkeit als ich. Zuerst hat er den Maschinenpark modernisiert und dann den Hof vergrößert. Jetzt haben wir mehr Flächen, mehr Tiere und auch neue Produkte werden entwickelt.
Sie setzen bei Ihrem Käse stark auf Direktvermarktung und lokale Gastronomie, kaum auf Bioläden – bleibt es bei dieser Struktur?
Wir waren lange von der Produktmenge her viel zu klein für den Fachhandel. Durch die Erweiterungen ist das jetzt anders und zudem hat Corona unseren Direktverkauf ausgebremst, sodass wir uns schneller als geplant neu orientieren mussten. Aktuell sind wir bei Hakopaxan sowie den Käsehändlern Fuchshöfe und Geifertshofen gelistet – und wollen auch weitere Großhändler beliefern.
Zahlen – Daten – Fakten
Gründung: 1984 von Norbert Fischer und seiner damaligen Frau Berit
Umsatz 2020: 100.000 Euro
Größe der Herde: 300 Mutterschafe mit Nachzucht (Basco-Béarnaise und Ostfriesische Milchschafe)
Größe des Geländes: 93 Hektar
Mitarbeitende: 6
Sortiment: Weich- und Hartkäse, Joghurt, Eis, Wurst und Fleisch, Felle, Kinderbücher, Seife, Frühstücksbrettchen
Produkte: ca. 40
Geschäftsführer: Norbert und Wendelin Fischer
Website: www.schafkaese.com
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